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Meldungen aus der Wissenschaft

Ratten haben Spaß daran, Verstecken zu spielen +++ Es gibt einen neuen Fahrplan für die langfristige Ausrichtung der Spitzenforschung in Deutschland +++ Das Universum könnte deutlich jünger sein als bislang angenommen +++ Delfine im Ärmelkanal haben giftige Chemikalien im Körper +++ Der Klimawandel könnte den Aletschgletscher dramatisch schrumpfen lassen

Von Lennart Pyritz | 13.09.2019
Neues aus der Wissenschaft - Die Wissenschaftsmeldungen aus "Forschung aktuell"
Neues aus der Wissenschaft – die Wissenschaftsmeldungen aus "Forschung aktuell" (Deutschlandradio)
Ratten haben Spaß daran, Verstecken zu spielen
Das legt die Studie eines Forschungsteams der Berliner Humboldt-Universität im Fachmagazin Science nahe. Die Nagetiere lernten das Spiel in Labortests mit menschlichen Mitspielern offenbar schnell. Waren sie in der Rolle des Suchenden, äußerten sie lautes Quietschen. Versteckten sie sich, verhielten sie sich dagegen still und bevorzugten undurchsichtige Unterschlüpfe. In beiden Fällen wurden die Tiere nur durch kurzes Spielen oder Kitzeln durch die menschlichen Mitspieler belohnt. Die Autoren schlussfolgern aus ihren Beobachtungen, dass die Ratten tatsächlich gerne Verstecken spielen.
Die Wissenschaftler untersuchten auch die Hirnaktivität der spielenden Tiere. Dabei registrierten sie hohe Aktivität im präfrontalen Kortex, die mit der jeweiligen Rolle im Spiel variierte. Diese ausgefeilte Reaktion weise darauf hin, dass das Versteckspiel schon eine lange Evolutionsgeschichte habe.
Die Forscher hatten sechs junge männliche Ratten in einem 30 Quadratmeter großen Raum mit sieben Versteck-Möglichkeiten untersucht. Alle Tiere lernten innerhalb von ein bis zwei Wochen, eine versteckte Person zu suchen und zu finden. Fünf lernten außerdem, sich selbst zu verstecken und zwischen den Rollen zu wechseln.
Quelle: Science

Es gibt einen neuen Fahrplan für die langfristige Ausrichtung der Spitzenforschung in Deutschland
Vorgelegt wurde er vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, kurz BMBF. Die sogenannte Nationale Roadmap umfasst drei Vorhaben, die zur Lösung zukunftsrelevanter Fragestellungen in Klimaforschung, Medizin und Materialforschung beitragen sollen.
Die Forschungsinfrastruktur für atmosphärische Aerosole, Wolken und Spurengase, kurz ACTRIS-D, mit Hauptstandort in Leipzig soll als Teil einer europäischen Initiative helfen, verlässliche Klimamodelle zu entwickeln. Das Ernst-Ruska-Centrum 2.0 in Jülich ist als Kompetenzzentrum für höchstauflösende Elektronenmikroskopie vorgesehen, um Strukturen von Materialien und Geweben zu analysieren. Und drittens soll das Leibniz-Zentrum für Photonik in der Infektionsforschung, kurz LPI, in Jena künftig neue Strategien gegen Infektionskrankheiten ausloten.
Die Aufbaukosten der Vorhaben betragen nach Angaben des BMBF jeweils über 50 Millionen Euro.
Quelle: BMBF

Das Universum könnte deutlich jünger sein als bislang angenommen
Schätzungen zum Alter des Universums basieren auf seiner Expansionsrate: Je schneller es sich ausdehnt, desto schneller sollte es auch sein heutiges Ausmaß erreicht haben. Die Expansionsrate wird durch die sogenannte Hubble-Konstante beschrieben, der die Entfernung astronomischer Objekte in Bezug zur Erde zu Grunde liegt. Allerdings gibt es unterschiedliche Techniken, um diese zu messen.
Ein internationales Forschungsteam hat für eine Studie im Fachblatt Science jetzt zwei Gravitationslinsen als Werkzeuge eingesetzt, um die Abstände zu mehr als 700 Supernovae zu kalibrieren. Das Ergebnis war ein relativ hoher Wert für die Hubble-Konstante. Wäre der korrekt, dürfte das Universum einige Milliarden Jahre jünger sein als die gemeinhin angenommenen 13,7 Milliarden Jahre. Die Autoren selbst weisen allerdings auf eine relativ große Fehlermarge ihrer Berechnungen hin.
Der Gravitationslinsen-Effekt beruht auf der Ablenkung von Licht durch Schwerkraft. Er lässt sich nutzen, um Entfernungen zu bestimmen.
Quelle: Science

Delfine im Ärmelkanal haben giftige Chemikalien im Körper
Ein Forschungsteam hat eine der größten küstennah lebenden Populationen von Großen Tümmlern in Europa untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass sich große Mengen Industriegifte in der Haut und Fettschicht der Meeressäuger angesammelt haben. Die in Hautproben von 82 frei im Ärmelkanal lebenden Delfinen gemessenen Quecksilber-Werte zählen demnach zu den höchsten, die bislang für die Spezies verzeichnet wurden. Außerdem konnten die Wissenschaftler hohe Konzentrationen an chlorhaltigen Verbindungen aus Industrieflüssigkeiten im Fett der Tiere nachweisen.
Die Schlussfolgerung der Autoren im Fachmagazin Scientific Reports: Der normannisch-bretonische Golf auf der Südseite des Ärmelkanals sollte als besonderes Schutzgebiet für die Großen Tümmler ausgewiesen werden, um weitere Stressfaktoren für die Tiere zu minimieren.
In vielen Ländern wurden organische Schadstoffe in Industrie oder Pestiziden ab den 1970er Jahren verboten. Trotzdem sind sie nach wie vor in Meereslebewesen nachweisbar. Die Stoffe werden über die Nahrungskette weitergegeben und reichern sich in der Speckschicht von Walen und Robben an.
Quelle: Scientific Reports

Der Klimawandel könnte den Aletschgletscher dramatisch schrumpfen lassen
Der größte Gletscher der Alpen, der Aletsch in der Schweiz, droht auch bei mäßiger Klimaerwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts um mehr als die Hälfte abzuschmelzen. Zu diesem Schluss kommen zwei Wissenschaftler im Journal of Glaciology nach Modellrechnungen. Das Schrumpfen des Gletschers könnte große Auswirkungen haben, da er mit seinem sommerlichen Schmelzwasser im Rhonetal maßgeblich zur Wasserversorgung beiträgt.
Mit Hilfe eines dreidimensionalen Gletschermodells hatten die Forscher simuliert, wie sich die Eismassen bis zum Jahr 2100 entwickeln könnten – abhängig davon, wie stark sich das Klima verändert.
Das Ergebnis: Selbst wenn die globale Erwärmung wie beim Pariser Klimagipfel vereinbart unter zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit gehalten werden kann und sich das Klima ab 2040 stabilisiert, müsse sowohl beim Eisvolumen als auch bei der Länge des Gletschers mit einer Abnahme von mehr als 50 Prozent im Vergleich zu heute gerechnet werden.
Seit dem Jahr 2000 habe sich die Zunge des Aletschgletschers bereits um etwa einen Kilometer zurückgezogen.
Quelle: Journal of Glaciology