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Erlass in Lausanne

Auf der Konferenz im schweizerischen Lausanne berieten die Siegermächte des Weltkriegs 1932 über die Zahlungsverpflichtungen des Deutschen Reiches, ehe sie am 9. Juli beschlossen, alle aus dem Ersten Weltkrieg resultierenden Reparationsforderungen an Deutschland zu streichen. Doch die Weimarer Republik konnte dieser außenpolitische Erfolg des Reichskanzlers Franz von Papen nicht mehr retten.

Von Tillmann Bendikowski | 09.07.2007

    "Meine Damen und Herren, Reichskanzler von Papen spricht aus Lausanne für alle deutschen Sender über die bisherigen Ergebnisse der Lausanner Konferenz. Wir schalten um nach Lausanne:"

    "Deutsche Frauen und deutsche Männer! Das deutsche Volk hat das Recht, von dem verantwortlichen Regierungschef auf dem schnellsten Wege über das Ergebnis der Lausanner Konferenz unterrichtet zu werden. In dieser historischen Stunde ist für Parteipolitik kein Raum. Denn je größer das zu behandelnde Problem ist, umso freier, umso höher muss der Standpunkt sein, von dem aus man an die Lösung einer so schweren Aufgabe herantritt."

    Franz von Papen hatte schon Recht: Dieser 9. Juli 1932 war eine historische Stunde. Seit der verheerenden Niederlage von 1918 hatte das Deutsche Reich viele Milliarden Mark an Reparationen an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs zahlen müssen. Doch jetzt kamen Frankreich, Großbritannien und die USA beim Treffen im schweizerischen Lausanne überein, Deutschland von dieser Last zu befreien:

    "Das Ziel der Lausanner Konferenz, die völlige Beseitigung der Reparationen, ist erreicht. In keiner wie immer gearteten Form wird Deutschland vom 1. Juli 1932 ab Reparationen aufzubringen haben. Der Young-Plan ist gefallen! Zahlungen von über 33 Milliarden Mark mit Jahresleistungen von rund zwei Milliarden sind beseitigt!"

    Nach dem Young-Plan hätte Deutschland noch bis 1988 jährlich zwei Milliarden Reichsmark zahlen müssen, jetzt wurde lediglich eine Abschlusszahlung fällig: einmalig drei Milliarden Mark. Längst war auf internationalem Parkett klar, dass die bisherigen Zahlungsverpflichtungen Deutschlands nicht mehr zu halten waren. Franz von Papen, erst seit fünf Wochen dank der Vollmachten des greisen Reichspräsidenten Hindenburg im Amt, profitierte von der Außenpolitik seiner Vorgänger und feierte sich selbst:

    ""Für diese Ziele haben wir über drei Wochen lang schwer gekämpft. Wir sind hart und unnachgiebig geblieben, weil wir die große Not in Deutschland kannten, weil wir von dem bangen Hoffen so vieler Arbeitsloser wussten, weil wir die Verantwortung fühlten für 65 Millionen Menschen, und weil wir uns darüber klar waren, dass jedes Abweichen von unserer Linie Deutschland und die Welt nur tiefer ins Unglück bringen würde."

    Bis heute hält sich die Vorstellung, die Reparationsleistungen der Alliierten hätten das Deutsche Reich wirtschaftlich in die Knie gezwungen und damit der ersten Demokratie auf deutschem Boden keine Chance gelassen. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Politisch waren die Reparationen für Weimar in der Tat eine Katastrophe, in ökonomischer Hinsicht allerdings allenfalls eine Belastung. Vergessen wird nämlich gern, dass dank der einfließenden Auslandskredite Deutschland zu keinem Zeitpunkt die volle Last der Reparation leisten musste. Doch den Konferenzteilnehmern von Lausanne ging es nicht nur ums Geld, sie wollten auch etwas für den Frieden tun. Im Vertrag hieß es:

    "Sie betrachten das in Lausanne verwirklichte Werk, das die Reparationen vollständig beenden soll, nicht als genügend, um diesen Frieden zu erlangen, den alle Völker wünschen. Aber sie hoffen, dass dieses Ergebnis, das in sich selbst so bedeutend ist und von allen eine gewaltige Anstrengung gefordert hat, verstanden und gewürdigt wird von allen friedensfreundlichen Elementen Europas und der Welt, und dass es von neuen Werken gefolgt sein wird."

    Doch die Beziehungen zwischen Deutschland und seinen Nachbarn blieben gespannt. Wie hatte doch Papen gleich nach der Konferenz erklärt:

    "Im Namen Deutschlands melde ich schon heute erneut den Anspruch vor der ganzen Welt an, als Volk mit gleichen Rechten und mit gleichen Pflichten in der ganzen Welt gehandelt zu werden."

    Das Deutsche Reich wollte mehr als das Ende der Reparationen. Es wollte Satisfaktion, die Streichung des Kriegsschuldartikels im Versailler Vertrag und die Anerkennung seines Sicherheitsanspruchs. Ein tief gekränkter Nationalismus ließ sich nicht durch die Aufhebung von Reparationen beschwichtigen. Die Konferenz von Lausanne konnte keinen Frieden mehr bringen.