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Erfolglose Bundesligavereine
Wege aus der Untrainierbarkeit

Bundesligisten wie der HSV oder Schalke 04 wechseln Jahr für Jahr ihre Trainer, was wohl kaum an den Fußball-Lehrern selbst liegen kann. Es gibt strukturelle Parallelen zwischen den Untrainierbaren, aber so langsam erkennen immer mehr Klubs, wo die Lösungsansätze für das Problem liegen.

Von Daniel Theweleit | 01.10.2016
    Pressekonferenz mit Trainer Markus Gisdol (HSV).
    Wird Markus Gisdol der Trainer, mit dem der HSV es aus der Krise schafft? (imago sportfotodienst)
    Als Markus Gisdol Anfang der Woche als neuer Trainer des Hamburger SV vorgestellt wurde, brannte er regelrecht vor Begeisterung.
    "Hamburg ist einfach ein Brett, mal ganz ehrlich. Es ist ja alles so ein bisschen eingetrübt, das ist ein wahnsinnig geiler Klub."
    Diese Meinung teilt allerdings längst nicht jeder. Der HSV bleibt seit Jahren konstant hinter den eigenen Erwartungen zurück und zuletzt wurde von unterschiedlichen Experten ein strukturelles Problem diagnostiziert. Es gebe zu viele Leute, die sich einmischen, besonders der Investor Klaus-Michael Kühne wird als Mann kritisiert, der ohne offizielles Amt ins operative Geschäft eingreife. Kühne rede bei Transfers mit, werde dabei von der Manager-Legende Reiner Calmund und dem renommierten Spielervermittler Volker Struth beraten.
    Zu viele Interessen und Meinungen beim HSV?
    Zu viele Leute, zu viele Meinungen, zu viele Interessen heißt es. Als diese Thesen neulich im Fachmagazin Doppelpass auf Sport 1 diskutiert wurden, griff Calmund empört zum Telefonhörer und rief in der Live-Sendung an. Er selbst habe gar nichts mit dem HSV zu tun, und überhaupt sei es vollkommen ungerecht,
    "den Kühne immer wieder anzupinkeln, der hat schon die ersten Transfers mitfinanziert, der hat schon die Lizenz gesichert, sonst würden die gar nicht mehr spielen, der HSV, dann wäre keine Bundesliga. Dass so ein Mann, der wirklich mit viel Herzblut, dass der dann auch bei Euch so angepinkelt wird - glaubt Ihr im Ernst, der sitzt da in seinem Riesenimperium und kann entscheiden, welcher Spieler kommt? Der will das gar nicht. Völlig falsch, völlig fehl am Platze."
    Investor redet mit, wie sein Geld ausgegeben wird
    Ein imposantes Plädoyer für den umstrittenen Geldgeber, der natürlich keine Spieler selber aussucht. Der aber sehr wohl mitredet, wenn sein Geld ausgegeben wird. Das bestätigt auch der Hamburger Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer.
    "Herr Kühne hat sich dann über den Markt informiert, auch beraten lassen. Und wir sind dann zu dem sehr, sehr guten Ergebnis gekommen, dass uns Herr Kühne einzelne Transfers finanzieren wird, die mit ihm abgestimmt werden natürlich."
    Wer wie viel Macht hat, ist undurchsichtig
    Beraten wurde Kühne wohl tatsächlich durch den von Calmund empfohlenen Spielerberater Struth, der über einen sehr guten Ruf und viele hilfreiche Kontakte verfügt. Wer in den Entscheidungsprozessen wie viel Macht hat, ist jedoch undurchsichtig. Genau das ist gemeint, wenn dem HSV strukturelle Schwächen vorgehalten werden. Und dieses Problem von multilateralen Einflussnahmen spielt auch an anderen Standorten regelmäßig mit, wenn mal wieder ein Trainer die Suppe einer misslungenen Personalpolitik auslöffeln muss.
