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Erfahrungen einer Polizistin
"Diese Gewalt geht meist von jungen Muslimen aus"

Junge Muslime würden zu Terroristen, weil sie schlecht integriert seien, heißt es oft mit Blick auf Pariser oder Brüsseler Vororte – im Gegensatz zu Deutschland, wo Integration funktioniere. Tanja Kambouri bezweifelt das. In "Deutschland im Blaulicht. Notruf einer Polizistin" beschreibt sie, wie gewalttätig sie junge männliche Muslime hierzulande erlebt.

Von Matthias Bertsch | 07.12.2015
    Die Polizistin Tania Kambouri in Uniform.
    Blaulicht auf einem Polizeiauto: Vor allem mit jungen muslimischen Männern gebe es Probleme, klagt die Autorin. (Sascha Kreklau)
    Angefangen hat alles mit einem Leserbrief in der Gewerkschaftszeitung "Deutsche Polizei". Darin schilderte Tania Kambouri vor zwei Jahren ihren Alltag als Polizistin in Bochum und Umgebung:
    "Ein Beispiel: Vor Kurzem fuhr ich mit einer Kollegin zu einem Hilfeersuchen. Anrufer war ein Türke. Als er uns zwei Frauen sah, wurde er laut und sprach mich in einem unfassbar unangebrachten Ton an, ich sollte gefälligst herkommen. Daraufhin entgegnete ich, ich könnte auch wieder fahren, und er sagte, ich sollte dies tun. Ich meldete das Verhalten des Bürgers der Leitstelle. Zeitgleich rief dieser dort an und wünschte nur männliche Polizisten. Die Leitstelle hielt mit uns Rücksprache, und wir waren uns einig, dass wir erneut hinfahren würden. Der Bürger sah uns und schrie uns patzig an. Somit Einsatzende."
    Fast täglich, so Kambouri, würden sie und ihre Kollegen beleidigt oder respektlos behandelt - und zwar meist von muslimischen Migranten. Die deutsch-griechische Polizistin bekam für ihre Äußerungen viel Zuspruch und schließlich eine Einladung zu einer Podiumsdiskussion mit dem nordrhein-westfälischen Innenminister. Das wiederum machte den Piper-Verlag auf sie aufmerksam, und so ist aus dem Leserbrief ein gut 200-seitiges Buch geworden. "Deutschland im Blaulicht. Notruf einer Polizistin."
    Der plakative Titel macht deutlich, dass es kein akademisches Buch ist, sondern ein Erfahrungsbericht aus der Perspektive einer Betroffenen, die darüber hinaus mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen gesprochen hat. Kambouri nimmt die Leser mit in den Alltag einer Streifenpolizistin, die sich als Vertreterin des Staates – und damit auch des Rechtes – in manchen Migrantenvierteln zunehmend in der Defensive sieht. Mal sind es gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Familien-Clans, bei denen Verwandte verhindern, dass Angehörige verhaftet werden, mal sind es junge Männer, die ständig im Halteverbot parken und damit den ganzen Verkehr blockieren. So unterschiedlich die Einsätze auch sind, die Täter weisen oft eine Gemeinsamkeit auf: Sie sind aggressiv und sie sind Muslime.
    Die meisten Muslime, betont Kambouri, seien gesetzestreue Staatsbürger
    "Wir haben natürlich Probleme mit deutschen Mitbürgern und mit anderen Migranten, nur diese Respektlosigkeit, diese Rudelbildung, dass man wegen jeder Kleinigkeit, wie 'ne Personalienfeststellung oder 'ne einfache Verkehrskontrolle, das droht regelrecht zu eskalieren und diese Gewalt, körperliche wie psychische Gewalt, geht meist von jungen Muslimen aus, und ich pauschalisier nicht, das sind einfach die Fakten, die wir haben, und die Kollegen, die bundesweit betroffen sind, das ist natürlich dort bei den meisten Migrantenhochburgen, da erleben die Kollegen das natürlich auch."
    Die meisten Muslime, betont Kambouri, seien gesetzestreue Staatsbürger, doch das dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in einigen westdeutschen Großstädten eine Parallelgesellschaft entwickle, in der der Rechtsstaat zunehmend durch muslimische Traditionen und ein patriarchales Verständnis von Ehre ersetzt würde.
