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Erdogan und der G20-Gipfel
Auftritt mit großem Gefolge

Wenn der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zum G20-Gipfel nach Hamburg kommt, dann wird er nicht nur von einem großen Gefolge, sondern auch von etlichen Fragen und Problemen begleitet. So gehen etwa beim Thema Terrorbekämpfung die Meinungen auseinander.

Von Christian Buttkereit | 04.07.2017
    Präsident Erdogan spricht in ein Mikrofon und formt seine rechte Hand zu einer Faust
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan liebt große Auftritte: Das wird auch auf dem G20-Gipfel so sein. (ADEM ALTAN / AFP)
    Bescheiden wird der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in Hamburg nicht auftreten. In Diplomatenkreisen heißt es, Erdogan wolle mit einer 250-köpfigen Delegation anreisen. Seine Entourage ist damit mehr als drei Mal so groß wie die des französischen Präsidenten Macron. Darunter fünf Minister und 60 Sicherheitsleute.
    Nicht in Hamburg dabei sein werden die zwölf Leibwächter, die bei Erdogans Besuch in Washington im Mai kurdische Demonstranten verprügelten. Gegen sie wurde in den USA Haftbefehl erlassen. Auf der aktualisierten Liste der Delegation tauchten ihre Namen nicht mehr auf, heißt es aus deutschen Behördenkreisen.
    Der Vorfall in Washington ist aber ein eher kleines Problem zwischen der Türkei und den USA. Wenn sich US-Präsident Trump und Erdogan in Hamburg über den Weg laufen, werden sie vermutlich eher über den Terrorismus streiten. Für Erdogan dürfte internationale Solidarität im Kampf gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Gülen-Bewegung das wichtigste Anliegen bei diesem G20-Gipfel sein:
    "Terrorbekämpfung ist kein lokales Unterfangen. Terrorbekämpfung kann nur im internationalen Konsens erfolgreich sein. Wenn wir diesen Kampf denn global führen, dann müsst ihr jene, die uns gehören, schleunigst uns übergeben. Tut ihr es, ist es gut. Doch tut Ihr es nicht, dann tut uns das leid und wir machen es Euch gleich."
    Streitpunkt Terrorbekämpfung
    Gemeint ist die Auslieferung des in den USA lebenden Predigers Fetullah Gülen, den Erdogan für den Putschversuch im vergangenen Sommer verantwortlich macht. Außerdem ärgert sich die Türkei über Deutschland. Zum einen weil putschverdächtige Militärs dort Asyl genießen, zum anderen weil vermeintliche PKK-Mitglieder nicht ausgeliefert werden.
    Ein weiteres heißes Eisen sind die amerikanischen Waffenlieferungen an kurdische Rebellen in Nordsyrien. Die USA sehen in den YPG-Milizen Verbündete, für die Türkei sind es Terroristen. Erdogan befürchtet, Waffen, die an die YPG geliefert werden, könnten in die Hände der PKK geraten. Sollten die syrischen Kurden als Lohn für ihre Dienste Gebietsansprüche stellen, werde die Türkei das nicht akzeptieren:
    "Wir werden nicht akzeptieren, dass in Nordsyrien an unserer Grenze Terroristen einen eigenen Staat gründen.
    Ähnlich beunruhigend für Erdogan ist die Ankündigung nordirakischer Kurden, über ihre Unabhängigkeit abzustimmen.
    In der Flüchtlingspolitik spielt die Türkei nach wie vor eine zentrale Rolle. Der Flüchtlingspakt mit der EU hat sich eingespielt, sodass Beobachter hier keine neuen Konflikte erwarten.
    Türkei auf der Seite Katars
    Spannender dürfte es beim Klimaschutz werden, nachdem die USA angekündigt hatten, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszusteigen. Zwar hat die Türkei das Abkommen unterzeichnet, aber noch nicht in nationales Recht umgesetzt. Kritiker sprechen deshalb von bewusstem Verzögern und Taktieren. Derweil verfeuert die Türkei weiterhin selbstgeförderte Kohle, setzt gleichzeitig auf erneuerbare Energien, baut aber auch die ersten Atomkraftwerke des Landes.
    Am Rande des G20-Gipfels wollte sich Erdogan eigentlich mit dem saudischen König Salman treffen. Durch die Absage des Saudis wird es dazu nicht kommen. Gesprächsthema wäre die Katar-Krise gewesen. Saudi-Arabien und andere Staaten beschuldigen Katar, Terroristen zu unterstützen. Sie hatten das Emirat deshalb diplomatisch und wirtschaftlich isoliert. Eine ihrer 13 Forderungen ist es etwa, den in Katar beheimateten Fernsehsender Al Jazeera zu schließen. Die Türkei hingegen unterstützt das Emirat und baut seine dortige Militärpräsenz aus.
    "Wir stimmen mit der Haltung Katars überein, was die Liste der 13 Forderungen anbelangt. Auch wir gehen davon aus, dass diese Forderungen gegen internationales Recht verstoßen. Denn das Völkerrecht erlaubt es nicht, einfach die Souveränität eines Landes infrage zu stellen."
    Ursprünglich wolle Erdogan den Besuch in Hamburg auch nutzen, um zu seinen Anhängern in Deutschland zu sprechen. Nachdem die Bundesregierung das untersagt hat, mag es den türkischen Präsidenten trösten, dass er zumindest eine so große Delegation um sich hat.