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Erdogans klare Haltung

Fast zweieinhalb Jahre dauert die Gewalt in Syrien inzwischen an. Bisher konnte sich die internationale Gemeinschaft nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. In Ankara wartet man schon lange darauf, dass endlich etwas passiert.

Von Luise Sammann | 27.08.2013
    Ob innen- oder außenpolitisch, leise Töne sind nicht die Sache des Recep Tayyip Erdogan. Und so war der türkische Ministerpräsident auch einer der Ersten, der die internationale Gemeinschaft für ihre Zurückhaltung im Syrienkonflikt rügte:

    "Vielleicht bekommt Syrien nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie Libyen, weil seine Ölvorräte nicht groß genug sind", polterte er bereits im Dezember 2011.

    "Diejenigen, die regelrecht Appetit auf Libyen hatten, bleiben still, wenn es um die Massaker in Syrien geht."

    Mehrfach plädierte Erdogan in der Folge für eine Flugverbotszone über Syrien, um Assad von Luftschlägen gegen die Rebellen abzuhalten. Dass seine Regierung seit Monaten Teile der syrischen Opposition logistisch und wohl auch finanziell unterstützt, ist ein offenes Geheimnis.

    Sollte es einen Einsatz in Syrien geben, erklärte Außenminister Davutoglu nun gegenüber der Zeitung "Milliyet", die Türkei wäre dabei.

    "Leider hat die Strategie der Abschreckung in Syrien versagt", hatte Davutoglu bereits am vergangenen Donnerstag betont, als Reaktionen aus Washington noch auf sich warten ließen.

    "Zahlreiche rote Linien wurden gezogen, aber nie gab es klare Sanktionen. Diesmal muss es umgehend eine Untersuchung geben, die härtesten Sanktionen müssen her, damit niemand es noch einmal wagt, ein Verbrechen wie den Einsatz von Chemiewaffen zu begehen."

    Die klare Haltung der Türkei überrascht nicht. Gut 200.000 Flüchtlinge versorgt die türkische Regierung in insgesamt 17 Camps. Weitere 300.000 Syrer befinden sich zudem außerhalb der Lager auf türkischem Boden. Vor allem in den Grenzstädten spitzt sich die Lage zu, Anwohner klagen über knappen Wohnraum, explodierende Preise und wachsende Kriminalität.

    Doch nicht nur diese unmittelbare Nähe zum Konflikt dürfte das entschiedene Auftreten der Türkei bestimmen. Ein international koordinierter Einsatz käme auch imagetechnisch nicht ungelegen.

    "Wenn wir einen Blick auf die außenpolitische Lage werfen, dann sehen wir vor allem Einsamkeit", erklärt Fuat Keyman, Außenpolitikexperte und Professor an der renommierten Sabanci-Universität in Istanbul, die Situation der Türkei.

    "Die Beziehung zu Syrien ist schlecht, die Beziehung zu Ägypten ist schlecht, die zu Israel ist kurz vor dem Abbruch, die zum Irak ist ebenfalls schlecht. Und auch außerhalb des Nahen Ostens sind die Beziehungen mit der EU und den USA ziemlich am Ende."

    Zero-Problem-Strategy, Politik der Verhandlung, Brückenbauen … Das waren die Stichworte, die die türkische Außenpolitik unter Erdogan eigentlich prägen sollten. Sogar als Vermittler im heiklen Atomkonflikt mit Iran, hoffte sich die Türkei zu profilieren. Doch selbst zwischen Teheran und Ankara herrscht inzwischen Eiszeit. Statt der Null-Problem-Politik ist die Nur-Problem-Politik geblieben, spotten Kritiker. Der außenpolitische Chefberater Erdogans versuchte die Situation vergangene Woche noch ins Positive zu drehen, indem er auf Twitter von "Precious Loneliness" sprach, von wertvoller Einsamkeit. Die frühe Unterstützung der Opposition in Syrien, die klaren Worte gegen den Militärputsch in Ägypten – kurz: ihre hohen moralischen Werte – seien es, die die türkische Regierung vereinsamen ließen.

    "Das mag sogar stimmen", meint dazu Politikwissenschaftler Keyman.

    "Aber am Ende gibt es nun mal keine wertvolle Einsamkeit, wenn man Ergebnisse will. Wenn Sie zurückblicken, dann war die Türkei immer dann stark und erfolgreich, wenn sie global integriert war. Wann immer sie allein agiert hat, stieg das Risiko."

    Ein mögliches Eingreifen in Syrien könnte für die Türkei als direkten Nachbarn zwar gefährlich werden. Angeblich bereiten sich türkische Truppen im Grenzgebiet schon jetzt auf mögliche Vergeltungsschläge vor. Sollten die US-geführten Gespräche in Amman allerdings tatsächlich zu konkreten Ergebnissen führen, könnte das gleichzeitig Ankaras Chance sein, sich international zurückzumelden.