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Ersatzteile fürs erkrankte Hirn

Forscher aus Chicago haben menschliche, embryonale Stammzellen dazu gebracht, sich zu Dopamin-produzierenden Nervenzellen zu differenzieren. Sie pflanzten die sich entwickelnden Zellen zudem in ein Affengehirn ein. Damit wollen die Wissenschaftler neue Therapieansätze gegen Parkinson ausloten.

Von Katrin Zöfel | 17.10.2012
    "Wir arbeiten mit Rhesus-Affen, und zwar mit etwas älteren Rhesus-Affen, sie sind zwischen 18 und 25 Jahre alt."

    Dustin Wakeman vom Medical Center der Rush-Universität in Chicago. Die Tiere, die er für seine Forschung braucht, müssen alt sein, denn die Frage, die er und seine Kollegen zu klären versuchen, betrifft das alternde Gehirn. Die Wissenschaftler erforschen die Krankheit Parkinson.

    "Die Nervenzellen, die bei Parkinson absterben, sind im gesunden Hirn dazu da, Dopamin zu produzieren und genau an der richtigen Stelle auszuschütten. Diese Zellen sitzen im Hirnstamm, einer sehr ursprünglichen Hirnregion. Ihren Botenstoff Dopamin schicken diese Zellen über lange Fortsätze bis in das sogenannte Striatum, das liegt weiter oben im Hirn, dort wird der Botenstoff offenbar gebraucht. Denn fehlt diese gezielte Dosis Dopamin, entwickeln sich die Symptome von Parkinson: das Zittern der Hände, die instabile Haltung und so weiter."

    Die Symptome treten auf, wenn mindestens die Hälfte, meist 75 bis 80 Prozent dieser Zellen abgestorben sind, also dann, wenn der Schaden im Gehirn schon ziemlich groß ist. Die ideale Therapie wäre es, diese Zellen zu ersetzen. Dustin Wakeman und viele seiner Kollegen rund um den Globus versuchen deshalb, diese Art von Nervenzellen nach zu züchten. Wakemans Ausgangsmaterial sind humane, embryonale Stammzellen.

    "Wir versuchen dabei die Entwicklung, die diese Zellen im menschlichen Körper durchmachen, in der Petrischale nachzuahmen von der undifferenzierten Zelle bis hin zu der Zelle, die wir haben wollen. Das funktioniert umso besser, je mehr wir über die natürliche Entwicklung wissen."

    Die Entwicklung nachzuahmen, gelingt den Forschern inzwischen relativ gut. Doch damit ist nur ein kleiner Teil der Arbeit getan. Die nachgezüchteten Zellen nützen (ja) nur etwas, wenn sie sich in ein krankes Hirn so einfügen, dass sie die Defekte ausgleichen. Diesen Schritt hat Wakeman an vier Rhesus-Affen ausprobiert. Die Tiere bekamen zunächst ein Nervenzellgift, das parkinsonähnliche Veränderungen im Gehirn hervorruft. Dann transplantierte Wakeman die nachgezüchteten Nervenzellen in das Gehirn der Tiere.

    Gerade bei diesem Schritt kann besonders viel schiefgehen. Die injizierten Zellen können absterben, das Hirn der Affen könnte sie abstoßen, oder die Zellen vermehren sich unkontrolliert oder bilden sogar Tumoren. All diese Effekte konnte Wakeman bisher nicht an seinen Tieren beobachten, die Zellen entwickeln sich gut. Allerdings hat er bisher nur Daten kurz nach der Transplantation sammeln können. Seine Ergebnisse sind also noch vorläufig. Der Forscher Jeffrey Macklis von der Harvard Medical School in Cambridge kennt die Arbeit aus Chicago, er hält sie für vielversprechend.

    "Hier werden zwar nicht genau die Nervenverbindungen wieder hergestellt, die das gesunde Hirn einmal hatte, die Kollegen aus Chicago gehen stattdessen einen anderen Weg. Sie platzieren die transplantierten Zellen im Striatum. Das ist leichter von außen zu erreichen, als der tief gelegene Hirnstamm. Die Daten, die die Kollegen jetzt vorlegen, sind gut. Alles andere müssen wir abwarten. In jedem Fall aber zeigt die Studie, dass es sich gelohnt hat, die Entwicklung des menschlichen Gehirns zu verstehen, wir können das jetzt im Labor nachstellen und bekommen so Zellen, die denen, die bei Parkinson absterben, wirklich sehr, sehr ähnlich sind."