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Ernährungsexpertin: Nicht komplett auf Obst und Gemüse verzichten

Da in Sachen EHEC immer noch viel Unklarheit herrsche, sollte man auf Gurken, Tomaten und Salat verzichten, rät Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Es gebe aber genügend andere Gemüsesorten, die man essen könne.

Antje Gahl im Gespräch mit Georg Ehring | 27.05.2011
    Wenn man gründlich wäschst, dünstet oder kocht, kann man weiter Gemüse essen.
    Wenn man gründlich wäschst, dünstet oder kocht, kann man weiter Gemüse essen. (Jan-Martin Altgeld)
    Georg Ehring: Das Robert-Koch-Institut warnt vor dem Verzehr von rohen Tomaten, Salatgurken und Blattsalat vor allem in Norddeutschland; sie könnten mit dem EHEC-Erreger belastet sein. Die Erkrankung ist lebensgefährlich, inzwischen werden fünf Todesfälle mit EHEC-Bakterien in Verbindung gebracht. Salat und rohes Gemüse gelten eigentlich als besonders gesund, trotzdem möchten viele Menschen davon vorerst nichts mehr essen. Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist jetzt am Telefon. Guten Tag, Frau Gahl.

    Antje Gahl: Guten Tag, Herr Ehring!

    Ehring: Frau Gahl, essen Sie denn noch Tomaten, Gurken und Salat?

    Gahl: Sagen wir es mal so: In den letzten Tagen, muss ich gestehen, habe ich weder Blattsalat noch Gurken noch Tomaten gegessen. Ich habe aber noch Tomaten im Kühlschrank und wollte diese auch noch verzehren.

    Ehring: Viele Menschen sind ja jetzt besorgt. Ist es denn eine sinnvolle Empfehlung aus Ihrer Sicht, vorerst auf rohes Gemüse und Salat zu verzichten?

    Gahl: Also in der Hinsicht ist es auf jeden Fall schon sinnvoll. Natürlich ist es immer schwer, aus Sicht der Ernährungsphysiologie auf Obst und Gemüse zu verzichten, weil sie uns halt viele wertvolle Nahrungsinhaltstoffe liefern, aber aufgrund der aktuellen Lage, und da wir nicht genau wissen oder man nicht genau weiß, was sind jetzt alles die Infektionsherde für dieses EHEC, ob jetzt noch andere Gemüsearten betroffen sind, deshalb ist es vielleicht für einige, die wirklich sagen, wir wollen auf Nummer sicher gehen, besser, die sollten vorsorglich auf rohes Gemüse verzichten, insbesondere jetzt natürlich Tomaten und Blattsalate und Gurken.

    Es gibt ja auch noch, das war in der Diskussion, auch Erdbeeren; ich meine, da muss man wirklich überlegen, bisher ist, glaube ich, auf Erdbeeren nichts gefunden worden. Das ist immer eine sehr individuelle Entscheidung. Also, ich würde eigentlich nicht komplett raten, jetzt auf alles Obst und Gemüse zu verzichten. Man kann aber natürlich auch andere Zubereitungsmethoden wählen.

    Ehring: Das sind ja die Alternativen. Heißt das, man sollte alles kochen oder dünsten?

    Gahl: Gut, beim Gemüse kann man sicherlich hingehen und sagen, wir sagen natürlich, dass Rohverzehr immer gut ist, um die Vielfalt eben auszunutzen, aber in dem Fall würde ich jetzt bei Salatgurken, Tomaten und Blattsalat darauf verzichten natürlich, und dann könnte man die Tomaten, die man noch hat, dann eben auch im Gekochten verarbeiten, dass man die jetzt zum Beispiel zu einer Tomatensoße verarbeitet. Das ginge, weil der EHEC-Erreger ja durch Kochen sozusagen dann inaktiviert würde.

    Ansonsten kann man natürlich auch hingehen und sagen, Äpfel und Birnen oder so halte ich im Moment noch für unbedenklich. Gründliches Waschen, sagt man, verringert natürlich die Keimzahl. Wo es ein bisschen schwierig ist, sehe ich bei Erdbeeren, weil man die jetzt auch nicht so gründlich waschen kann, die kann man nicht richtig abrubbeln, das sind empfindliche Früchte. Da könnte man jetzt vorsorglich, wer wirklich ganz sicher gehen will, darauf verzichten. Aber insgesamt, sage ich mal, gibt es natürlich eine immense Obst- und Gemüsevielfalt und wir können natürlich wirklich auch noch auf gekochtes Gemüse oder gedünstetes Gemüse zurückgreifen, dass wir das machen. Beim Obst wird es natürlich dann schwieriger.

    Ehring: Wie steht es denn um Tiefkühlkost? Die gilt ja als relativ frisch auch.

    Gahl: Ja. Tiefkühlkost ist frisch. Wenn jetzt frische Ware zu Tiefkühlkost verarbeitet würde, würde es nicht diesen EHEC-Keim abtöten. Jetzt können wir natürlich nicht sagen, wenn Sie jetzt irgendwas im Handel kaufen, was schon seit Monaten irgendwie in der Tiefkühltruhe liegt, ist es wahrscheinlich nicht so, dass das mit EHEC infiziert ist. Aber auch Tiefkühlware an sich würde jetzt nicht davor schützen, diesen Keim nicht zu bekommen, weil er wie gesagt dann durch Kälte nicht abgetötet wird, sondern wirklich nur durch Erhitzungsverfahren wie Kochen, Braten oder Pasteurisieren.

    Ehring: Bioware gilt ja immer als gesünder. Ist man da auch dieses Mal auf der sicheren Seite, oder hat das mit Bio nichts zu tun?

    Gahl: Leider nicht. Also, rohes Gemüse und Obst, egal ob Bio oder konventionell, da unterscheiden diese lieben Bakterien überhaupt nicht. Von daher könnte auch auf der Bioware genauso gut der EHEC-Keim vertreten sein. Also von daher kann man wirklich nur sagen, rohes Gemüse, Obst gründlich waschen, bei den Früchten und Gemüse, die jetzt sozusagen nicht in Verdacht sind. Auf Tomaten, Salatgurken, Blattsalat sollte man dann in dem Falle vielleicht wirklich jetzt drauf verzichten und auf die andere Gemüsevielfalt ausweichen.

    Wir haben ja jetzt so viel, wir haben auch noch Spargel, wir haben Brokkoli, wir haben die ganzen Kohlsorten, die jetzt auch noch kommen, oder Kohlrabi und solche Geschichten, die man auch gedünstet genießen kann, oder Gemüsepaprika, die man auch dünsten und kochen kann, wo wir entsprechend auch unsere Vitamine, Ballaststoffe und sekundären Pflanzenstoffe dann auch noch mit aufnehmen können. Also komplett darauf verzichten, wäre schwierig.

    Ehring: Herzlichen Dank! Das war Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.