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Ernährung
"Clean Meat" aus der Retorte

Fleisch aus der Retorte anstatt von einer Kuh oder einem Schwein - das ist keine ferne Zukunftsvision mehr. Mehrere US-Firmen investieren gerade massiv in Hamburger und Nuggets aus dem Reagenzglas. Über den Markterfolg entscheidet am Ende vermutlich der Geschmack.

Von Marcus Schuler | 06.06.2018
    Eine Petrischale, Reagenglas, Pillen und Schinken
    Fleisch aus dem Labor - ethisch korrekt, aber auch lecker? (imago stock&people)
    Gut ein halbes Dutzend Unternehmen in San Francisco und im Silicon Valley arbeiten an der Entwicklung von künstlichem Fleisch. Paul Shapiro hat dazu im Januar ein Buch veröffentlicht. Titel: Clean Meat - sauberes Fleisch. Gemeint ist: Fleisch, das nicht mit einem Tier aufgewachsen ist, sondern in einem Bio-Reaktor gezüchtet wurde. Unterschied: keiner. Es handelt sich um richtiges Fleisch. Gewonnen aus den Stammzellen von Rindern, Schweinen oder Geflügel, so Shapiro im Interview mit der BBC:
    "Es handelt sich um Millionen von Stamm-Zellen. Wenn man die in eine Reagenzschale gibt und ihnen vorgaukelt, sie befänden sich in einem tierischen Körper, dann wachsen sie zu Muskelmasse heran. Es ist keine Alternative zu Fleisch oder ein Ersatz, es handelt sich um echtes Fleisch - nur dass man dafür keine Tiere großziehen und schlachten muss."
    Konventionelles Fleisch mit Bakterien verunreinigt
    Fragt man aber Otto-Normal-Verbraucher, ob er künstlich hergestelltes Fleisch essen würde, fällt die Antwort eindeutig aus.
    "Das ist eklig. Das hört sich nicht richtig an. Ich will nichts künstlich Hergestelltes essen. Ich finde das daneben."
    Viele Wissenschaftler sehen das anders. Uma Valeti ist Chef von Memphis Meat im Silicon Valley. Microsoft-Gründer Bill Gates und der britische Unternehmen Richard Branson haben in sein Unternehmen investiert. Valeti findet: Unser heutiges Fleisch ist verunreinigt.
    "Neunzig Prozent unseres Fleisches - sei es Rinderhack, Schweinefleisch oder Hühnchen - sind mit Fäkal-Keimen kontaminiert. Wir finden darin Salmonellen oder Campylobacter-Bakterien. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Aber das ist nur der ein Teil des Problems."
    Kritik an Massentierhaltung
    Der andere Teil lautet: Die Massentierhaltung ist für die Abholzung der Wälder mit verantwortlich, damit dort Tiernahrung angebaut werden kann. Riesige Mengen Wasser sind ebenso nötig, wie der massive Einsatz von Antibiotika. Das glückliche Rind auf einer satt grünen Kuhweide ist eine Mär, meint Buchautor Shapiro. Ähnlich sieht das auch Josh Tetrick. Er ist Chef von "Just" in San Francisco, einem Unternehmen, das schon seit einigen Jahren am Fleisch aus der Retorte arbeitet. Die ganze vegane Bewegung, wo sich jeder nur von Pflanzen ernährt, nennt er im BBC Interview Bullshit - Kuhmist.
    "Heute essen mehr Menschen Fleisch als gestern. Fleisch gehört zu unserer Identität, es ist Teil unserer Kultur. Einem armen Menschen zu erklären, er soll doch besser ein veganes Hühnchen essen, ist unrealistisch."
    Bei Just in San Francisco arbeiten die Wissenschaftler daran, wie sie auch das letzte, ethische Problem mit dem Kunstfleisch knacken können. Bislang wird zur Herstellung nämlich Blutserum von Tieren verwendet. In dem stecken Proteine und die werden für das Wachstum des Fleischs benötigt. Genau damit soll aber bald Schluss sein, sagt die Wissenschaftlerin Parendi Birdie:
    "Wir analysieren zurzeit die Proteine von Pflanzen. Tiere ernähren sich von Pflanzen. Kühe essen Gras. Wir suchen derzeit nach pflanzlichen Proteinen, in denen sich unsere Zellen genauso wohlfühlen und natürlich wachsen."
    Am Ende entscheidet der Geschmack
    Just in San Francisco hat es mittlerweile geschafft Schweine, Rinder- und Geflügelhack nachzubauen. Es könnte in den nächsten ein bis zwei Jahren auf den Markt kommen. Geschmacklich soll es keinen Unterschied geben. Nur ein saftiges Steak stellt die Wissenschaftler noch vor ein Problem, sagt Chefingenieur Peter Licari.
    "Die ersten Produkte werden Hamburger, Nuggets oder Pasteten sein. Mit der Zeit können wir auch Strukturen und Maserungen entwickeln. Erste Tests sind erfolgversprechend verlaufen. Das erreichen wir durch den Einsatz von unterschiedlichen Stammzellen-Typen."
    Ali Bouzari in San Francisco ist Bio-Chemiker und gelernter Koch. Er meint: Das Kunst-Fleisch muss nur eine einzige Hürde nehmen, um ein Erfolg zu werden.
    "Die Verbraucher werden sich sehr schnell an das saubere Fleisch gewöhnen, vorausgesetzt es schmeckt und die Konsistenz stimmt. Wenn das aber nicht gelingt, dann dürfte es unglaublich schwer werden."