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Ernährung
Zu viel Salz

Speisesalz erhöht das Risiko für Bluthochdruck und so auch für damit verbundene Erkrankungen. Nun zeigt eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), dass hierzulande viel zu viel Salz gegessen wird - die Studienmacher sehen die Zahlen auch als dringenden Appell an die Politik.

Von Volker Mrasek | 03.03.2016
    Verschiedene Sorten von Salz.
    Salz: Vor allem in Grundnahrungsmitteln wie Brot sollte es verstärkt vermieden werden, fordert die DGE. (Imago / Westend61)
    Mehr als acht Gramm Speisesalz nehmen Frauen in Deutschland pro Tag im Durchschnitt zu sich, Männer sogar zehn. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt gerade mal die Hälfte als tägliche Höchstmenge - rund einen Teelöffel und nicht mehr.
    Daran orientiert sich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung jetzt. In einer wissenschaftlichen Stellungnahme rät die DGE dazu, die Salzzufuhr in der gesamten Bevölkerung dringend zu verringern. Warum dieser Nachdruck? Dazu Anja Kroke, Professorin für Ernährung an der Hochschule Fulda und Mitautorin. Sie stellte das neue Positionspapier jetzt auf dem DGE-Kongress vor:
    "Weil wir jetzt aktuelle Daten auch aus Deutschland vorliegen haben, die uns aufzeigen, dass der Salzverzehr in Deutschland sehr hoch ist. Das ist vor einigen Jahren von einigen Personen angezweifelt worden. Wir haben jetzt gute Daten, die uns zeigen, dass es Gruppen in der Bevölkerung gibt, die über 15 oder über 20 Gramm Salz sogar verzehren, die nicht ganz klein sind, diese Gruppen."
    Besorgniserregend viel Salzverzehr
    Die Medizinerin nennt das "besorgniserregend". Es sei klar, dass zu kochsalzreiches Essen das Risiko für Bluthochdruck erhöhe - und damit indirekt auch das für viel ernstere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Laut DGE sind sie nach wie vor die häufigste Todesursache in Deutschland und verantwortlich für knapp 40 Prozent aller Todesfälle. Das meiste Salz nehmen Verbraucher offenbar über Grundnahrungsmittel zu sich:
    "Da denkt man jetzt gerne an Fertiggerichte, Dosengerichte. Da gibt es auch sehr salzhaltige. Aber der größte Salzeintrag in Deutschland kommt tatsächlich aus alltäglichen Lebensmitteln, nämlich Brot, Wurst und Käse, die eben im Einzelfall sehr, sehr viel Salz beinhalten können."
    Genau dort müsse der Hebel angesetzt werden. Nach Ansicht der DGE-Experten sollte vor allem Brot schrittweise mit weniger Kochsalz verarbeitet werden, da es die wichtigste Eintragsquelle in der Ernährung sei.
    Es geht also nicht primär darum, dass man sparsamer mit dem Salzstreuer in der Küche umgeht. Das hält Anja Kroke zwar auch nicht für verkehrt. Aber:
    "Der Einzelne kann da nur bedingt handeln, weil 70 bis 80 Prozent des Salzes, was wir verzehren, aus den zubereiteten Lebensmitteln kommen, die wir ja so kaufen, wie sie sind."
    Weshalb es vor allem darauf ankommt, dass Lebensmittelbetriebe ihre Rezepturen überdenken. Vor allem Bäckereien und Backwarenindustrie:
    "Salz braucht man für die Teigverarbeitung. Es geht jetzt nicht darum, Salz aus dem Brot rauszunehmen. Das schmeckt auch nicht. Aber wir wissen, dass es eine große Spanne gibt: zwei- bis dreifach mehr, als man im Prinzip braucht. Und das kann man ja reduzieren."
    Deutschland beteiligte sich nicht an EU-Initiative
    Die EU-Kommission hat schon vor acht Jahren eine Initiative gestartet, um die Kochsalzaufnahme in der europäischen Bevölkerung zu senken. Viele Mitgliedsstaaten starteten daraufhin nationale Reduktionsprogramme oder bauten sie aus. In Deutschland aber geschah nichts, so Anja Kroke:
    "Vereinbarungen verschiedener EU-Länder, Salz zu reduzieren, basieren ganz, ganz häufig auf regulatorischen Eingriffen staatlicherseits. Solche Regelungen sind in Deutschland nicht gern gesehen."
    Ein anderes Argument damals: Es sei gar nicht klar, ob Verbraucher in Deutschland wirklich zu viel Kochsalz mit der Nahrung zu sich nähmen. Heute aber weiß man: 70 Prozent aller Frauen und 80 Prozent aller Männer essen mehr als den einen Teelöffel Speisesalz am Tag, der noch als unbedenklich gilt. Und erhöhen so ihr Risiko für Bluthochdruck und damit verbundene Erkrankungen.
    Die DGE empfiehlt deshalb, Deutschland möge sich nun auch endlich am EU-Programm zur Salzreduktion beteiligen. Die neue wissenschaftliche Stellungnahme versteht Anja Kroke zugleich als Appell und Angebot:
    "An die Industrie und an die Politik, da mal jetzt zusammenzukommen, sich an einen Tisch zu setzen. Gerne auch mit der DGE zusammen. Um zu schauen: Welchen Weg können wir gehen? Und wenn es in Deutschland nicht geht über Regulation, gibt es vielleicht noch andere Wege. Weltweit sind so viele Länder dabei, Salz zu reduzieren, dass man sich da ja auch inspirieren lassen kann von den Schritten, die da gegangen werden."
    Aus Sicht der DGE ist die Zeit jedenfalls längst reif. Was diese Chance der Vorbeugung gegen Bluthochdruck betrifft, hinkt Deutschland Jahre hinterher.