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Erkelenzer Appell
"Klimaschutz heißt zuvorderst Kohleausstieg"

Wenn es in Deutschland nicht jetzt einen Plan für den Kohleausstieg gebe - wie im Erkelenzer Appell gefordert -, dann werde Deutschland schon seine eigenen 2020-Ziele nicht erreichen, sagte Dirk Jansen vom Umweltschutzverband BUND NRW. Nordrhein-Westfalen spiele hier eine zentrale Rolle, denn hier würden ein Drittel der bundesweiten Treibhausgasemissionen ausgestoßen.

Dirk Jansen im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 26.09.2016
    Rauchwolken über dem Braunkohlekraftwerk Niederaußem in Nordrhein-Westfalen
    Braunkohlekraftwerk Niederaußem in Nordrhein-Westfalen: Kritik an den Klimaschutzplänen. (picture alliance /dpa /Federico Gambarini)
    Susanne Kuhlmann: Umsiedlung - der Braunkohletagebau verändert nicht nur die Landschaft, sondern auch das Leben vieler Menschen, die den riesigen Baggern weichen müssen. Seit genau zehn Jahren gibt es das Bündnis "Zukunft statt Braunkohle", in dem sich Bürgerinitiativen, Umweltverbände und andere Organisationen zusammengeschlossen haben. Aus Anlass des Jahrestages formulierten sie am Wochenende im rheinischen Braunkohlerevier den Erkelenzer Appell.
    - Am Telefon ist Dirk Jansen vom nordrhein-westfälischen Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Hallo, Herr Jansen.
    Dirk Jansen: Hallo!
    Kuhlmann: Sie fordern in diesem Appell den endgültigen Abschied von der Braunkohle. Warum?
    Jansen: Ja. Das Pariser Klimaabkommen hat ja den Rahmen noch mal völkerrechtlich verbindlich geklärt. Und sogar eigentlich noch die Ambitionen erhöht, nämlich den globalen Klimawandel, den Temperaturanstieg auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Und dazu brauchen wir einen unverzüglichen Kohleausstieg. Der muss jetzt eingeleitet werden. Anders werden wir die Klimaschutzverpflichtungen nicht erfüllen können. Anders werden wir auch die nationalen Klimaschutzziele nicht erreichen können. Deswegen: Klimaschutz heißt zuvorderst Kohleausstieg.
    Kuhlmann: Wie passt das zum Klimaschutzplan 2050, den die Bundesregierung verfolgt?
    Jansen: Genau das ist das Problem. Der erste Entwurf war ja noch recht ambitioniert. Dort waren ja auch schon klarere Vorgaben in Sachen Kohleausstieg drin. Jetzt taucht das Wort Kohleausstieg in diesem Entwurf überhaupt nicht mehr auf. Die Anforderung ist klar: Die nationalen Klimaschutzziele, wie sie bisher gültig waren, müssen aufgrund des Pariser Abkommens sogar noch verschärft werden. Das heißt, wir müssen noch eine ambitioniertere Klimaschutzpolitik machen. Wir dürfen weder neue Braunkohlentagebaue genehmigen, noch neue Braunkohlekraftwerke ans Netz nehmen, so wie es zum Beispiel im Rheinland geplant ist. Wir müssen jetzt den Kohleausstieg festlegen und dafür die entsprechenden Instrumente schaffen - sei es durch die Festlegung von Restlaufzeiten für Braunkohlekraftwerke, sei es über ein Kohleausstiegsgesetz. Fakt ist jedenfalls: Die Hälfte der Kohlekraftwerkskapazitäten müssten jetzt vom Netz gehen, wenn wir sogar auch nur unser 2020-Klimaschutzziel erreichen wollen.
    Jansen: Derzeit Überkapazitäten bei der fossilen Stromerzeugung
    Kuhlmann: Die Hälfte der Kapazitäten müssten vom Netz gehen, sagen Sie. Wie steht es denn um die Versorgungssicherheit?
    Jansen: Das ist überhaupt gar kein Problem. Wir haben aktuell eine massive Überkapazität im Bereich fossiler Stromerzeugungskapazitäten. Ein Resultat ist, dass zum Beispiel Windenergie immer häufiger abgeriegelt werden muss, weil der Braunkohlenstrom die Leitungen verstopft. Ein anderer Effekt ist, dass wir Netto-Stromexporte in das benachbarte Ausland von ungeahnter historischer Höhe haben. Das heißt, hier wird noch immer Strom erzeugt zu Lasten von Mensch und Natur, der dann noch nicht mal für die heimische Versorgungssicherheit erforderlich ist, sondern in den Export geht. Dieser Irrsinn muss endlich aufhören.
    Kuhlmann: Sind die Ausgangssituationen in den verschiedenen deutschen Braunkohlerevieren vergleichbar. Oder ergeben sich da größere Unterschiede?
    Jansen: Es gibt natürlich schon Unterschiede. Die Lausitz ist anders strukturiert als das Rheinland. Im Rheinland haben wir drumherum natürlich viele Hochschulstandorte, das ist eine Innovationsregion schon jetzt. Aber ob in der Lausitz, in Mitteldeutschland oder hier im Rheinland: Wir brauchen einen Zukunftspakt für die Region, der zukunftsfähige Arbeitsplätze jenseits der Braunkohle erschließt. Da müssen natürlich auch die großen Konzerne wie RWE, wie Ex-Vattenfall, EPH, mit in die Verantwortung genommen werden. Dort ist auch der Staat gefordert, damit niemand ins Bergfreie fällt. Und dass wir wirklich die regionalen Wertschöpfungsketten erhöhen, auch ohne die Braunkohle.
    Kuhlmann: Kurz noch zum Schluss. Wie haben die Politiker, die ja am Wochenende teilweise auch angereist sind, reagiert auf Ihren Appell?
    Jansen: Es gibt durchaus positives Feedback, natürlich von den üblichen Verdächtigen. Die Linke und Teile der Grünen unterstützen unsere Forderung. SPD setzt leider Gottes nach wie vor voll auf die Kohle, ganz speziell hier in Nordrhein-Westfalen. Und NRW ist das Schlüsselland in Sachen Klimaschutz. Hier werden ein Drittel der Treibhausgasemissionen ganz Deutschlands produziert. Wenn wir es hier nicht schaffen, aus der Kohle auszusteigen, dann wird auch Deutschland seine Klimaschutzziele verfehlen.
    Kuhlmann: Zum Erkelenzer Appell für den Ausstieg aus der Kohlestromversorgung in Deutschland war das Dirk Jansen vom BUND in Nordrhein-Westfalen. Danke schön nach Düsseldorf.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.