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Erinnerungen an die 30er-Jahre?

Täglich kommen neue Meldungen aus Übersee. Die US-Finanzkrise ist nicht einzudämmen und schwappt über den Ozean auf den Weltmarkt. Alle Hilfsmaßnahmen der Notenbanken verliefen bisher im Sande. Doch wie bedrohlich ist die Krise für den deutschen Finanzmarkt? Führende Finanzfachmänner reagieren gelassen.

Von Klaus Remme, Michael Braun und Brigitte Scholtes | 17.03.2008
    Die Amerikaner haben Nerven. Von ihrem Markt ging der jüngste Schock für die Finanzkrise aus. Weltweit brachen die Kurse ein. Doch der Dow-Jones-Index schaffte es heute Nachmittag kurz nach der Eröffnung sogar leicht ins Plus. So stark war die Nachfrage nach Aktien von JP Morgan, die um mehr als zwölf Prozent zulegten - ein Lob des Marktes für den Mut, die fünftgrößte amerikanische Bank, Bear Stearns, übers Wochenende zu übernehmen. Dass JP Morgan für Bear Stearns nur zwei Dollar je Aktie zahlte - 93 Prozent weniger, als die Aktie am Freitag wert gewesen war -, hat die Anleger überzeugt. Und wem der gigantische Preisabschlag als Kaufargument nicht reichte, der freute sich an der Zusage der amerikanischen Notenbank, JP Morgan bei der Übernahme von Bear Stearns mit einer Risikoabschirmung von 30 Milliarden Dollar zu helfen. Ulrich Tödtmann, der bei der Deka Bank die amerikanische Geldpolitik beobachtet, spricht von einer neuen Qualität der Finanzmarktkrise:

    "Ich denke, das kann man auf jeden Fall sagen, dass die Fed finanzielle Mittel bereitstellt, um dann die Übernahme einer Großbank zu finanzieren, ist schon Ausdruck der Tatsache, dass sie die Lage mittlerweile als sehr angespannt ansieht."

    Furcht gab es auf den Finanzmärkten lange nicht. Denn jahrelang lief alles prächtig. Ab 1994 stieg die Eigenheimquote in den USA stetig an, und selbst für viele Geringverdiener wurde der Traum vom Haus Wirklichkeit. Die Finanzierung war weitgehend problemlos. Selbst wer wenig oder kaum Eigenkapital mitbrachte, der sogenannte Subprime-Kunde, wurde versorgt. Seine Konditionen waren zwar schlechter, mit variablen Zinsen, die sich im Laufe der Zeit erhöhen sollten, doch Käufer und Banken wähnten sich sicher. Mit jährlichen Wertsteigerungen von weit über zehn Prozent schien das Risiko gering. Vor zwei Jahren aber das erste Donnergrollen. Die Preise stagnierten zunächst und kippten dann in einen Wertverlust. Viele Subprime-Käufer konnten die inzwischen gestiegenen Belastungen nicht mehr tragen. Im vergangenen Jahr schnappte die Falle zu, mit dramatischen Folgen für jede einzelne Familie und die Weltwirtschaft. 1,3 Millionen Häuser wurden 2007 zwangsversteigert, fast 80 Prozent mehr als im Vorjahr. Im April meldete der Hypothekenfinanzierer New Century Insolvenz an, der zweitgrößte Subprime-Kreditgeber des Landes. Doch auch wenn die Krise im Vormonat schon zu Verlusten an den Aktienmärkten geführt hatte - noch schien dies in den Augen Washingtons eine Branchenkrise. Auf einer Konferenz in Chicago sagte Notenbankchef Ben Bernanke am 17. Mai des vergangenen Jahres:

    "Die Zahl der Zwangsversteigerungen wird auch im kommenden Jahr steigen, doch die Verwerfungen im Subprime-Bereich werden nur begrenzte Folgen für den Immobilienmarkt insgesamt haben, und wir erwarten keine bedeutenden Auswirkungen auf andere Bereiche der Wirtschaft oder des Finanzsystems."

