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Erich Klahn
Künstler mit zweifelhafter NS-Vergangenheit

Der 1978 gestorbene Lübecker Maler Erich Klahn ist in der Kulturszene mehr als umstritten: Er gilt als völkischer, antidemokratischer Künstler, der sich für die Ziele der Nationalsozialisten einsetzte. Das hält die Klassik Stiftung Weimar nicht davon ab, seine Bilder zu zeigen.

Von Hendry Bernhard | 03.09.2015
    Den Künstler Erich Klahn scheint es zweimal zu geben. Der niederdeutsche Maler, Zeichner und Gestalter von Wandteppichen und Triptychen, der von 1901 bis 1978 lebte, ist für die einen ein unpolitischer Künstler, der geradezu weltvergessen aus der Zeit zu fallen scheint. So zum Beispiel für Hellmut Seemann, Präsident des Klassik Stiftung Weimar.
    "Man konnte mit Klahn keine Demokratie aufbauen; man konnte mit dem überhaupt nix aufbauen; das war ein Anarchist und Querkopf! Aber was man mit dem unter gar keinen Umständen aufbauen konnte, das war ein nationalsozialistisches tausendjähriges Reich!"
    Für die anderen ist Erich Klahn ein völkischer, antidemokratischer Künstler, der sich für die Ziele der Nationalsozialisten einsetzte und, wenn er auch nur kurzzeitig, Mitglied der NSDAP war. So auch für Thomas Vogtherr, Vorsitzender der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen:
    "Ein Künstler, der sich Laufe der Zeit, zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten in einer Art und einem Ausmaß hat instrumentalisieren lassen, das ziemlich beeindruckend ist - negativ beeindruckend, um es hinzuzusetzen."
    Vor diesem Hintergrund wurde bei der Klassik Stiftung Weimar ein Buch vorgestellt, dass wohl Klahns Lebenswerk beinhaltet: seine Illustrationen der Ulenspiegel-Geschichte des belgischen Autors Charles de Coster. 4 Bände, fast 1.800 Seiten, eine ungemein umfassende bildnerische Deutung eines Romans, die den deutschen Künstler über 40 Jahre lang beschäftigte. Auf 1.300 Aquarellen illustriert Klahn nicht nur die Geschichte des Schelms, der seine Mitmenschen foppt, indem er sie wörtlich nimmt, sondern deutet sie weiter aus, schreibt sie in Bildern fort, lässt sich vom Text mehr inspirieren als reglementieren.
    Schweres Geschütz auf beiden Seiten
    Ein Lebenswerk, das nun, 36 Jahre nach Klahns Tod, erstmals gemeinsam mit dem Romantext gedruckt erscheint. Doch die Freude der bei der Buchpräsentation anwesenden Verwandtschaft Klahns wird erheblich getrübt durch die Diskussion um Klahns Rolle im Nationalsozialismus und den dadurch drohenden Auszug seiner Werke aus der Klosterkammer Hannover. Der Präsident der Klassik Stiftung Weimar, Hellmut Seemann, wirft der Klosterkammer vor, sie diffamiere Erich Klahn:
    "Nur, um ihn loszuwerden! Weil er aus irgendwelchen Gründen nicht in die Agenda der Klosterkammer Hannover passt, das ist ein wirklicher deutscher Skandal des Jahres 2015. Das hat mit Nationalsozialismus mehr zu tun als das Werk von Klahn."
    Schweres Geschütz nun auf beiden Seiten. Einig ist man sich wohl, dass Klahn der "Niederdeutschen Bewegung" anhing. Doch schon in deren Bewertung gehen die Meinungen auseinander. Für den Kunsthistoriker Christian Fuhrmeister ist klar:

    "'Niederdeutsch' ist, wenn man so will, die regionale Variante von 'Blut und Boden'. Und 'niederdeutsch' im Jahr '43: Das ist systemkonform; da ist jemand auf Linie!"
    Auch zwei unabhängige Gutachten, die die Klosterkammer Hannover anfertigen lassen hat, kommen zu diesem Ergebnis. Gerade auch der vermeintlich unpolitische "Ulenspiegel", von dem einige Blätter in NS-Zeitungen erschienen, hätten flämische Nationalisten und deutsche Nationalsozialisten im radikal-völkischen und kriegs-propagandistischen Sinne interpretiert und genutzt – unwidersprochen durch Erich Klahn.
    Er sei zudem bei der NS-Führung wohlangesehen gewesen und habe einen Preis entgegengenommen, der vom Reichspropagandamuseum genehmigt wurde. Noch Anfang 1945 habe er auf den "Endsieg" gehofft. Der Gutachter der Klosterkammer, Thomas Vogtherr.
    "Jemanden als unpolitisch zu bezeichnen, der Bildnisse von Hitler und Mussolini zustande bringt, der eine Darstellung der Erschießung des NS-Heiligen Albert Leo Schlageter zustande, da habe ich meine Schwierigkeiten damit."
    All das spräche dafür, Erich Klahn aus der Klosterkammer Hannover zu entfernen. Hellmut Seemann, Präsident der Klassik Stiftung Weimar, widerspricht vehement."
    "Ich bin der Meinung, das dürfte nicht die Administration einer Kultureinrichtung entscheiden. Wenn das in unserer Stiftung infrage stünde, dann würde sich damit eine Kommission beschäftigen, der Wissenschaftliche Beirat beschäftigen ... All das hat nie stattgefunden, sondern die Diffamierung allein sollte ausreichen, um zu sagen: Mit dem wollen wir nichts mehr zu tun haben!"
    Befremdliches Engagement
    Den Historiker Thomas Vogtherr befremdet das Engagement der am Fall eigentlich unbeteiligten Klassik Stiftung Weimar:
    "Kulturstiftungen von der Größenordnung und der internationalen Bedeutung und Klasse, die die Klassik Stiftung Weimar auszeichnen, tun sehr gut daran, sich insbesondere dort, wo es politisch umstritten wird oder werden könnte, sehr, sehr sorgfältig abzusichern gegen die Gefahr, in dem Tun dieser Kulturstiftung missverstanden zu werden."
    Immerhin mehren sich nun Stimmen, die sich für eine offene, wissenschaftliche Klärung des Falls Erich Klahn einsetzen – jenseits der Gerichte. Nur könnte es dafür bereits zu spät sein.