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Ermittlungen gegen Netzpolitik.org
Noch viele offene Fragen

Knapp 72 Stunden nach seiner Entlassung hat sich Ex-Bundesgeneralanwalt Range in der "FAZ" zu Wort gemeldet und sein Verhalten mit Blick auf die Ermittlungen wegen Landesverrats gegen das Blog Netzpolitik.org verteidigt. Gleichzeitig erhob er weitere Vorwürfe gegen den Bundesjustizminister Heiko Maas.

Von Johannes Kulms | 07.08.2015
    Porträtfoto von Ex-Generalbundesanwalt Harald Range.
    Im Fall der Ermittlungen gegen das Blog Netzpolitik.org bleiben viele Fragen weiter offen. (picture-alliance / dpa / Ralf Stockhoff)
    Eigentlich sollte es an diesem Freitag eine Sondersitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages geben. Zumindest nach dem Willen der Opposition. Auf der Agenda: die Ermittlungen wegen Landesverrates gegen das Blog Netzpolitik.org. Und die vielen Fragen, die mehr als eine Woche nach dem Bekanntwerden des Falls aufgeworfen wurden.
    Doch Bundestagspräsident Norbert Lammert hat eine Sondersitzung während der Sommerpause abgelehnt – und damit die Forderung der Grünen zurückgewiesen.
    Verteidigungsversuche
    Derweil meldet sich ein anderer zu Wort, der vor knapp 72 Stunden vor allem mit diesem Satz für große Aufmerksamkeit gesorgt hat:
    "Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis nicht politisch opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz."
    So Harald Range am Dienstagmorgen – zu diesem Zeitpunkt noch Generalbundesanwalt. Einen Posten, den er wenige Stunden später verlor.
    Gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" verteidigt Range nun sein Verhalten mit Blick auf die Ermittlungen wegen Landesverrats gegen die Journalisten Markus Beckedahl und André Meister.
    Er habe aus rechtlichen Gründen so handeln müssen, wie er gehandelt habe, sagte Range. "Ich wollte nicht wie ein geprügelter Hund vom Hof schleichen, sondern aufrecht durchs Tor gehen – auch, um mich nicht strafbar zu machen", formuliert es Range.
    Vorwürfe gegen das Justizministerium
    Der 67-Jährige wirft Bundesjustizminister Heiko Maas vor, ein externes Gutachten gestoppt zu haben, das bestätigt haben soll, dass es sich bei den von Netzpolitik.org veröffentlichten Informationen um ein Staatsgeheimnis handelte. Einen Vorwurf, den Justizminister Maas bestreitet.
    Der SPD-Politiker hat in den letzten Tagen viel Kritik einstecken müssen.
    Doch auch das Bundesinnenministerium sieht sich mit zunehmend mit Vorwürfen konfrontiert – zum Beispiel, dass das von Thomas de Maizière geführte Haus schon früher von dem Verfahren gegen Netzpolitik.org wusste als bisher bekannt.
    Noch am Montag hatte ein Sprecher von Innenminister de Maizière erklärt:
    "Mir wäre nicht bekannt, dass es irgendjemand im Ministerium gewusst hätte, dass Ermittlungen im Bereich GBA laufen. Unser Ministerium hat wie Sie wissen über 1.500 Mitarbeiter.
    Und ich habe mit einigen glaube ich ziemlich relevanten Mitarbeitern für diese Frage gesprochen. Für die kann ich das ausschließen. Aber ich habe natürlich nicht mit allen 1500 Mitarbeitern gesprochen."
    So Ministeriumssprecher Tobias Plathe.
    Nun wird bekannt: Schon im Juni erfuhr eine Fachabteilung im Innenministerium davon, dass der Generalbundesanwalt das Bundeskriminalamt, kurz BKA, mit Ermittlungen wegen Landesverrats beauftragt habe.
    Das BKA verschickte später einen Bericht an das Innenministerium. Wie ein Ministeriumssprecher gegenüber diesem Sender bestätigte, habe dieser Bericht ersichtlich gemacht, dass sich das Verfahren gegen unbekannt und gegen zwei Journalisten richtete – wenn auch nicht, gegen wen.
    Viele offene Fragen
    Den Stein ins Rollen gebracht hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz mit einer Strafanzeige. In einem Gutachten legte der Verfassungsschutz dar, warum es sich bei der auf dem Blog Netzpolitik.org veröffentlichten Dokumenten um den Verrat von Staatsgeheimnissen handele – Voraussetzung dafür, dass die Bundesanwaltschaft überhaupt Ermittlungen aufnehmen kann.
    Dieses Gutachten wurde laut ARD-Recherchen an zwei Fachabteilungen des Innenministeriums weitergeleitet. Ein Ministeriumssprecher teilte dem ARD-Hauptstadtstudio mit, dass es keine Reaktion gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz gegeben habe – weil man dessen Rechtsauffassung für vertretbar hielt.