Dienstag, 19. März 2024

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Ermittlungen zum Grünen Gewölbe
Generaldirektorin: Hoffnung auf Spuren und Hinweise

Ein Jahr nach dem Überfall auf das Grüne Gewölbe ist Marion Ackermann von den Kunstsammlungen Dresden optimistisch. Die jüngsten Ermittlungen könnten Hinweise auf den Verbleib der wertvollen Schmuckstücke liefern: „Juwelengarnituren können sich nicht einfach in Nichts auflösen.“

Marion Ackermann im Gespräch mit Änne Seidel | 25.11.2020
Marion Ackermann, die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, steht im Juwelenzimmer im Historischen Grünen Gewölbe im Dresdner Schloss der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Ein intensives Jahr liegt hinter ihr - Marion Ackermann ist die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (dpa / picture alliance / Sebastian Kahnert)
Am 25. November 2019 sind mehrere Täter in das Grüne Gewölbe in Dresden eingebrochen und haben wertvolle Juwelen aus der Sammlung von August dem Starken, Kurfürst von Sachsen (1670-1733) gestohlen. Wertvoll waren diese Juwelen nicht nur finanziell gesehen; die Generaldirektorin der Dresdner Museen, Marion Ackermann, sprach damals von einem Stück sächsischer Identität, das verloren gegangen sei.
Jetzt, ein Jahr nach dem Überfall, sind drei Tatverdächtige in Haft, nach zwei weiteren Männern fahndet die Polizei noch. Die Juwelen aber bleiben verschwunden. Die Aktion hat die Hoffnung genährt, dass der Diebstahl doch noch restlos aufgeklärt werden könnte die Juwelen doch noch auftauchen. Marion Ackermann, Direktorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, zu denen auch das Grüne Gewölbe gehört, sagte im Dlf, man sei angesichts der Ermittlungen "sehr sehr optimistisch". Mithilfe einer Expertenkommission habe nach dem Diebstahl zudem die Sicherheitsvorkehrungen im Museum deutlich verbessert.
Neupräsentation Historisches Grünes Gewölbe, Mai 2020
Sächsische Beamte auf der Suche nach "ihrem" Staatsschatz
1.600 Polizisten waren in Berlin an Razzien beteiligt: Drei Tatverdächtige wurden im Zusammenhang mit dem Kunstraub vor einem Jahr aus dem Grünen Gewölbe in Dresden verhaftet. Doch was ist mit der Beute?
Änne Seidel: Wie groß ist Ihre Hoffnung, die Juwelen doch noch wiederzusehen?
Marion Ackermann: Es ist auf jeden Fall wunderbar und sehr erleichternd, dass jetzt solche Bewegungen in die Ermittlungen gekommen sind und nicht nur drei dringend Tatverdächtige festgenommen sind, die jetzt in Untersuchungshaft sitzen, sondern auch noch zwei Flüchtige weltweit gesucht werden. Und da ja sehr viel beschlagnahmt worden ist, gibt es doch große Hoffnungen, dass sie Spuren und Hinweise finden. Früher hat man vielleicht Aktenordner mitgenommen; heute sind es ja Speichermedien. Das heißt, da ist eine unendliche Zahl von Daten auf diesen Trägern, und die müssen ausgewertet werden. Das ist der eine Grund, warum die Hoffnung jetzt eigentlich größer ist denn je. Und das andere ist, dass solche Juwelengarnituren, wie sie hier gestohlen worden sind, sich nicht einfach in Nichts auflösen können. Sie können nicht einfach eingeschmolzen werden wie die Berliner Goldmünze. Selbst wenn sie zerstört oder aufgelöst worden sind, ganz ohne Spuren wird es nicht gehen. Wir sind sehr, sehr optimistisch, dass sich hier noch etwas verändern wird.
"Wir haben eine Menge Lehren gezogen"
Seidel: Ganz ohne Spuren wird es nicht gehen, aber tatsächlich war ja direkt nach dem Diebstahl eher die Befürchtung, dass die Täter die Schmuckstücke auseinandernehmen und die Juwelen neu schleifen lassen würden, um sie dann schnell zu verkaufen. Haben Sie irgendwelche Hinweise darauf, dass das eben doch nicht passiert ist?
