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Erfolg auf Türkisch

Wenn in Deutschland von Integration die Rede ist, dann bedeutet das meist die Anpassung von Migranten an deutsche Gepflogenheiten. Dass aber zwischen Integration und der Bewahrung und Entwicklung einer eigenen Kultur kein Widerspruch bestehen muss, beweist seit zehn Jahren der Radiosender Metropol FM.

Von Michael Meyer | 27.06.2009
    Als "Metropol FM" vor zehn Jahren an den Start ging, da war die Lage der Deutsch-Türken noch eine andere: Bildungsfragen und gesellschaftliches Vorankommen, das war zwar damals auch schon ein Thema, aber: In den vergangenen zehn Jahren hat sich doch einiges zum Positiven geändert, meinen die "Metropol FM"-Macher. Am Anfang habe man das Programm noch völlig aus dem Bauch heraus gemacht, erzählt Chefredakteur Taner Sentürk. In den letzten Jahren haben die "Metropol FM" jedoch viele Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt:

    "Mit der Zeit haben sich die Themen geändert, die Interessen, die Bedürfnisse ändern sich. Von den gesetzlichen Änderungen bis hin zum Lebensstil. Vor zehn Jahren waren manche Sachen noch nicht so denkbar, jetzt macht man eine Islamkonferenz, und damals hat man viele Sachen noch nicht so gesehen, wie jetzt. Mit der Zeit wissen wir, dass wir sogar Integration fördern, weil wir mit unseren Themen, zu den Leuten kommen. Wenn man Themen wie Schulbildung nimmt, reagieren mehr die Jugendlichen. Was Visumsangelegenheiten angeht, da reagieren mehr ältere Leute und Musik ist sehr emotional, da müssen wir auch unsere Musik anpassen, und unsere Themen. Das haben wir, glaube ich, ganz gut geschafft, weil wir tagtäglich die Resonanzen bekommen."

    "Metropol FM" wagt den Spagat zwischen den ganz jungen Hörern der dritten und vierten Generation, bis hin zu den älteren in Deutschland lebenden Türken. Das ist sowohl musikalisch, wie auch von den Wortbeiträgen her schwierig, und klappt mal besser, mal schlechter, erzählen die Macher. Grundsätzlich gilt: Je jünger die Hörer, desto besser ihr Deutsch - und desto schlechter sind oft ihre Türkischkenntnisse. "Metropol FM" sendete anfangs nur auf Türkisch, reagierte aber auf Hörerwünsche, in dem man beispielsweise die überregionalen Nachrichten komplett auf Deutsch sendet - und anschließend mit weiteren Meldungen auf Türkisch ergänzt. Zweisprachigkeit wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Daher ist auch so mancher Werbespot im Programm auf Deutsch.

    Die Themenpalette von "Metropol FM" ist breitgefächert, etwa wenn es um den Streik der Taxifahrer in Berlin geht, bis hin zu Themen aus der Türkei. Diese hat man jedoch nur spärlich im Programm, betont Geschäftsführer Tamer Ergün, denn die Hörer des Senders lebten nun mal in Deutschland, und nicht in der Türkei:

    "In erster Linie sind das Themen, der Beitritt der Türkei in die Europäische Union, das interessiert die Türken in Deutschland, aber das sind auch wirklich ein paar Themen vielleicht eins am Tag, mehr ist es nicht, und der Rest interessiert die Türken in Deutschland relativ gering."

    Viel interessanter seien für die Deutsch-Türken, erzählt Tamer Ergün, Ereignisse aus ihrer unmittelbaren Umgebung, etwa wenn Bus- und Bahntickets teurer werden, welche Auswirkungen die Gesundheitsreform hat oder wie der lokale Fußballverein gespielt hat. Umrahmt werden all diese Meldungen und Berichte von türkischer Musik, die von Folklore über Orientschnulzen bis zu modernem türkischen Pop reicht - ein Musikstil, der offenbar ankommt: 450.000 regelmäßige Hörer hat der Sender in den vier Ballungsräumen Berlin, Stuttgart, Mannheim und Mainz. Auch die Werbewirtschaft nimmt das Programm gut an, auch wenn der Sender, wie alle Medien natürlich die derzeitige Wirtschaftskrise spürt. Zu den Werbekunden gehören bekannte Automarken, Handyhersteller, Möbelfirmen und natürlich auch kleine Geschäfte, wie Restaurants, Bäckereien etc. Ebenso wichtig wie der kommerzielle Erfolg, sagt Tamer Ergün, sei aber das Verständnis, dass "Metropol FM" eben nicht zur "Gettoisierung" beitragen, sondern im Gegenteil ein modernes Verständnis von Deutsch-Türkentum fördern wolle:

    "Wir sorgen dafür, dass auch die schwierigen Themen in Deutschland verständlich für die Deutsch-Türken sind. Wir haben eine ganz einfache Formel geschaffen für uns: Die Türken ticken in zweierlei, die haben ja beide Kulturen in sich. Die Informationskultur ist eher auf Deutsch und dieser emotionale Part, wo die Türken tanzen, lachen oder weinen, das ist immer noch sehr türkisch. Also haben die Türken beide Kulturen, beide Welten in sich, und die haben wir in unserem Format, unserem Radiosender schmelzen lassen."