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Erfolgreiche Umweltproteste in China

Der beispiellose Boom der Wirtschaft in China findet auch auf dem Rücken der Umwelt statt: Die Luft taugt in vielen Großstädten kaum noch zum Atmen, viele Flüsse enthalten kein Leben mehr, dafür giftige Abwässer aus der Industrie. Doch mit wachsendem Wohlstand wächst auch das Umweltbewusstsein.

Von Markus Rimmele | 21.09.2011
    Die Aufregung ist groß im Dorf Hongxiao. Umringt von seinen Nachbarn berichtet einer der Bauern dem chinesischen Staatsfernsehen:

    "Wir hier im Dorf wussten doch gar nichts. Wir wussten nichts, bis wir die toten Fische und toten Enten sahen. Das muss Gift gewesen sein. Wir haben Tausende Kinder hier. Wir müssen doch die nächste Generation schützen."

    In Hongxiao, in der Küstenprovinz Zhejiang gelegen, blieb es nicht bei wütenden Fernsehinterviews. 500 Menschen demonstrierten drei Tage in Folge vor der Firma Jinko Solar, die Sonnenkollektoren herstellt. Die Demonstranten verwüsteten ein Büro des Unternehmens, warfen Firmenwagen um. Auch mehrere Polizeifahrzeuge sollen zu Schaden gekommen sein. Rund 40 Personen wurden festgenommen.

    Lokale Proteste mit Gewaltausbrüchen sind nichts Besonderes in China, es gibt sie zu Tausenden jedes Jahr. Doch ungewöhnlich am Fall Hongxiao ist: Die Medien dürfen berichten. Und die örtliche Regierung bezieht öffentlich Stellung zu den Vorfällen. Chen Hongming vom Umweltamt der übergeordneten Stadt Haining.

    "Während der Untersuchung fanden wir heraus, dass die Firma Industrieabfälle draußen gelagert hat, die dann das Wasser verschmutzten. Wir hatten sie schon im April aufgefordert, das zu unterlassen."

    Was offenbar nicht befolgt wurde. Starker Regen spülte giftige Substanzen in den Fluss, was vermutlich zu dem Fischsterben führte. Mittlerweile ist die Fabrik von den Behörden bis auf Weiteres geschlossen worden. Und Jinko entschuldigte sich sogar für die Verschmutzung.

    Hongxiao ist das jüngste Beispiel dafür, wie sehr das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung gewachsen ist, aber auch dafür, wie schwierig es für die Firmen und Lokalregierungen mittlerweile ist, Umweltskandale einfach wie bisher zu vertuschen. Erst im August hatten mehr als 10.000 Menschen gegen eine Chemiefabrik im nordostchinesischen Dalian protestiert. Auch hier hatten die Proteste Erfolg. Die Anlage soll verlagert werden.

    Ortswechsel Shanghai. Der Stadtteil Kangqiao im Südosten der Metropole. Hier wurde bei 25 Kindern Blei im Blut nachgewiesen. Im Verdacht stehen die Emissionen einer Batteriefabrik in der Nachbarschaft. Haut ab, ruft in einem Wohnviertel ein Mann in Zivil mit aggressivem Gesicht. Wir brauchen hier keine Ausländer. Neben ihm steht ein Polizeiwagen. Hier funktionieren noch die alten Reflexe. Journalisten sind unerwünscht. Doch schon 500 Meter weiter reden sich die Bewohner ihre Wut von der Seele. Bauer Chen:

    "Wir wussten nichts davon. Und jetzt frage ich die Regierung: Wie konnte es sein, dass eine solche Firma überhaupt erlaubt wurde. Die Wahrheit ist ans Licht gekommen. Aber die Regierung macht noch immer nicht genug. Die sollten die Arztkosten der betroffenen Leute tragen."

    Um Proteste wie bei der Solarfirma zu verhindern, hat die Stadtregierung schnell reagiert. Die Firma musste die Produktion einstellen. Insgesamt hat Shanghai angeblich schon 17 Batteriefabriken geschlossen, berichtet die Zeitung Shanghai Daily. Die Öffentlichkeit erwartet solche Schritte. Wenn es um ihre Gesundheit geht, ist die Entschlossenheit der Leute groß. Herr Zhao, ein Wachmann.

    "Wenn die Fabrik den jetzt anstehenden Umwelttest besteht, kann sie von mir aus bleiben. Aber wenn nicht, muss sie gehen. Was zählt, sind doch die Menschen. Was nützt sonst das ganze Geld? Es bringt nichts, wenn unser Land reich ist, aber die Leute nicht gesund."