    "Wir müssen unterscheiden, ich habe geschrieben: Männer aus islamisch geprägten Ländern', weil der Islam nicht unbedingt was damit zu tun haben muss, aber diese kleine Gruppe, die wir haben, die bereitet uns die meisten Probleme, die bereiten uns 70, 80, 90 Prozent der Probleme, die wir haben, und das ist nicht mehr hinzunehmen, weil wir verlieren in einigen Stadtteilen, in Bochum noch nicht, aber in anderen Städten und Stadtteilen ist es immer so, dass wir die Hoheit verlieren, und das sind keine Hooligans, die uns jeden Tag bedrohen, das sind wirklich diese Migranten."
    Neben der Bedrohung erlebt die deutsch-griechische Polizistin häufig noch eine weitere Reaktion. Als südländisch aussehende Frau wird sie bei Einsätzen oft für eine Türkin gehalten. Viele muslimische Migranten versuchten deswegen, Kambouri auf Türkisch für sich zu vereinnahmen, doch wenn klar wird, dass sie sich getäuscht haben, schlage die anfängliche Freundlichkeit ins Gegenteil um.
    "Es folgen verächtliche Blicke, abweisende Gesten, Verweigerung der weiteren Kooperation, Widerstand oder, wenn ich Glück habe, einfach nur Ignoranz. Am schlimmsten aber sind die Migranten, die mir daraufhin vorwerfen, eine Verräterin zu sein. Sie sagen es mir offen ins Gesicht oder drücken sich indirekt aus: 'Du bist doch eine von uns.'"
    Rassismus-Vorwürfe gegen die Autorin
    Kambouri beschreibt in "Deutschland im Blaulicht" ebenso plastisch wie drastisch die Probleme der multikulturellen Gesellschaft und bedient dabei auch so manches Klischee: Einbrecher oder Trickdiebe stammen oft aus Osteuropa, Sinti und Roma sind meist Großfamilien mit fehlender Bereitschaft, sich zu integrieren. Doch die größte Gefahr gehe von den tendenziell rückständigen und gewalttätigen Muslimen aus. Von "den" Muslimen, also von allen? Das schreibt Kambouri zwar nicht, aber manchmal klingt es doch so.
    "Nur jeder vierte Deutsche hat keine Vorbehalte gegenüber dem Islam, so richtig scheint die Mehrheitsgesellschaft dieser Religion nicht zu trauen. Woran liegt das? Pure Islamophobie? Nein, sicher nicht!"
    Im Gegenteil. Die Vorbehalte seien nur allzu begründet. Eine Religion, die alle Facetten des Lebens genau regle und Frauen systematisch den Männern unterordne, sei mit den freiheitlichen Vorstellungen der westlichen Welt nicht vereinbar.
    Vor allem wenn es um die Unterdrückung von Frauen geht, ist Kambouris Urteil über den Islam vernichtend – was viel mit den massiven Erniedrigungen zu tun hat, die sie von muslimischen Männern im Polizeialltag erlebt. Doch so legitim ihre Kritik im Kern ist, es hätte ihrem Buch gut getan, wenn sie sich die Mühe gemacht hätte, auch einmal mit der anderen Seite zu sprechen - mit Islamwissenschaftlern, Sozialarbeitern oder muslimischen Jugendlichen selbst. Letztere hätten wohl einiges über Diskriminierungserfahrungen mit Gesellschaft und Polizei zu berichten.
    Ein ambivalentes Buch
    Für Kambouri aber bleiben muslimische Männer Täter, was ihr den Vorwurf der Linkspartei eingebracht hat, rassistisch zu sein, wohingegen die AfD ihr Buch lobt – zum Missfallen der Autorin.
    "Welche Gruppen jetzt mit meinem Buch Werbung machen, das kann ich letztendlich nicht verhindern. Mir passt es auch nicht, dass es irgendwelche Rechten, Pegida, AfD oder wer auch immer ist, oder die NPD, nur ich kann mich letztendlich nicht davor wappnen, nur: Diese Probleme müssen wir ansprechen und die unter den Tisch zu kehren, bringt nichts und ich werd, ich glaub, in jedem Interview gefragt, ob ich nicht rechtes Gedankengut hab oder so 'ne ähnliche Frage, das ist eigentlich traurig, dass ich mich vier, fünf, sechs mal rechtfertigen muss, und es ist so absurd, dass wir eigentlich darüber sprechen müssen."
    So bleibt "Deutschland im Blaulicht" ein ambivalentes Buch. Es bringt die Schattenseiten der Einwanderungsgesellschaft, über die der sich progressiv und tolerant gebende Teil der Gesellschaft lieber schweigt, ans Licht. Doch wie die Integration der Muslime besser gestaltet werden kann, dafür bietet der "Notruf einer Polizistin" kaum eine Antwort.