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Erklärung zum Religionsunterricht
"Ein friedensstiftendes Signal"

NRW-Schulministerin Löhrmann hat mit Vertretern verschiedener Glaubensbekenntnisse eine Erklärung zum Religionsunterricht unterzeichnet. Dies sei ein wichtiges Zeichen, dass die Religionen friedlich zusammenleben könnten, sagte die Ministerin im DLF. Es gehe um einen aufgeklärten und modernen Religionsunterricht, der auch Respekt vor anderen Religionen zum Ausdruck bringe.

Sylvia Löhrmann im Gespräch mit Kate Maleike | 31.05.2016
    NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne)
    NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) (picture alliance / dpa / Maja Hitij)
    Kate Maleike: Zunächst gucken wir nach Düsseldorf. Dort ist gerade ein Treffen zu Ende gegangen, bei dem es um die Bedeutung von Religionsunterricht an Schulen in NRW ging. Und Sylvia Löhrmann ist am Telefon, die bündnisgrüne Schulministerin. Guten Tag!
    Sylvia Löhrmann: Guten Tag, Frau Maleike!
    Maleike: Sie haben Vertreter der Kirchen, der Religionsgemeinschaften und des Beirats für Islamischen Religionsunterricht an einen Tisch gebracht. Mit welchem Ziel denn?
    Löhrmann: Wir haben eine gemeinsame Erklärung zur Bedeutung des Religionsunterrichts erarbeitet zwischen den Vertretern der Religions- und Glaubensgemeinschaften, und diese Erklärung ist heute feierlich unterzeichnet worden von hochrangigen Repräsentanten der verschiedenen Religions- und Glaubensgemeinschaften. Und das ist, glaube ich, in der heutigen Zeit ein sehr, sehr wichtiges Zeichen, dass die Religionen friedlich zusammenleben können und dass junge Menschen diesen Auftrag auch mitnehmen. Wenn Sie wissen, es geht nicht Gegeneinander, sondern es geht um Miteinander auf der Basis gemeinsamer Werte.
    "Respekt vor anderen Auffassungen"
    Maleike: Was steht denn drin in dieser Erklärung?
    Löhrmann: In dieser Erklärung wird zunächst auch beschrieben, dass Religion einen Beitrag zur Identitätsstiftung junger Menschen leisten kann, den Auftrag, den ja unsere Religionen enthalten. Es ist ganz klar festgehalten, dass es um einen aufgeklärten, kompetenzorientierten, modernen Religionsunterricht geht, der natürlich das eigene Bekenntnis berücksichtigt, der aber andererseits auch den Respekt vor anderen Auffassungen und anderen Religionen zum Ausdruck bringt. Also ein friedensstiftendes Signal in Zeiten, in denen ja viel über Kritik an Religion, indem in Abrede gestellt wird, dass Religionen Frieden stiften wollen und eher das Spaltende im Vordergrund steht und nicht das Verbindende.
    Maleike: Genau. Denn es wird sich natürlich auch die Frage stellen, was können sich denn die Schulen von dieser Erklärung abbeißen? Denn die Schulen tragen ja die Konflikte, die Sie gerade angedeutet haben, aus.
    Löhrmann: Es war ganz schön heute, dass der Präses der evangelischen Kirche, der für die gesprochen hat, der Herr Rekowski hat ein Beispiel erzählt, dass ein Flüchtling, der in einer Vorbereitungsklasse ist, erzählt hat, Mensch, hier im Religionsunterricht, da geht es ja ganz friedlich zu, da tauscht man sich ja untereinander aus, und dass er das aus seinem Heimatland ganz anders gelernt hätte. Er hat also aus dem Miteinander der verschiedenen Jugendlichen mit verschiedenen Bekenntnissen selbst schon die Schlussfolgerung gezogen, dass hier in Deutschland ein Miteinander der Religionen ja Praxis sein sollte. Und das ist mir auch wichtig, dass die Religionslehrerinnen und Religionslehrer, die ja ihren Religionsunterricht geben, dass die auch sich gestärkt fühlen für diese wichtige erzieherische und ethische Aufgabe, die sie haben. Wir laden auch ein zum interreligiösen Dialog in dieser Erklärung, und auch das praktizieren ja viele Schulen schon und wollen damit ein Zeichen geben und setzen, dass mehr Schulen sich dieses Themas auch in dieser Weise Brücken bauend annehmen können und sollen.
