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Ersatzausweis für Extremisten
Schutz oder Symbolpolitik?

Die Sicherheitsgesetze werden nach Anschlägen gerne verschärft und auch neue eingeführt. Die wohl größte Gefahr geht von den Kämpfern in Europa aus, die sich in Syrien oder dem Irak dem Kampf der islamistischen Milizen anschließen - das Problem der Hin- und Rückreise hat das Kabinett heute durch eine erste Regelung lösen wollen.

Von Frank Capellan | 14.01.2015
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière (dpa / picture-alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Es gibt auch Widerspruch: "Mich beschleicht da schon ein großes Unbehagen", meint Hubertus Knabe, Direktor der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen. Der Ausweisentzug war in der DDR kennzeichnend für die Entrechtung des Einzelnen in der SED-Diktatur, gibt der Historiker zu bedenken. Doch Innenminister Thomas de Maizière hatte schon lange geplant, mutmaßlichen Dschihadisten künftig den Personalausweis zu entziehen. Vor laufenden Kameras zückt der Christdemokrat ein Ersatzdokument, das den Verdächtigen künftigen ausgehändigt wird.
    Thomas de Maizière: "Dieser neue Personalausweis sieht so aus. Auf diesem Ausweis ist vermerkt, dass der Betreffende nicht berechtigt ist zum Verlassen Deutschland. Und wir haben auf der letzten Seite in vielen Sprachen niedergelegt das Gleiche. So dass jeder Grenzbeamte, ob in Griechenland, in Madrid, in Finnland, in Dänemark oder sonstwo weiß, um wen es geht."
    CDU-Politiker Strobl drängt auf Vorratsdatenspeicherung
    Bis zu drei Jahre kann der Personalausweis einbehalten werden , bisher gab es eine solche Möglichkeit nur für den Reisepass - mit der Folge, dass gewaltbereite Islamisten ungehindert über die Türkei nach Syrien oder in den Irak reisen konnten. Thomas Strobl, stellvertretender CDU-Vorsitzender, sieht in der Änderung des Passgesetzes einen wichtigen Schritt - im Deutschlandfunk drängt er allerdings zu mehr, Strobl will Internet- und Telefondaten speichern, er will die Vorratsdatenspeicherung.
    Thomas Strobl sagt: "Alle Sicherheitsbehörden, alle die etwas davon verstehen, auch alle Innenminister der SPD sagen: Wir brauchen dieses Instrument um schwerste Straftaten aufklären zu können. Wir sollten das endlich ernst nehmen."
    Die SPD-Spitze hält dagegen, sieht im Datensammeln ohne Anlass eine Einschränkung von Freiheitsrechten. Justizminister Heiko Maas beruft sich auf fehlende EU-Vereinbarungen.
    Der Christdemokrat de Maizière kontert: "Ich halte als Bundesminister, der für die Sicherheit dieses Landes Verantwortung trägt, eine Einführung einer solchen rechtsstaatlich klugen Regelung für dringend geboten - im Interesse der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger."
    SPD und Grüne wollen einen anderen Weg zu mehr Sicherheit
    Noch aber sträubt sich Heiko Maas vehement. Der Justizminister bringt stattdessen eine Verschärfung des Strafrechtes auf den Tisch: "Wir werden bereits die Ausreise von Dschihadisten in der Absicht, an Terrorcamps teilzunehmen oder an terroristischen Auseinandersetzungen teilzunehmen, unter Strafe stellen. Und zum Zweiten: Es wird einen eigenen Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung geben. Das heißt, alles, auch kleinste Beträge, die in Umlauf gebracht werden, um Terroristen Geld zuzuspielen - auch das wird unter Strafe gestellt."
    Auf europäischer Ebene wird zunächst einmal über einen effektiveren Datenaustausch beraten. Inneminister de Maizière fordert die Weitergabe von Fluggastinformationen - wir müssen doch wissen, wer zu uns nach Europa fliegt. Das Europaparlament hatte das bisher verhindert, und die grüne Fraktionschefin Rebecca Harms wendet sich gegenüber unserem Sender auch nach dem Terror von Paris gegen unbegründetes Datensammeln: "Ich hab den Eindruck, dass nachdem erst alle gerufen haben: 'Wir verteidigen unsere Freiheit', jetzt doch wieder Grundrechte, Freiheitsrechte in Frage gestellt werden. Obwohl man nicht zeigen kann, dass man mit mehr Datenerfassung mehr Sicherheit schaffen kann."
    Sie will nun lieber über die Personalfrage reden. Offenbar haben wir zu wenige Polizisten, meint die Grüne, und spricht damit Oliver Malchow aus der Seele. "Wir sind erfreut, die eher polizeikritische Partei in einer Frage an unserer Seite zu haben, die uns seit Jahren bewegt," sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei : "16.000 Stellen sind bei der Polizei in den vergangenen 15 Jahren in Deutschland weggefallen - einmal die gesamte Berliner Polizei."