    Heute, zehn Monate später, sprechen viele Experten von der größten Krise seit den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Längst sind alle Bereiche der Wirtschaft betroffen. Denn die riskanten Kredite wurden jahrelang aufgeteilt, in spezielle Anleihen verpackt, gehandelt und weiterverkauft, weltweit, an Hedgefonds oder Banken. Unternehmen wie Citigroup und Merrill Lynch verbuchen Rekordverluste. Beide Unternehmen feuerten im vergangenen Herbst ihre Vorstandsvorsitzenden Eric Prince und Stan O’Neal. Freilich ohne Trendwende. Die Verluste hielten im vierten Quartal an, neue Zahlen drohen in den nächsten Tagen. Aus der Immobilienkrise wurde in den vergangenen Monaten eine Kreditkrise. Einerseits halten die Geldhäuser aus Angst vor eigenen milliardenschweren Verlusten ihre Mittel zurück, andererseits misstrauen sie anderen Geldhäusern in Sachen Bonität. Die Fed versuchte in Zusammenarbeit mit anderen Notenbanken, diesen Liquiditätsengpass durch Finanzspritzen zu überwinden, doch selbst 41 Milliarden Dollar Anfang November erwiesen sich als Strohfeuer, dessen Wirkung nach einigen Tagen verpuffte. Auch die Serie von Zinssenkungen brachte nicht den erwünschten Effekt. Hatte die amerikanische Notenbank Anfang September den Leitzins als erste Reaktion auf die Krise um 25 Basispunkte gesenkt, wiederholte sie den Schritt Ende Oktober. Das R-Wort Rezession tauchte immer öfter auf. Die Rekordpreise für Öl und Gold, Anzeichen einer Konsumabschwächung und die weiter steigende Zahl von Zwangsversteigerungen ließen die Rezessionsängste wachsen. Senator Charles Schumer aus New York bei einer Kongressanhörung Anfang November in Richtung Ben Bernanke, dem Notenbankpräsidenten:

    "Wie wahrscheinlich ist eine bevorstehende Rezession, am besten auf einer Skala von 1 bis 10, so die Frage Schumers, und auch wenn Bernanke eine direkte Antwort typischerweise vermied, zeigt seine Antwort, wie schnell sich diese Krise entwickelt:"

    "Im Frühjahr, wenn sich die Kreditprobleme auflösen und der Immobilienmarkt hoffentlich seinen Boden findet, denken wir, dass andere, robuste Bereiche der Wirtschaft dominieren und für stärkeres Wachstum sorgen."

    Auch dieser Befund klingt im Rückblick hohl. Schlechte Arbeitsmarktdaten und Anzeichen eines schwachen Konsums verstärkten Rezessionsprognosen. Nach internationalen Turbulenzen an den Aktienmärkten entschloss sich die Fed am 22. Januar zu einer spontanen Zinssenkung um 75 Basispunkte, nur acht Tage vor einer regulären Sitzung, auf der um weitere 25 Punkte nachgelegt wurde. Die größte Zinssenkung seit den 80er-Jahren. Gleichzeit beschlossen Präsident Bush und der Kongress ein Konjunkturprogramm in Höhe von 150 Milliarden Dollar. David Malpass ist Chefökonom des Investmenthauses Bear Stearns. Am Tag nach der außergewöhnlichen Zinssenkung lobte Malpass die Maßnahme im Fernsehsender PBS:

    "Die Fed handelt meiner Ansicht nach sehr vorausschauend und hält den Zinssatz jetzt bereits auf einem investitionsfreundlichen Niveau", so Malpass von Bear Stearns Ende Januar. Sechs Wochen später ist es eben diese Firma, Bear Stearns, die für Schlagzeilen sorgt. Denn die Serie von Noteingriffen der Fed hörte nicht auf. Anfang März kam es zur nächsten konzertierten Aktion der Notenbanken. Allein die Fed will den angeschlagenen Kreditinstituten mit bis zu 200 Milliarden Dollar unter die Arme greifen, das Geld soll ab dem 27. März per Versteigerung angeboten werden. Besonders wichtig für die notleidenden Geldhäuser: Die amerikanische Notenbank will auch die Hypothekenanleihen als Sicherheit akzeptieren, die in den letzten Monaten massiv an Wert verloren haben und die Krise mitverursacht haben. Ein großzügiges Angebot, das für Bear Stearns offensichtlich wenige Tage zu spät kam. Für die Wall Street war es am vergangenen Freitag eine Hiobsbotschaft: "Bear Stearns, immerhin eine der größten US-Investmentbanken, kämpft ums Überleben und benötigt Notfallfinanzierung." Der Fall illustriert die Problematik besonders deutlich. Wie viele andere Banken auch, hatte Bear Stearns für das vierte Quartal des vergangenen Jahres einen Verlust ausgewiesen. Allein durch Gerüchte um die weiter schlechte finanzielle Lage bekam Bear Stearns offenbar keine kurzfristigen Kredite mehr und musste Liquiditätsprobleme einräumen. Schon allein um Befürchtungen eines Dominoeffekts entgegenzutreten, handelte die Notenbank erneut. In Zusammenarbeit mit der Bear Stearns Konkurrentin JP Morgan öffnete die Fed auch in diesem Fall den Geldhahn und half dem Investmenthaus zunächst über das Wochenende. Dann, gestern Abend die Nachricht der Übernahme von Bear Stearns durch JP Morgan. Für gerade mal zwei Dollar pro Aktie, ein Bruchteil des Wertes vom vergangenen Freitag, als die Bear-Stearns-Aktie nach massiven Verlusten noch mit gut 30 Dollar gehandelt wurde und Lichtjahre von 171 Dollar pro Aktie entfernt, mit denen das Haus noch vor gut einem Jahr aufwarten konnte. Eine Übernahme wieder mit Hilfe und enger Zusammenarbeit der Fed, die am Abend gleichzeitig überraschend den Diskontsatz senkte. Von einer Systemkrise will Finanzminister Henry Paulson aber dennoch nichts wissen. Er sagte gestern gegenüber CNN:

    "Unsere Banken sind stark und werden es auf Jahre hinaus auch bleiben", so Paulson und zeigt sich darin mit seinem Präsidenten einig. Während die Rettungsaktion für Bear Stearns geplant wurde, sprach Bush am Freitag vor dem Economic Club of New York."

    ""Ich komme als Optimist, denn ich weiß, was geschieht, wenn Amerika mit Problemen kämpft, jedes Mal ist die Wirtschaft gestärkt daraus hervorgegangen …","

    so Bush. Doch mit Blick auf die kommenden Tage steht Optimismus an der Wall Street nicht eben hoch im Kurs. Mit nervöser Spannung wird die morgige Zinsentscheidung erwartet sowie die Geschäftszahlen von Lehman Brothers, Goldman Sachs und Morgan Stanley.
    Die Krise macht Angst. Die Märkte können ihr Ausmaß gut messen. Seit Anfang 2006 hat sie um mehr als 60 Prozent zugenommen. Denn so stark ist seitdem der Goldpreis gestiegen. Heute wurde ein neuer Rekordpreis von 1.030,80 Dollar für die Unze Feingold gezahlt. Händler sprachen von einer Flucht in die Qualität. Fachleute halten es aber nicht für nötig, aus Angst ums Geld ins Gold zu fliehen. Manfred Westphal, Abteilungsleiter Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Bundesverband, sagt, nicht alle Wertpapierarten seien gleichermaßen von krisenhaften Erscheinungen an den Finanzmärkten betroffen:

    ""Im Moment sind es natürlich die volatilen Wertpapiere wie Aktien und Fonds, die besonders darunter leiden. Das ist verständlich in solchen Zeiten, wo die Finanzmarktkrise eben mit schlechten, weiteren schlechten Neuigkeiten auf die Märkte schlägt."

    Auch Anleihen spüren den Marktdruck. Aus Sorge, Banken könnten mangels Liquidität auch zum Verkauf gut gesicherter Anleihen gezwungen sein, drohen auch deren Kurse zu fallen.

    "Das ist richtig, auch die sind betroffen, weil sie ja sehr stark an den Markt gebunden sind, anders als die Festzinskonditionen und Festzinssparverträge, die es in Deutschland ja auch noch sehr viele gibt."