    Schutz vor Missbrauch der Religionen
    Maleike: Wenn Sie sagen, moderner Religionsunterricht mit Toleranz und Interreligiosität ist das Ziel, heißt das nicht auch, dass man den dann vielleicht noch mal neu konzipieren müsste?
    Löhrmann: Der Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen hat Verfassungsrang. Und ich glaube, es ist richtig, das eigene Bekenntnis anzunehmen und wahrzunehmen bei den Menschen, die das möchten selbstverständlich, und dann, davon ausgehend Unterschiede festzustellen, aber auch Gemeinsamkeiten festzustellen. Und wer sich im eigenen Glauben sicher ist und stark ist und den aufgeklärt wahrnimmt, der kann auch möglicherweise mit Toleranz anderen Glaubensbekenntnissen gegenübertreten. Das ist zumindest die Erfahrung, die wir auch von vielen Vertretern hören, dass Menschen, die sich über ihre Religion verständigen, dass die dann auch dem Missbrauch auch der Religion vorbeugen können. Und das passiert ja leider auf dieser Welt, und deswegen ist das auch von vielen heute betont worden bei ihren kurzen Statements, dass sie diese Gemeinschaft stiftende Ebene des Religionsunterrichts ganz stark in den Vordergrund stellen wollen.
    Maleike: Über den islamischen Religionsunterricht, Frau Löhrmann, wird ja gerade sehr viel auch diskutiert. Der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche hatte erst am Wochenende gefordert, einen flächendeckenden Islamunterricht an deutschen Schulen einzuführen, dafür plädiert. Viele Bundesländer sind schon auf dem Weg. Nordrhein-Westfalen macht sich auch seit Längerem dahin auf. Was halten Sie denn von dieser Forderung?
    Löhrmann: Die Forderung ist absolut richtig, und wir sind in Nordrhein-Westfalen erfreulicherweise über das Stadium von Modellversuchen hinaus. Wir haben als erstes Bundesland bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht eingeführt, gesetzlich, von CDU, SPD und Grünen, auf der Grundlage einer Beiratskonstruktion, obwohl wir eben noch keine anerkannte Religionsgemeinschaft haben. Und dieses Angebot weiten wir Schritt für Schritt aus seit 2012, und wir werden ja auch 2017 die ersten Absolventinnen und Absolventen der Hochschule Münster haben mit ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern, vergleichbar den anderen Religionsunterrichten oder aber auch anderen Fächern in Nordrhein-Westfalen, die an den Schulen unterrichtet werden.
    Angebote auch für Kinder, die keinem Bekenntnis angehören
    Maleike: Es gibt Leute, die sagen, wie viel Religion verträgt eigentlich Schule, wenn man die ganzen Konflikte gerade jetzt in den letzten Monaten auch sozusagen Revue passieren lässt. Es gibt auch die Gegenbewegung, nämlich zu sagen, nehmen wir doch einfach für alle, was nicht konfessionsgebunden ist, sondern so was wie ein Fach Ethik sein könnte. Das ist für Sie kein gangbarer Weg, hören wir aus Ihren Ausführungen.
    Löhrmann: Es gibt ja außer dem bekenntnisorientierten Unterricht selbstverständlich das Fach Ethik und das Fach praktische Philosophie, weil es natürlich auch ein Angebot geben muss für Kinder und Jugendliche, die keinem Bekenntnis angehören. Aber der Weg in Nordrhein-Westfalen ist so angelegt, dass wir nicht den bekenntnisorientierten Unterricht abschaffen wollen, sondern dass wir die Bekenntnisse pflegen und dass sie gepflegt werden können, dass es aber auch natürlich konfessionsungebundenen ethischen Unterricht gibt, und dass es aber auch wichtig ist, sich gemeinsam und miteinander über den Unterricht auszutauschen.
    Maleike: Sylvia Löhrmann war das, NRW-Schulministerin zu einer Erklärung, die heute die Bedeutung des Religionsunterrichts an Schulen noch mal unterstrichen hat. Danke für das Gespräch!
    Löhrmann: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.