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Ernährung
Weniger Salz lohnt sich

Eine neue Studie zeigt abermals: Zu salzig essen ist nicht gesund. Aber nicht nur das: Der Ernährungswissenschaftler Michael Ristow empfiehlt auch eine Reduktion von Zucker und Kohlenhydraten in der alltäglichen Ernährung. Die aktuelle Studienlage gebe allerdings nicht her, dass man stark auf Fett verzichten müsse.

Michael Ristow im Gespräch mit Martin Winkelheide | 19.08.2014
    Martin Winkelheide: Mehr als 1,6 Millionen weltweit sterben, weil sie zu salzig essen. Das ist das Ergebnis einer Metaanalyse, vergangene Woche ist sie im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht worden. Nun essen wir ja nicht nur zu salzig, sondern auch zu süß und zu fett - das wiederum ist das Ergebnis einer vergleichenden Studie aus Europa, aus zwölf Ländern. Über beide Studien sprechen möchte ich gerne mit Professor Michael Ristow. Er ist Professor für Energiestoffwechsel an der ETH in Zürich. Schönen guten Tag, Herr Professor Ristow.
    Michael Ristow: Guten Tag!
    Winkelheide: Wie kommt man denn überhaupt zu dem Ergebnis, dass wir zu viel Salz essen, und wie viel ist denn nun wirklich zu viel?
    Ristow: Also dass ein Zusammenhang zwischen Salzaufnahme und Bluthochdruck besteht, ist lange bekannt. Was an der eben von Ihnen zitierten Studie neu ist, ist, dass die Autoren quasi weltweit erhoben haben, in welchen Ländern das zu welcher Ausdehnung und zu welchem Risiko führt. Und die Ergebnisse sind im Prinzip so, dass Länder mit sehr niedrigem Einkommen ein vergleichsweise geringes Risiko dadurch haben, und dass insbesondere die osteuropäischen Länder, ganz vorne voran Georgien, Kasachstan, Russland und so weiter ein besonders hohes Risiko aufweisen. Und wir liegen irgendwo in der Mitte.
    Winkelheide: Aber woran liegt es, dass wir zu viel Salz essen? Sind das vor allen Dingen Konservierungsmethoden? Salz ist ja ein beliebtes Konservierungsmittel, ist ein beliebter Geschmacksverstärker und in vielen Fertigprodukten ist zu viel davon drin. Also liegt es tatsächlich an der Art, wie wir uns ernähren, oder ist es das Salz, das wir aufs Frühstücksei kippen?
    Ristow: Da tragen mehrere Faktoren zu bei. Zunächst kann man mit Sicherheit sagen, dass mit Aufkommen industriell gefertigter Lebensmittel der durchschnittliche Salzkonsum zugenommen hat. Das liegt einfach daran, dass Lebensmittel, die viel Salz enthalten, länger haltbar sind. Andererseits ist das schon seit einigen hundert Jahren für beispielsweise Wurstprodukte, Schinken und so weiter bekannt. Zum anderen wird Salz gerne hinzugegeben, und es gibt viele Menschen, die beispielsweise Essen nachsalzen, ohne es überhaupt erst probiert zu haben, weswegen zum Beispiel auch diskutiert wird, Salzstreuer nicht automatisch auf Tischen in Kantinen und zu Hause stehen zu haben, sondern den eben nur zu holen, wenn wirklich der Geschmack nahelegt, dass hier Salz erforderlich ist.
    Empfehlung: Sechs Gramm pro Tag
    Winkelheide: Wie viel Salz ist denn gesund, oder anders gefragt: Müsste die Ernährung dramatisch verändert werden, um in den gesunden Bereich zu kommen, was den Salzkonsum angeht?
    Ristow: Die allgemein empfohlene Menge an Salz pro Tag liegt bei sechs Gramm, also das ist je nach Land unterschiedlich, aber in Deutschland und in den meisten europäischen Ländern wird sechs Gramm am Tag empfohlen. Nach der nationalen Verzehrstudie, die das relativ systematische erhoben hat, wissen wir, dass die Frauen in Deutschland in diesem Bereich liegen, im Durchschnitt, wohlgemerkt, nämlich bei ziemlich exakt sechs Gramm pro Tag. Die Männer liegen deutlich darüber, bei über acht Gramm pro Tag.
    Winkelheide: Wie kommt's?