    Auch bilden sich feine Unterschiede heraus, etwa bei Euro-Staatsanleihen: Italienische und griechische Staatsanleihen sind nicht so gefragt wie deutsche. Italiener und Griechen müssen also höhere Zinsen zahlen, um das höhere Risiko auszugleichen. Was bisher noch nicht Thema ist, ist die Folge einer Bankpleite. Sollte eine Bank in Zahlungsschwierigkeiten kommen, seien die Gelder der Kunden durch die Einlagensicherung nicht gefährdet, erklärt Professor Thomas Heimer, Dekan der Frankfurt School of Finance and Management:

    "Wenn eine Bank oder eine Sparkasse oder eine Volksbank in Liquiditätsschwierigkeiten gerät, dann springen die anderen ein, also von daher bin ich überhaupt nicht ängstlich, sodass die Kunden mit Vertrauen ihr Geld auf der Bank lassen können."

    Michael Westphal von der Verbraucherzentrale Bundesverband benennt die Sicherungsgrenzen:

    "Grundsätzlich nach deutschem und europäischem Recht ist das eine Summe von 20.000 Euro, die durch die Systeme der Einlagensicherung und Anlegerentschädigung in jedem Fall abgedeckt sein muss. Es gibt darüber hinaus in Deutschland aber auch bestimmte Einlagensicherungssysteme von Banken, die eine nahezu unbeschränkte Haftung vorsehen."

    Die Sparkassen verfügen über einen dreistufigen Haftungsverbund aus den Sparkassenstützungsfonds der regionalen Sparkassen- und Giroverbände, den Sicherungsreserven der Landesbanken und drittens dem Sicherungsfonds der Landesbausparkassen. "Jedem Einleger können daher bei Fälligkeit seine Ansprüche in voller Höhe erfüllt werden", versichert der Sparkassen- und Giroverband. Eine ähnliche sogenannte Institutssicherung haben die Volks- und Raiffeisenbanken aufgebaut. Sie gewährleistet einen umfassenden Schutz der genossenschaftlichen Banken. Auch in Extremfällen seien mindestens die Einlagen der Kunden geschützt.

    Die privaten Banken haben den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken gegründet. Der garantiert Guthaben jedes einzelnen Kunden bis zur Höhe von 30 Prozent des haftenden Eigenkapitals. Selbst bei kleinen Banken mit einem Eigenkapital von nur fünf Millionen Euro werden daher Forderungen jedes einzelnen Kunden von bis zu 1,5 Millionen Euro abgedeckt. Damit seien fast alle Kunden mit ihren vollen Guthaben abgesichert, sagt der Verband. In der Tat ist es bisher nicht vorgekommen, dass Bankkunden ihre Bankkonten geplündert hätten. Doch so weit ist es noch nicht. Bisher sind die Sächsische Landesbank und die Mittelstandsbank IKB auch mit Steuergeldern gerettet worden. Doch von diesen beiden Fällen abgesehen, so Bundesbankpräsident Axel Weber vorige Woche:

    "... haben wir in Deutschland keine neuen Fälle gehabt, wo wir überrascht wurden durch negative Nachrichten, auch nicht in den Jahresbilanzen."

    In den Vereinigten Staaten ist dies anders, nach Bear Stearns könnten auch weitere Investmentbanken Schwierigkeiten haben, deshalb sorgen sich die Finanzmarktteilnehmer um die Stabilität des Bankensystems. Deshalb greife dort die amerikanische Notenbank auch so massiv ein, meint Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank:

    "Sie pumpt damit eine Menge Liquidität in das Bankensystem, unmittelbare Inflationsgefahren gehen davon nicht aus, denn die Zentralbank möchte ja verhindern oder möchte ja sicherstellen, dass die Geschäftsbanken überhaupt Kredite weiter ausleihen können, sie möchte also verhindern, dass die Kreditinstitute der amerikanischen Wirtschaft den Geldhahn zudrehen."

