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Erneuerbare Energien
Streit über die Abstandsregelung für Windräder

Nach dem Willen der Großen Koalition sollen Windräder mindestens Tausend Meter von Siedlungen entfernt sein. Als Siedlung sollen dabei bereits fünf Häuser gelten. Die Windenergiebranche und auch die Umweltminister vieler Länder fürchten, dass dann kein Ausbau mehr möglich ist.

Von Nadine Lindner | 16.11.2019
Eine Luftaufnahme von Windrädern zwischen Feldern.
Mit der Abstandsregelung dürften Windräder so nicht mehr gebaut werden (photothek | imago )
Die Tausend Meter Mindestabstand stehen bereits im Klimaschutzprogramm der Großen Koalition von Ende September und auch im Gesetzentwurf zum Kohleausstieg von CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier ist die Regelung enthalten. Der Entwurf wird gerade zwischen den Ministerien abgestimmt, Streit entfacht sich dabei an der Frage, was genau eine Siedlung ist.
Ein Sprecher des Umweltministeriums sagt dazu: "Es geht um die Frage, von welchem Punkt aus, von welcher Siedlung aus wird dieser Abstand bemessen. Es ist ja festgelegt worden, dass eine signifikante Größe bei einer Siedlung angenommen wird, wir haben ja den Punkt mit den fünf Häusern im Baugesetzbuch. Und für uns ist es eben so, dass fünf Häuser keine signifikante Größe in dieser Weise darstellen."
Auch die Windenergiebranche ist unzufrieden. Sie wirft der Bundesregierung angesichts der Krise der Windkraft an Land schwere Fehler vor: "Anstatt dem Ausbau der Windenergie wieder in die Spur zu helfen, werden der Branche weitere Steine in den Weg gelegt", sagte der Präsident des Bundesverbands Windenergie, Hermann Albers, der Deutschen Presse-Agentur. Der Mindestabstand sei ein "fataler" Fehler. Der Ausbau der Windkraft an Land war in diesem Jahr fast zum Erliegen gekommen.
Heftiger Widerstand gegen Altmaiers Abstands-Pläne kommt auch aus den Ländern: Deren Umweltminister haben sich auf ihrer Herbsttagung in Hamburg gestern einstimmig gegen einen bundesweiten 1000-Meter Mindestabstand für Windkraftanlagen ausgesprochen. Man dürfe die Windkraft nicht an die Wand fahren, wenn man Klimaschutz ernst nehme, sagte Franz Untersteller, der grüne Umweltminister von Baden-Württemberg, am Freitag.
Hamburgs Umweltsenator befürchtet Jobverluste
Jens Kerstan, grüner Umweltsenator in Hamburg wies im NDR auf weitere drohende Jobverluste in der Windkraftbranche hin: "Mit diesem Beschluss der Bundesregierung würden Tausende weitere Jobs wegfallen."
Die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtet heute zudem, dass Windparkbetreiber sich im Norden des Landes nach dem Willen von Altmaier stärker an den Kosten für den Netzausbau beteiligen sollen, über einen sogenannten Netzausbauzuschuss. Das drohe den Ausbau in Norddeutschland abzuwürgen, so die Kritik.
Ähnlich Claudia Kemfert, Professorin für Energiethemen am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin heute morgen im Deutschlandfunk: "Und mit dieser Abstandsregelung werden die Flächen künstlich so stark vermindert. Das zeigt auch eine Studie des Umweltbundesamtes, dass der Zubau gar nicht mehr möglich ist."
Kemfert wies zudem den Vorwurf zurück, dass die erneuerbaren Energien alleine am steigenden Strompreis Schuld seien. Auf Stromkunden in Deutschland kommt eine Welle an Preiserhöhungen zu. Nach Angaben der Vergleichsportale Verivox und Check24 haben bereits rund 170 Versorger angekündigt, die Preise für private Verbraucher zum 1. Januar anzuheben, im Schnitt um fünf Prozent, das sind gut 60 Euro im Jahr für eine Familie.
Dass derart hohe Preissprünge jetzt veranschlagt werden sei ungewöhnlich, meint Kemfert: "Ich kann mir vorstellen, dass man es begründet mit den gestiegenen Stromhandelspreisen, wo auf Grund der gestiegenen CO2-Preise in Europa deutliche Anstiege zu verzeichnen waren. Aber man muss auch sagen, dass das in Zeiten, wo die Börsenpreise sehr niedrig waren, nicht direkt an die Verbraucher weitergegeben worden ist."
Auch Verbraucherschützer sehen die Stromanbieter in der Pflicht, für Preisstabilität zu sorgen.