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Ermittlungen gegen zurückgetretenen EU-Gesundheitskommissar eingeleitet

Der Malteser EU-Kommissar John Dalli ist wegen Betrugsvorwürfen zurückgetreten. Ein Geschäftsmann aus Malta soll versucht haben, Dalli zu bestechen, um die Tabakgesetzgebung zu beeinflussen. Der EU-Kommissar war in Brüssel für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständig. Dalli weist den Vorwurf jedoch zurück.

Von Leon Stebe | 17.10.2012
    John Dalli hatte noch vor wenigen Tagen seinen großen Auftritt. Zusammen mit den Managern des spanischen Fußballklubs FC Barcelona startete der EU-Gesundheitskommissar eine Nichtraucherkampagne. Die Botschaft: Stoppt das Rauchen -mit Barca.
    Als großer Fußballfan freue er sich auf dieses Projekt und auf die Zusammenarbeit mit dem FC Barcelona. Dieses Projekt wird jetzt ohne John Dalli auskommen müssen. Der EU-Kommissar ist mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Gegen den 64-jährigen Politiker aus Malta lief ein Ermittlungsverfahren der EU-Antibetrugsbehörde. Demnach soll ein maltesischer Unternehmer gegen Geld Kontakte zu Dalli angeboten haben. Mit dem Ziel, die EU-Tabakgesetzgebung zu beeinflussen. Ein schwedischer Hersteller von Lutschtabak wurde mit diesem unmoralischen Angebot konfrontiert, und statt einzuwilligen, hat sich die Firma in Brüssel beschwert. Die Ermittlungen haben laut Kommission ergeben, dass am Ende kein Geld geflossen ist. Nirgendwo. Also die Politik nicht käuflich war. Aber die Antibetrugsbehörde geht offenbar davon aus, dass Gesundheitskommissar Dalli von den Geschäften seines Landsmannes wusste.
    John Dalli wehrt sich und weist alle Vorwürfe zurück. Er legt sein Amt nieder, um, wie er sagt, seine Reputation sowie die der Kommission zu verteidigen. Der Vorgang ist deshalb so pikant, weil der Gesundheitskommissar gerade an schärferen Vorschriften für die Tabakindustrie gearbeitet hat. So sollten die Warnhinweise auf Zigarettenschachteln in der EU noch größer werden.
    "Meine Statistiken sind sehr eindeutig. 700.000 Menschen sterben jedes Jahr durch das Rauchen. 70 Prozent der Raucher beginnen mit dem Rauchen noch bevor sie 18 sind. Deshalb müssen wir die Anziehungskraft von Tabak angreifen."
    Solche Pläne passen der Tabaklobby natürlich gar nicht. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass Lobbyisten versuchen, die Vertreter der Kommission zu bearbeiten, um zum Beispiel Ausnahmen zu erreichen. Welche Kontakte John Dalli aber genau gepflegt hat, und vor allem: was er genau wusste, das sollen jetzt maltesische Gerichte klären. Die Ermittlungen sind an die dortigen Behörden übergeben worden, heißt es. Die Kommission wird heute bei ihrer Sitzung dennoch über diesen Fall beraten. Denn es gilt, einen Nachfolger zu finden. Da alle 27 Mitgliedsländer jeweils einen Kommissar in Brüssel stellen, hat Kommissionspräsident Barroso Maltas Regierung aufgefordert, jetzt rasch einen neuen Kandidaten zu benennen.