    Liquidität stellt auch die EZB, die Europäische Zentralbank, den Märkten zur Verfügung. Doch anders als die amerikanische Notenbank wird sie nicht zu geldpolitischen Mitteln greifen: Denn in Euroland liegt die Inflationsrate mit zuletzt 3,3 Prozent weit über den von der EZB tolerierten knapp zwei Prozent. Und die Inflation einzudämmen, den Wert des Geldes also zu erhalten, hat für die EZB Priorität. Die Notenbanken der Welt seien zwar in gewisser Weise voneinander abhängig, erläuterte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet noch vor gut zwei Wochen. Doch in ihren Mitteln und Wegen seien sie doch oft unterschiedlich:

    "In gewisser Weise arbeiten wir eng zusammen, weil ich darauf vertraue, dass wir alle das tun, was wir nach unserer Analyse für das Richtige halten, um die Inflationserwartungen fest zu verankern. In diesem Sinn sind die Geldpolitiken miteinander verbunden. Aber die Abwägungen können nicht dieselben sein in Australien wie in Kanada oder hier und in den USA, wir müssen urteilen auf Basis unseres jeweils eigenen Auftrags, was angemessen ist in den unterschiedlichen Ökonomien, in denen wir arbeiten müssen."

    Die konjunkturelle Ausgangslage in den USA und im Euroraum ist zudem eine andere: Im Euroraum gebe es zwar die Gefahr der Inflation, doch ein wirtschaftlicher Stillstand sei nicht zu befürchten - diesen Zustand beschreiben Volkswirte mit dem Begriff der Stagflation. Und sie fürchten ihn, weil dagegen die üblichen Mittel der Geldpolitik nicht helfen. Andererseits aber hat sich das Instrumentarium der Notenbanken stark erweitert, sagt David Milleker, Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Union Investment: Die Notenbanken sichern nicht mehr nur den kurzfristigen Abzug von Anlegergeldern ab. Sie können auch auf die neuen Anforderungen des Finanzsystems besser reagieren:

    "Heutzutage sind viele Kredite verbrieft, und wenn es dafür halt eben keinen Markt mehr gibt, gehen die Zentralbanken jetzt dazu über, diesen Markt zu schaffen, indem man die Papiere zur Zentralbank geben kann und dafür unmittelbar Zentralbankgeld bekommt, das allerdings in einem zeitlich befristeten Rahmen. Also, wir reden jetzt nicht über expansive Geldpolitik, sondern wir reden darüber, dass Zentralbanken vom Lender of Last Resort sukzessive zum Market Maker of Last Resort avancieren und damit ihre Rolle als geldpolitische Institution vollkommen neu interpretieren."

    So können die Notenbanken vielleicht eine Rezession in den USA nicht mehr verhindern, die sehen die meisten Beobachter als gegeben an. Und diese Rezession wird dann auch Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft haben, sagt Milleker: Dabei dürften vor allem Italien und Frankreich die Leidtragenden sein, und obwohl Deutschland international noch sehr wettbewerbsfähig sei, werde auch die deutsche Wirtschaft dies mittelbar zu spüren bekommen:

    "Diese Drittländereffekte werden es dann nachher sein, die die deutsche Exportnachfrage dann erheblich dämpfen werden, das heißt, wir werden weniger exportieren, das wird uns ungefähr die Dollaraufwertung, die wir jetzt gesehen haben, zwischen einem und zwei Zehntel Wirtschaftswachstum kosten in Deutschland. Der Ölpreiseffekt ist aber wahrscheinlich mit 0,4 Prozentpunkten deutlich stärker, also das heißt, man darf das Thema nicht ganz auf die leichte Schulter nehmen, aber man muss es zumindest ein bisschen relativieren."

    Diese Abschwächung der Konjunktur dürfte dann in der zweiten Jahreshälfte die Europäer treffen. Und das werde auch die EZB veranlassen, dann doch den wichtigsten Leitzins zurückzunehmen, meint Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank:

    "Momentan ist sie nicht bereit, die Inflationssorgen nach hinten zu schieben, aber je mehr die Konjunktursorgen kommen, das wird in der zweiten Jahreshälfte sein, wird sie das tun, und deshalb erwarte ich für die zweite Jahreshälfte Zinssenkungen."

    Für Optimisten sind die Schritte der Notenbanken jedoch nicht nur ein Zeichen der Krise. Sie würden auch als Mittel zu deren Lösung interpretiert.