Ackermann: Nein, wir haben gar keine Hinweise. Aber wir hatten eben auch keine Belege dafür, dass es verkauft oder umgeschliffen oder auseinandergenommen worden ist. Und durch die Einkreisung des Täterspektrums hat man jetzt natürlich ganz andere Möglichkeiten, noch sehr viel präziser und auch international nach den Juwelengarnituren zu fahnden.
Seidel: Im letzten Jahr wurde viel über die Sicherheit unserer Museen gesprochen mit Blick auf das Grüne Gewölbe, zuletzt aber ja auch mit Blick auf die Berliner Museumsinsel. Welche Lehren haben Sie in Dresden aus dem Diebstahl gezogen? Was haben Sie verändert an Ihrem Sicherheitskonzept?
Ackermann: Wir haben eine Menge Lehren daraus gezogen. Das war ein intensives Jahr. Auf unserer Seite des Museums lag die Aktivität in der Analyse und Auswertung - auch mit Hilfe einer internationalen Expertenkommission. Ganz, ganz wichtig ist, dass die Informationsflüsse noch optimiert werden. Nehmen wir mal den Berliner Fall, auch den Akt des Vandalismus, der gerade ja passiert ist. Wichtig ist, dass die Informationsflüsse sehr schnell und sehr präzise fließen, dass Frühwarnsysteme aufgebaut werden - noch viel mehr, als wir das bisher hatten. Aber natürlich auch zwischen Museen und Polizei und LKAs und BKA. Um ein Beispiel zu nennen: Wir haben jetzt als ständige Abordnung einen Polizisten, einen Kriminalkommissar, bei uns sitzen, der unmittelbar im Museum, Stabsstelle bei mir, die direkte Verzahnung zwischen Museum und Polizei dauerhaft herstellt.
Kein Sensationstourismus, aber intensives Interesse
Seidel: Sie hatten damals nach dem Diebstahl davon gesprochen, dass mit den Juwelen auch ein Stück sächsische Identität verloren gegangen sei. Wie haben Ihre Besucher und Besucherinnen in den letzten Monaten auf die leere Vitrine im Grünen Gewölbe reagiert?
Ackermann: Nachdem wir die Ausstellung wiedereröffnet haben, gab es keinen Sensationstourismus, aber ein sehr sachliches, intensives Interesse auf Grundlage eines Corona-bedingt nur nationalen Tourismus. Es ist doch weit über das Sächsische hinaus. Man muss sagen, dass international das Grüne Gewölbe ein Teil des kollektiven Bewusstseins eines wichtigen Kulturschatzes ist. Aber es ist hier vor Ort. Weil ja natürlich auch gerade Dresden diese wahnsinnige Verlustgeschichte hat, ist man natürlich auch extrem sensibel. Und eigentlich durch den Entzug, durch den Verlust ist das Identitätsgefühl noch mal richtig angefacht worden. Und das war schon auch eine sehr interessante Erfahrung.
Neupräsentation Historisches Grünes Gewölbe, Mai 2020
Grünes Gewölbe nach Kunstraub wieder geöffnet
Das Historische Grüne Gewölbe im Dresdner Residenzschloss ist wieder für Besucher geöffnet. Es war seit dem spektakulären Einbruch vor einem halben Jahr geschlossen. Im Juwelenzimmer ist auch die ausgeraubte Vitrine ausgestellt – leer.
Seidel: Nun hoffen wir natürlich mit Ihnen, dass die Juwelen wiedergefunden werden. Aber nehmen wir mal an, sie werden nicht wiedergefunden. Wie wollen Sie dann umgehen mit der leeren Vitrine im Grünen Gewölbe? Soll die für immer leer bleiben und als Symbol bestehen bleiben? Oder haben Sie andere Strategien, um mit dieser Leerstelle langfristig gesehen umzugehen?
Ackermann: Bis zu dieser letzten Entscheidung möchte ich noch etwas warten, um zu gucken, ob sich nicht noch etwas ereignet. Und ich würde es auf keinen Fall so machen wie zum Beispiel im Isabella Stewart Gardner Museum in Boston, wo permanent eigentlich die Abwesenheit thematisiert wird. Wir würden zwar diese Leere als Imaginationsraum belassen aber aktiv damit arbeiten - zum Beispiel Künstlerinnen und Künstler einladen, schon ab dem nächsten Jahr, mit Formen von Digitalem, "Augmented Reality" arbeiten - und auch unbedingt partizipativ, also das heißt, mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort hier Projekte entwickeln.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.