Donnerstag, 28. März 2024

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Eritrea
Keine Meinungsfreiheit und Rom-Kulisse

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges ließen die Italiener aus Asmara, der Hauptstadt des ostafrikanischen Staates Eritrea, ein kleines Rom formen. Heute fliehen viele junge Menschen aufgrund des Regimes nach Europa. Ein Schritt aus der aktuellen internationalen Isolation könnte die Annerkennung der Stadt als Weltkulutrerbe sein.

Von Oliver Ramme | 28.03.2016
    Kibreab Tsemble läuft über die Independence Avenue in Asmara. In der linken Hand hält der Architekt die Zigarette, mit der rechten zeigt er auf die Häuser am Boulevard. Drei, vier, fünf Stockwerke hoch. Allen fehlt Farbe, die Sonne scheint auf bräunliche Fassaden. Ein Füllhorn an Baustilen gäbe es hier, erklärt der Architekt mit Stolz. Art Deco, die Stilbewegung des Rationalismus, romanische Elemente und vieles mehr.
    Die Häuser sind - trotz fehlender Farbe - in gutem Zustand. Tsemble bleibt vor einem sechsstöckigen Gebäude mit glatter Fassade und klaren Kanten stehen und sagt: Rationalismus.
    "Wenn sie nach oben schauen, dann sieht das so aus, als seien das Blöcke aus Granit. Stimmt aber nicht, das ist nur so verputzt. Das haben die geschickt gemacht. Und da bei den Balkonen. Das ist Marmor, die haben das so arrangiert, als sei der Stein bemalt."
    Die – das waren die Italiener. Asmara ist am italienischen Reisbrett entstanden. Vor über 100 Jahren begann hier Italiens Kolonialabenteuer. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war dann Schluss. Bis zuletzt ließ Mussolini aus Asmara das Piccola Roma -das kleine Rom - formen. Entstanden sind prächtige Gebäude, verschnörkelt bis schlicht.
    Einmalig die Fiat-Tankstelle mit seinen 30 Meter weit ausspannenden Flügeln. Art déco, genau wie das Cinema Roma – in dem heute hauptsächlich Premierleague-Spiele übertragen werden. Oder das Theater Asmara mit seiner verspielten romanisch-gotischen Fassade. Innen bietet es Platz für über 1.000 Besucher auf dem Parkett und drei Balkonreihen. Gut erhaltene Gebäude einer vergangenen Epoche.
    Unabhängigkeitsfeierlichkeiten
    In die Gegenwart: Es wird geprobt für den großen Tag. Im Mai feiert Eritrea zum 25. Mal seinen Sieg über das blutige Derg-Regime. Jahrzehnte äthiopischer und italienischer Okkupation gingen zu ende.
    Barnabas Mebrathu ist der berühmteste Opernsänger des Landes. In Finnland hat der Bariton klassischen Gesang studiert und danach eine bemerkenswerte Karriere hingelegt. Ende der 1990er-Jahre dann die Rückkehr in seine Heimat Eritrea. Jetzt leitet er die Unabhängigkeitsfeierlichkeiten. Er ist, wie so viele hier, Stolz auf sein Land. Ein Land, aus dem jeden Monat tausende junger Menschen fliehen. Weil sie abhauen vor einem Regime, dass sie in eine Art Zwangsdienst steckt. Wer aufmuckt landet im Gefängnis. Trotzdem glaubt Barnabas Mebrathu, dass viele seiner Landsleute Wirtschaftsflüchtlinge seien.
    "Es ist keine Lösung, dass Deutschland 30, 50.000 Migranten aus Eritrea aufnimmt. Viel wichtiger ist die Heimat, hier zu investieren und Bedingungen zu schaffen, um dieses Land aufzubauen."
    Der Staat ist international isoliert. In Eritrea gibt es keine öffentliche Kritik am Regime. Freie Presse? Fehlanzeige! Und die Künstler?
    "Ich denke, man muss Zeit, Kultur, und die politische Lage genau berücksichtigen. Für alles gibt es seine Zeit, man sollte nichts überstürzen und Sachen machen, die man bereut."
    Mit andern Worten: Von den Künstlern wird erst einmal keine Revolution losgetreten. Zu linientreu oder eingeschüchtert!
    Asmaras Architektur
    Zurück in die Vergangenheit. Wenige Schritte entfernt von der Independence Avenue ist das Büro von Medhanie Teklemariam. Im Februar haben sie die Unterlagen bei der UNESCO eingereicht. Teklemariam hofft auf eine positive Antwort aus Paris.
    "Ich denke, dass Asmaras Architektur seit der Unabhängigkeit ziemlich in Vergessenheit geraten ist. Wir hoffen auf Touristen und auf einen wirtschaftlichen Aufschwung. Wir betrachten die Häuser als unser Erbe, hoffen zu deren Erhalt auf Hilfe. Und auf technisches Know-how, um damit unsere Jungen auszubilden. Wenn wir Weltkulturerbe würden, könnte uns das einen enormen Schub verleihen."
    Weltkulturerbe werden könnte für Eritrea ein Schritt aus der internationalen Isolation bedeuten. Und vielleicht hält der Wunsch nach Kernsanierung von Piccola Roma den einen oder andern Jungen davon ab, die gefährliche Reise nach Europa anzutreten.