Donnerstag, 25. April 2024

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Ergebnisse der IGLU-Studie vorgestellt

Birgit Becker: In Berlin sind am Mittwoch die Ergebnisse der IGLU-Studie veröffentlicht worden, in der die Lesefähigkeiten von deutschen Grundschülern untersucht wurden. Sieben der 16 Bundesländer nahmen an der Studie teil, am besten schnitten Baden-Württemberg und Bayern ab, in der Mitte liegen Hessen, NRW und Thüringen, und die Schlusslichter bilden Brandenburg und Bremen. Die Frage an Edeltraud Röbe, Professorin für Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Primarpädagogik an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg: Hat sich durch die öffentliche Diskussion um die Qualität von Bildung das Image von Grundschullehrerinnen und Lehrern verändert?

Moderation: Birgit Becker | 28.01.2004
    Edeltraud Röbe: Ich denke schon, dass sich das Image verändert, weil einfach der Blick auf die Grundschule und das Arbeitsfeld eines Grundschullehrers differenzierter wird. Wenn ich das an ein paar Schlaglichtern beleuchten kann ist es einmal so, dass heute Grundschulklassen unterschiedlicher sind als je zuvor und es wird alles darauf ankommen, Kindern im Lernen zu vermitteln, dass es völlig normal ist, verschieden zu sein. Es kommt dabei allerdings auf die Grundorientierung an, die für alle gilt. Jedes dieser Kinder, egal in welcher individuellen Ausgangslage es sich befindet, muss eigentlich auf eine Erfolgsspur gesetzt werden und ich denke, das wirft natürlich ein besonderes Licht auf das Arbeitsfeld. Es bedeutet zugleich, dass man sehr differenziert mit den Kindern umgehen muss, sie im Lernen sehr differenziert begleiten muss, zugleich bedeutet es aber auch, dass sich eine Grundschulklasse als eine soziale Gruppe zusammenfindet und auch als solche ernst genommen wird in der Grundschulkinder einfach von- und miteinander lernen können, sich über Lernen austauschen lernen. Das heißt zugleich, dass es nicht darum gehen kann, dass eine heterogen zusammengesetzte Grundschulklasse eben so in einer Wettkampfmentalität lernt und eine Ellbogenmentalität gegeneinander entwickelt, sondern dass gerade in einer Grundschulklasse - und das halte ich für das Arbeitsfeld der Grundschullehrer ganz entscheidend - eben die Ebene der Kommunikation, Interaktion dun Bindung der Kinder untereinander aber auch der Lehrer zu den Kindern etwas ganz besonderes ist. Denn, das wissen wir heute aus der Lehr- und Lernforschung ganz entscheidend, dass darin eine ganz wichtige Ebene, nämlich die Beziehungsebene liegt, die zugleich eine Lern- und Leistungsatmosphäre bestimmt und auch den Kindern im Grunde genommen die Zuwendung der Erwachsenne sicherstellt. Von da aus leiten sich auch unmittelbar Affekte ab, die dann in der Qualifikation wieder eine Rolle spielen, die wir zunächst hier an der Hochschule beziehungsweise an den Universitäten beginnen.

    Becker: Was würden Sie sagen verändert sich denn im Bezug auf die Qualifizierung von angehenden Grundschulehren?

    Röbe: Abgesehen davon, dass natürlich jede Hochschule in Studien- und Prüfungsordnungen eingebunden ist, denke ich, müssen wir manche Dinge, die vielleicht nicht explizit nach vorne getreten sind, viel entschiedener in Angriff nehmen. Im Zusammenhang mit der Grundschullehrerausbildung oder derjenigen Lehrer, die die Primarstufe zu ihrem Schwerpunkt wählen, die müssen sich viel differenzierter mit dem auseinandersetzen, was kindliches Lernen und Listen ist. Und was Bedingungen dafür sind, dass dieses möglichst positiv und förderlich verlaufen kann. Da müssen wir noch weitaus differenzierter werden, nicht zuletzt die Ergebnisse der modernen Hirnforschung, die uns da Impulse liefern. Nicht, dass wir jetzt Neurodidaktiker werden, wohl aber, dass wir sehen, wie kann das, was die pädagogische Tradition bestimmt, damit einfach mit neuen Impulsen versehen werden. Es ist auch sehr interessant, dass gerade von dort her eine hohe Bedeutung auf der Interaktion und Bindungsebene im Lern- und Leistungsprozess liegt. Das ist das eine, das andere ist sicherlich, dass wir sehen müssen, dass Grundschullehre sich heute nicht weniger denn je darauf beschränken müssen, dass sie sich auf Lehre zurückziehen, sondern dass vor allem die Unterrichtsqualität zunimmt.

    Becker: Es ist schon so, dass Sie eher von Lehrerinnen sprechen, weil es kaum Lehrer gibt?

    Röbe: Das ist richtig, es ist zur Zeit offensichtlich gesellschaftlich nicht für Männer interessant, sich auf Bildungsarbeit, sowohl im Elementar- wie im Primarbereich, einzulassen. Wir haben kaum Männer. Das ist natürlich eine eigene Tragik, diese Feminisierung der Bildungsarbeit in diesem frühen Alter.