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Erdogans Erzfeind
Wer ist Fethullah Gülen?

Für den türkischen Staatspräsidenten hat der Putschversuch einen eindeutigen Urheber: Fethullah Gülen. Der islamische Prediger lebt seit vielen Jahren in den USA und gilt als Hauptfeind Erdogans. Dabei schritten beide lange Seit an Seit - bis es zum großen Zerwürfnis kam. Ein Porträt.

Von Metin Fakioglu | 18.07.2016
    Fethullah Gülen
    Der in den USA lebende türkische Prediger Fethullah Gülen (dpa/picture-alliance)
    Fethullah Gülen ist Sohn eines Predigers, der die Grundschule abbrechen musste und später an einer privaten Religionsschule unterrichtet wurde. Wie sein Vater wurde auch er ein islamischer Prediger. In den 50er- und 60er-Jahren herrschte in der Türkei - infolge des Kalten Kriegs - von Staatswegen ein Hass auf alles, was als kommunistisch gedeutet wurde – und Gülen engagierte sich in diesen Jahren vor allem gegen Linke, Demokraten und Kommunisten.
    Fethullah Gülen gründete mit Gleichgesinnten die sogenannten "Vereine für den Kampf gegen den Kommunismus". Seine große Zeit verdankt Fethullah Gülen ausgerechnet einem Putschisten: General Kenan Evren, der 1980 die Macht in der Türkei ergreift und mit äußerster Härte vor allem gegen Linke, Gewerkschafter und Kurden vorgeht – Evren lässt die kurdische Sprache per Verfassung verbieten, Foltergefängnisse werden eröffnet. Tausende Menschen werden umgebracht. Die Militärs sehen in Fethullah Gülen einen geistigen Weggefährten im Kampf gegen die verhasste Linke. Religionsunterricht wird Pflicht in türkischen Schulen. Seitdem hat Gülen freie Hand – er gründet Schulen und große Netzwerke.
    Die Amerikaner gewähren Gülen langfristigen Aufenthalt
    Als die Militärs abdanken müssen, setzt Präsident Özal die Zusammenarbeit mit Gülen fort. Gülen wird zu einem Player in der türkischen Innenpolitik – und expandiert ins Ausland. Auf der ganzen Welt entstehen Gülen-Schulen, Institutionen, Vereine. Ein riesen Netzwerk, ein Konzern, der ungestört seine Macht vergrößern kann. Bis zum Jahr 1998 – in diesem Jahr werden Dokumente und TV-Mitschnitte im türkischen Fernsehen veröffentlicht, in denen Gülen seine Mitglieder auffordert, den Staatsapparat zu infiltrieren. Nach und nach gelte es, die Macht zu übernehmen, wird Gülen zitiert. Ein Jahr später reist Gülen in die USA, um nie wieder türkischen Boden zu betreten. Die Amerikaner gewähren ihm langfristigen Aufenthalt – aber die Gülen-Bewegung gerät in vielen Staaten in Verruf, mehrere Staaten auf der Welt schließen Gülen-Einrichtungen. Der Vorwurf: Spionage für die USA.
    Auch in der Türkei wird ein Verfahren gegen Gülen eröffnet. Doch die Anklage wird nach einigen Jahren fallengelassen. Inzwischen ist nämlich Recep Tayyip Erdogan an der Macht – und für Gülen öffnen sich erneut alle Türen. Erdogan und Gülen schreiten lange Zeit Seit an Seit – bis es zum großen Zerwürfnis zwischen den beiden kommt. Gülen-Anhänger stellen sich auf die Seite der Gezi-Park-Bewegung – und werfen Regierungsmitgliedern der AKP Korruption vor. Präsident Erdogan sieht die herangewachsene Gefahr und versucht, Gülen-Anhänger aus dem Staatsapparat zu drängen. Die einst geliebte Gülen-Bewegung wird zu einem Hauptfeind Erdogans. Apropos: Auf Putsch-General Kenan Evren angesprochen, der 1980 äußerst brutal gegen jede Opposition in der Türkei vorgegangen war, soll Fethullah Gülen gesagt haben, der Putschgeneral werde ins Paradies kommen.