    Ristow: Das mag daran liegen, dass Männer sich anders ernähren, insbesondere das sogenannte Junkfood, aber auch bestimmte Präferenzen, was dann Essen angeht, sind bei Männern anders als bei Frauen, a), und b) sind Frauen generell gesundheitsbewusster und achten vermutlich mehr darauf, wie viel Salz sie zuführen. Aber noch mal, das sind Durchschnittswerte, das heißt also nicht, dass jede Frau sich bezüglich adäquat ernährt, sondern dass der Durchschnitt in Deutschland in diesem Bereich liegt.
    Winkelheide: Nun ist Salz ja ein Faktor, es gibt aber ja noch andere, auch Geschmacksverstärker, also Zucker, Fett zum Beispiel. Und da kommen wir zu der zweiten Studie, da geht es ja drum, dass man merkt, wie schwierig das ist - also alle wissen, das ist ungesund, aber alle sagen, wenn sie die Wahl haben, wählen sie doch eher das Produkt, wo mehr Fett drin ist oder wo mehr Zucker drin ist, einfach, weil sie das Gefühl haben, es schmeckt besser.
    Ristow: Ja, wir müssen, glaube ich, unterscheiden den Evidenzgrad dafür, dass beispielsweise Fett ungesund ist, den halte ich nicht für allzu deutlich. Bei Zucker ist das wesentlich eindeutiger. Aber generell ist es so, dass Zucker und Fett über sehr unterschiedliche Wege zu Geschmacksverstärkung oder angenehmem Geschmack beitragen. Bei Zucker ist es so, dass Zucker im Gehirn sehr kurzfristig das Hungergefühl zu unterdrücken vermag, und die Unterdrückung von Hunger ist ein angenehmes Phänomen, was wir als Menschen gerne herbeiführen, und urgeschichtlich ist das natürlich auch sinnvoll, weil Hunger ist ein potenziell lebensbedrohlicher Zustand, und natürlich ist das geknüpft und assoziiert mit positiven Gefühlen. Das ist interessanterweise nur bei Glukose, also bei Traubenzucker so, bei Fructose, Fruchtzucker, der hat diesen Effekt nicht. Um Verwirrung vorzubeugen, der übliche Haushaltszucker enthält gleiche Mengen an Glucose und Fructose, die sind miteinander gekoppelt, das heißt, Haushaltszucker und Glucose haben da mehr oder weniger denselben Effekt. Bei Fetten ist das Phänomen ein ganz anderes. Fett verstärkt Geschmack in einer angenehmen Art und Weise über verschiedene Wege. Und die beiden relevanten sind vermutlich einmal die Tatsache, dass Aromen und Geschmacksstoffe, wenn sie mit Fett in die Mundhöhle kommen, dort langsamer freigesetzt werden, also unsere Geschmacksknospen auf der Zunge und auch Geruch in der Nase wird in Gegenwart von Fett länger aufrechterhalten, das heißt, wir haben länger etwas von einer selben Menge an Aroma, wenn Fett dabei ist. Das hat dann dazu geführt, dass Fett als Geschmacksträger bezeichnet wird. Und zum anderen weiß man -
    Weniger Fleisch "eine gute Idee"
    Winkelheide: Aber heißt das im Umkehrschluss, dass, sage ich mal, eine gesunde Ernährung, dass man sich da erst mal ein Stück weit Wohlbefinden verkneift?
    Ristow: Das ist natürlich ein tradiertes und gewohntes Verhalten, und wir wissen aus Studien mit Kindern, dass die Prägung bezüglich Präferenzen für Nahrungsmittel relativ frühzeitig stattfindet, und dass es dann auch recht lange dauert, um eine Prägung in diesem Lebensalter dann wieder zu revertieren oder aufzuheben. Und wenn wir erst als Erwachsene anfangen, uns mit gesunder Ernährung zu beschäftigen, kann das durchaus dazu führen, dass es eine gewisse und auch länger anhaltende Überwindung kostet, auf all die gewohnten, aber nicht ganz so gesunden Dinge dann zu verzichten.
    Winkelheide: Aber lohnt sich?
    Ristow: Von der statistischen und Studienlage her lohnt sich das. Wie gesagt, ich persönlich denke, dass so Dinge wir Salzreduktion und Kohlenhydrat- und insbesondere Zuckerreduktion von der Studienlage her da etwas besser sind als die selektive Reduktion von Fett. Und wenn man allgemein darüber spricht, ist Reduktion von Fleischaufnahme generell auch eine sehr gute Idee.
    Winkelheide: Michael Ristow, Professor für Energiestoffwechsel an der ETH in Zürich. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
    Ristow: Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.