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Erntehelfer
Erstmals Spargelstechen zum Mindestlohn

Drei Millionen Menschen profitieren laut DGB inzwischen vom Mindestlohn. Den deutschen Unternehmen beschert die Lohnuntergrenze allerdings nicht nur höhere Personalkosten, sondern zusätzlich eine ganze Menge Bürokratie – Stichwort Arbeitszeiterfassung. Auch die Spargelbauern müssen in diesen Tagen ihren Erntehelfern aus Rumänien und Polen erstmals mehr zahlen.

Von Uschi Götz | 02.04.2015
    Saisonarbeiter auf einem Spargelfeld
    Landwirtschaftliche Betriebe müssen zunächst 7,40 Euro pro Arbeitsstunde bezahlen, ab 2017 bekommen die Erntehelfer dann 8,50 Euro. (pa/dpa/Pleul)
    17 Erntehelfer aus Rumänien stehen auf einem riesigen Spargel-Feld im badischen Durmersheim. Heute wird kein Spargel geerntet, heute bringen die Männer meterlange weiße Folientunnel in Ordnung. In den Röhren wächst der Spargel, doch Orkan Niklas hat die Folien zum Teil zerstört. Franziska Gehrer, Chefin eines der größten Spargelhöfe in Baden, steht am Rande des Feldes. In Kürze kommen weitere Erntehelfer aus Rumänien, erzählt die Unternehmerin. Nicht so viele wie gewollt allerdings.
    "Weil viele von denen einfach nicht die Leistung erbringen, um auf die 7, 40 Euro zu kommen, die wir bezahlen müssen. Die wären gerne gekommen, auch für weniger Geld, darf ich nicht, also müssen die zu Hause bleiben."
    Spargel könnte aufgrund des Mindestlohns teurer werden
    Auch Saisonkräfte bekommen in diesem Jahr erstmals den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Landwirtschaftliche Betriebe müssen zunächst 7,40 Euro pro Arbeitsstunde bezahlen, ab 2017 bekommen die Erntehelfer dann in der Stunde 8, 50 Euro. Die Folge seien Preiserhöhungen in vielen Bereichen, warnen Verbände. Auch der Spargel werde durch den Mindestlohn bereits in diesem Jahr wesentlich teurer, kündigte der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband an. Franziska Gehrer geht zurzeit nicht von höheren Spargelpreisen aus:
    "Obwohl es eigentlich so sein müsste, weil wir 20 Prozent mehr Kosten circa haben. Allerdings ist es so: Der Preis wird beim Spargel auch über die Marktsituation bestimmt, gerade viele Spargelbetriebe bauen vermehrt mehr Spargel an, das heißt, der Markt ist eigentlich satt, wenn nicht sogar übersättigt. Das heißt, am Preis wird sich da nichts tun."
    Doch die neuen Regelungen werden gerade Sonderkulturbetrieben, in diesem Fall den Spargelbauern, die Luft abdrehen. Das zumindest sagen die Fachverbände und fordern Nachbesserung von der Politik. Dabei geht es weniger um den Mindestlohn. Vielmehr ist es die Bürokratie, die vor allem Familienunternehmen wie das der Gehrers zur Verzweiflung bringen. Früher bekamen die Erntehelfer ihr Geld am Ende der Saison, jetzt muss das Geld am Ende des Monats fließen. Die Arbeiter möchten das Geld aber nicht:
    "Denn wir haben circa 120 Leute. Wenn man nur 1.000 Euro annimmt, was für große Summen dann an einem Platz liegen würde. Das heißt, die Leute unterschreiben mir wieder einen Verwahrungsvertrag. Ich habe noch nie so viele Quittungsblöcke gebraucht, wie ich dieses Jahr brauchen werde, bedeutet für alle nur Arbeit und keiner hat etwas davon."
    Viele Arbeiter verstehen auch gar nicht, um was es geht, erzählt sie. Etwa 60 Prozent ihrer Saisonkräfte können nicht lesen und schreiben. Bereits Franziska Gehrers Großvater und ihre Eltern haben vom Spargelanbau gelebt, die Beziehungen zu den Arbeitern und ihren Familien in Rumänien sind über Jahrzehnte gewachsen. Man vertraute sich, jetzt müssen zig Papiere unterschrieben werden.
    Die 28-jährige Unternehmerin hat BWL studiert und nebenher Rumänisch gelernt. Am Feldesrand steht sie neben einem großen, kräftigen Mann. Er ist zum zweiten Mal in Deutschland, sagt der etwa 30-jährige Rumäne. Zu Hause habe er drei Kinder, mit dem hier verdienten Geld baue er gerade ein Haus für seine Familie. Bis Ende Juni will er bei der Ernte helfen, dann hat er so viel Geld verdient, wie mancher Landsmann in einem Jahr. Das sagt er nicht, aber das ist bekannt.
    Er nimmt die nächste Folie in die Hand, darunter wächst der erste weiße Spargel. Durch den Mindestlohn bringen die Arbeiter nicht wesentlich mehr nach Hause. Ihre Arbeitszeit ist jetzt auf acht bis maximal zehn Stunden am Tag begrenzt. Noch vor einem Jahr waren das in der Haupterntezeit mindestens zwölf Stunden am Tag.