    Der Milliardär Dietmar Hopp wirkte jahrelang bei 1899 Hoffenheim im Hintergrund, bei Hannover 96 liegt die Hauptmacht in den Händen des Hörgeräteherstellers Martin Kind. Der VfB Stuttgart wurde in den Jahren des Niedergangs von einem ehemaligen IBM-Manager, einem ehemaligen Porsche-Marketing-Mann und einem Ex-Adidas-Funktionär geführt. Und beim FC Schalke griff der Fleischfabrikant Clemens Tönnies als Chef des Aufsichtsrates immer wieder entscheidend ins Geschen ein.
    Gemeinsames Merkmal von Klubs mit unsteten Leistungen
    Diese Einflüsse von Leuten, die nur selten über fundierte Fußballkenntnisse verfügen, sind ein gemeinsames Merkmal vieler Klubs, die so vergeblich nach Kontinuität suchen, sagt der ehemalige Profi Simon Rolfes.
    "Vom Grundsatz her zeigt sich überall, wo erfolgreiche Vereine sind, dass es ein, zwei handelnde Personen gibt, die eine hohe Qualität haben. Als großes Vorbild muss man Uli Hoeneß beim FC Bayern nehmen. Er hat die Stärke, sich bei Entscheidungen durchzusetzen und sich nicht reinreden zu lassen. Und ich glaube, das ist natürlich bei manchen Vereinen schon das Problem, wenn es Aufsichtsräte gibt, die vielleicht nicht wirklich Ahnung von Fußball haben, die sich durch die Medien oder Fans treiben lassen, dass sie immer wieder den Leuten da drunter das Leben schwer machen, die das operative Geschäft ausführen."
    Erfolgreiche Klubs kommen ohne Einflussnahme von oben aus
    Rolfes führt mittlerweile eine Agentur, die Fußballern dabei hilft, einen Karriereplan über die Profizeit hinaus zu entwickeln. Einer der Kerngedanken seiner Geschäftsidee ist Langfristigkeit und genau die wird oftmals torpediert, durch Einflüsse von Anteilseignern, Präsiden oder Aufsichtsräten.
    Und es ist tatsächlich auffallend, dass bei den kontinuierlich erfolgreichen Bundesligisten Bayern München, bei Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen so gut wie keine Eingriffe aus den Gremien oberhalb der sportlichen Leitung vorgenommen werden. Selbst Schalkes Aufsichtsrat Tönnies hat das mittlerweile erkannt und sagte bei der der Vorstellung des neuen Managers Christian Heidel:
    "Er ist der neue starke Mann auf Schalke, das sage ich nicht ohne den Hintergedanken, dass ich mich in Zukunft weiter zurückziehe aus dem Tagesgeschäft, und mich auf das konzentriere, was ein Aufsichtsrat tut: Aufsicht und Rat geben."
    Köln ist Beispiel für eine Wende zum Positiven
    Die Schalker, die morgen gegen Mönchengladbach spielen, sind trotzdem mit einer historischen Niederlagenserie in die neue Saison gestartet. Es scheint eben schwer zu sein, eine über Jahre gewachsene Unternehmenskultur innerhalb von wenigen Wochen neu zu erfinden. Aber der Versuch ist viel versprechend. Denn nicht einmal mehr die Ausrede vom giftigen Einfluss der Medien taugt noch, seit der 1. FC Köln sich vom Chaosklub mit hochmütigem Präsidium in einen seriösen Bundesligisten mit großartiger Perspektive verwandelte, der heute sogar beim FC Bayern überraschen konnte.
    "Der 1. FC Köln ist ein schönes Beispiel. Und jetzt haben sie mir Jörg Schmadtke einen Manager, der sich nicht treiben lässt von diesen kurzfristigen Sachen", sagt der Ex-Nationalspieler Rolfes. Es gibt also einen Ausweg aus dem Zustand der Untrainierbarkeit. Man muss ihn nur finden.