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Erdmännchen-Safari
Südafrikas lustige Gesellen

Erdmännchen gehören in Zoos zu den großen Publikumslieblingen. In ihrer Heimat, der südafrikanischen Savanne, lassen sich die kleinen grauen Säuger aber auch in freier Natur beobachten – etwas Glück und Frustrationstoleranz vorausgesetzt.

Von Ingeborg Breuer | 30.04.2017
    Erdmännchen am 18.01.2017 im Opelzoo in Kronberg im Taunus (Hessen)
    Erdmännchen, hier in einem Zoo in Kronberg (dpa / picture-alliance / Boris Roessler)
    Es ist früh, verdammt früh, als wir uns an einer Straßenkreuzung nahe Oudtshoorn, gut 400 km westlich von Kapstadt, einfinden. Denn wir wollen Erdmännchen sehen, jene putzigen kleinen Raubtiere, die meistens auf den Hinterbeinen stehen, um zu gucken, ob die Luft rein ist. Und dafür muss man früh aufstehen.
    Um 5 Uhr morgens rollt ein alter Pickup von den "Meeerkat-Tours" heran. Heraus springen JD und Dolf, die uns heute zu den Erdmännchen führen wollen.
    Während die Nacht allmählich schwindet und das Morgengrauen den Himmel in ein erstes fahles Licht taucht, folgt etwa ein Dutzend Touristen JDs Pickup mit ihren Autos über holprige Feldwege. Die letzten 400 Meter geht es, jeder einen Klappstuhl unter den Arm geklemmt, zu Fuß durch die karge Vegetation der Savanne. Ideal für "Meerkats", wie die Erdmännchen auf Afrikaans heißen.
    "Wie Sie sehen, ist die Vegetation hier niedrig, keine hohen Büsche. So können die Erdmännchen sich gut aufrichten und gucken, ob Gefahr droht."
    Vor einem Areal von niedrigen löchrigen Erdhügeln stoppt unser Guide. Die Touristen setzen sich im Halbrund um die Aufwerfungen herum und JD beginnt zu erzählen. Wie er und die anderen Ranger die Erdmännchen langsam, ganz langsam daran gewöhnt hätten, Menschen als völlig unwichtigen Teil ihrer Umgebung zu ignorieren. Dass die Tierchen in Gruppen, JD sagt "in Gangs" - leben und vorwiegend Insekten, aber auch kleine Schlangen oder Mäuse fressen. Und dass sie sich zur Wiedererkennung jeden Morgen gegenseitig mit Duftnoten markieren. Denn, "wer nach Familie riecht, ist Familie", sagt JD.
    Über zwei Jahre hätten die Ranger Buch geführt über die Verhaltensweisen der Erdmännchen. Wo sie aus ihrem unterirdischen Gängessystem morgens auftauchen und vor allem, um welche Zeit. Ob das abhängig vom Wetter ist. Und so weiter und so weiter. Aber nach zwei Jahren hätten sie das Buch weggeschmissen. Warum?
    "Sie mögen Partys"
    "Es ist nutzlos. Sie tun einfach, was sie tun wollen und wann sie es wollen. Sie lesen keine Bücher und wissen deshalb nicht, was wir von ihnen erwarten. Am längsten haben wir auch schon mal fünfeinhalb Stunden auf sie gewartet."
    Möglicherweise tauchen sie heute ja auch gar nicht auf, befürchtet da wohl so mancher Tourist. Denn mittlerweile ist es hell und ein wolkenloser noch zartblauer Himmel legt sich über die Savanne. Und angeblich kommen sie doch gewöhnlich zu Sonnenaufgang.
    "Sie mögen Partys und schlafen heute vielleicht lange". Gestern war schließlich Freitag, versucht JD den Touristen Hoffnung zu machen. Und dann: "Look there" flüstert eine Touristin. Als würde es von einem Lift hochgefahren, sieht man zuerst den Kopf, dann den Oberkörper und dann das ganze Erdmännchen. Stramm steht es auf den Hinterbeinen. Die Touristen sind Luft für das vielleicht 30 cm große Tier. Aber diese sind begeistert. Zücken ihre Smartphones, zoomen das possierliche Tier mit ihrem Teleobjektiv heran. Und kurz später steht noch eins da. Und noch eins. Schließlich stehen acht Meerkats aufrecht in der Landschaft herum, alle in Hab-Acht-Stellung. Nur die Köpfe bewegen sich manchmal ruckartig auf der Ausschau nach Gefahr.
    Die Erdmännchen im Zoo Neuwied
    Erdmännnchen suchen Schatten (picture alliance / dpa / Thomas Frey)
    "Wir nennen es Super-Alpha und Alpha", erklärt JD: "Eines von den beiden ist der Chef, egal ob männlich oder weiblich, das hängt davon ab, wer am längsten in der Familie ist." Der Familienverband ist strikt hierarchisch organisiert. "Super-Alpha und Alpha sind die einzigen, die sich fortpflanzen. Dreimal im Jahr bekommen sie Nachwuchs. Und wenn sie die Babys bekommen, helfen alle anderen weiblichen Tiere, geben Milch, füttern die Jungen."
    Erst nach sechs Wochen verlassen die Jungen den Bau und müssen auch dann noch eine Weile von einem älteren Tier geschult werden. Doch wenn die männlichen Tiere geschlechtsreif sind, verlieren sie allmählich ihren spezifischen Familiengeruch und die "Gang" drängt sie aus der Gruppe heraus. Dann treiben sie sich vor den Revieren anderer Erdmännchengruppen herum, in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit eines weiblichen Tiers zu erlangen.
    "Er beginnt, anders zu riechen und – Sie erinnern sich – um ein Teil der Familie zu sein, muss man nach Familie riechen. Tja, jetzt ist er auf sich gestellt. Und sein Job ist, eine Freundin zu finden." Ergänzt JD
    Die Erdmännchen vor uns scheinen langsam zu meinen, die Luft sei rein. Eins nach dem anderen macht sich auf allen vieren vom Acker. Während die meisten mit den Krallen und der Nase auf der Suche nach Nahrung über den Erdborden scharren, sieht man manchmal in der Ferne, wie sich wieder eins aufrichtet. Denn in der Savanne kann man nicht vorsichtig genug sein.