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Erschütterungen aller Art

In Jonathan Franzens Roman geht es zum einen konkret um Erdbeben, die an den dramaturgisch günstigen Stellen stattfinden und die Handlung vorantreiben. Zum anderen weiten sie sich metaphorisch aus und werden zu Beben in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Von Helmut Böttiger | 11.09.2005
    "Die Tür zum Badezimmer war verriegelt, und als Louis im Wohnzimmer Eileen nicht finden konnte, bezog er, um sie dort abzufangen, Posten am Büfett. Die Wand über dem Tisch war mit Girlanden aus schwarz-gelben Folienbändern - Polizeiabsperrung nicht weitergehen Poli... - geschmückt. Einige der Speisen schienen nicht zum Verzehr gedacht zu sein. Da gab es einen Teller mit rohem Gemüse, das man wegen seiner Missbildungen ausgewählt hatte - Tomaten mit zungenähnlichen Wucherungen, hasenschartenartig eingekerbte Karotten, schwielige Paprikaschoten.

    Außerdem einen weiß glasierten Tortenboden, auf den mit Kaffepulver die Andeutung eines Stacheldrahtzauns gestreut war. Außerdem ein kristallenes Kugelglas, in dem eine Flüssigkeit stand, die jahrelang in Heizkörpern zirkuliert haben mochte und an der Oberfläche in giftigen Farben schillerte; angeheftet war ein Post-it-Zettel mit der Aufschrift "Leckerer Hafenbecken-Punsch: bitte probieren!" Außerdem ein Gefäß voller zerkrümelter, wie Bauschutt aufgetürmter Schokoplätzchen, mit einem Spielzeug-Bulldozer oben drauf und Köpfen von Plastikmännchen, die aus dem Trümmern herausragten. Außerdem eine Zimtspeise mit Namen "Atomic Fireballs"."

    Da haben sie einiges aufgefahren, ein paar Wirtschaftsstudenten aus Boston, um so eine richtige Katastrophen-Party auszurichten. Katastrophen kommen immer gut bei einer Themen-Party, wenn einem sonst nichts Besseres einfällt, und es herrscht natürlich auch Kostümzwang: Louis, der Held des Romans, taucht mit einer alten Gasmaske auf, aber er wird locker in den Schatten gestellt von einem Typ, der mit einem kompletten supermodernen feuerfesten Plastik-Schutzanzug samt Sicherheitsschnorchel aufwartet.

    Dem Autor Jonathan Franzen fällt ziemlich viel ein, um derartige Katastrophen zu bebildern, und das ist kein Zufall. Wie bei der besagten Party geht es im ganzen Buch um Katastrophen, um reale und gewaltige Naturkatastrophen, von denen man bei dieser Party noch kaum etwas ahnt. Da ist die Sache mit der etwas langweiligen und spießigen Studentenparty höchst anspielungsreich.

    Man kann sich richtig vorstellen, wie Jonathan Franzen für diesen Roman mit dem Titel "Schweres Beben" die Strukturpläne ausgetüftelt hat. Sie schimmern hier, in diesem bereits 1992 erschienenen Buch, noch weitaus deutlicher durch als in seinen viel später geschriebenen, berühmt gewordenen Roman "Die Korrekturen", dem deutschen Sommerhit des Jahres 2002.

    "Schweres Beben": der Titel lässt schon einiges erahnen. Man kann ihn in verschiedener Weise interpretieren. Zum einen geht es in diesem Roman ganz konkret um Erdbeben, an den dramaturgisch günstigsten Stellen finden immer Erdbeben statt und treiben die Handlung voran. Aber sie weiten sich natürlich metaphorisch aus, zu den Beben in den zwischenmenschlichen Beziehungen, in der amerikanisch-bürgerlichen Familie, in der kapitalistischen Gesellschaft überhaupt.

    Das "Schwere Beben" wird unter der Hand zu einer existenziellen Großmetapher. Da gibt es viele Gelegenheiten, Fäden auszulegen und sie gegen Ende des Buches wieder einzuholen, mal mit mehr, mal mit weniger effizienten Techniken; und wie es sich für solch einen Großroman gehört, erhalten wir diverse Einblicke in das vielfältige menschliche Leben: in Familienkonstellationen zum Beispiel, in Wohnzimmereinrichtungen und angewandte Computerprogramme.

    "Das Computersystem kann gereizt reagieren, wenn man ihm zu viel zumutet. Es kann für einfache Aufgaben Ewigkeiten brauchen. Es kann verwirrende Meldungen auf den Monitor schicken. Es kann sich tot stellen. Wenn man vergisst, dem System klar zu machen, dass es etwas Bestimmtes nicht erwarten soll, dann wird es darauf warten.

    Alle paar Minuten wird es eine Nachricht ausspucken, die der Welt mitteilt, dass es, anders als du, eure Verabredung nicht verschlafen hat. Stunde um Stunde wird es diese Nachricht ausspucken. Wenn es nichts zu tun hat, schläft das System. Es weiß genau, wann es erwachen muss, pünktlich auf eine hundertstel Sekunde."
    Man merkt: dieser Roman will zwar nicht die Welt erklären, aber er eignet sich hin und wieder gern den Tonfall dafür an. Und die Welt hat ja auch viel zu bieten. Es gibt in diesem Buch natürlich, wie es in den Creative-Writing-Studiengängen an amerikanischen Universitäten in Perfektion gelehrt wird, auch diverse Spezialwelten, die sich umfassenden Recherchetätigkeiten verdanken.

    Da ist in erster Linie die Seismologie zu nennen, also die Erdbebenforschung. Renée, die weibliche Hauptfigur, hat eine Post-Doc-Stelle in Harvard und brütet über Verwerfungslinien unter dem Südseeatoll Tonga, nach oben offenen Richterskalen und Schwarmbeben.

    "Abklingende P-Wellen, heterogene Schichtung, Kern-Mantel-Grenze, vertikales Verschiebungsmoment, Bruchfront-Ausbreitung, Plattensubduktion, Transformstörung, Scherkraftkoeffizienten, Intraplattenbeben, Dekonvolution, Laufzeitkurven, Grundschwingungsmodus, seismische Lücke, Polwanderung."

    Zu nennen ist hier auch die Radiotechnik, und darüber freuen wir uns an dieser Stelle ganz besonders. Hier brilliert Louis Holland, die zentrale Figur des Romans:

    "Von einer Wand voller in Plastikfolien eingeschweißter Schaltkreise und HF-Verbindungsstecker und Mikropotis und Krokodilklemmen und Überbrücker und Drehkondensatoren suchte er sich zusammen, was auf seinem Wunschzettel ganz oben stand."

    Das ist aber längst nicht alles. Hinzu kommt noch die Sache mit Gott: eine freikirchliche Gemeinde von Abtreibungsgegnern spielt für den Plot eine gewisse Rolle. In regelmäßigen Abständen erteilt der Roman ihnen das Wort, am häufigsten ihrem Chefagitator:

    "Auch Sie waren einst nur ein winziges Zellklümpchen. Alles, was Sie sind, alles, was Sie je empfunden haben, hat sich aus diesem Klümpchen entwickelt. Und Sie sind nichts anderes als Sie selbst, Sie sind kein dummer Zufall, keine Panne. Sie sind einmalig."

    Es ist ein großes Panorama, das Franzen hier entfalten möchte und für das er knapp siebenhundert Seiten veranschlagt, am Horizont zeichnet sich immer wieder ein großer Gesellschafts- und Familienroman ab, und in den ersten Kapiteln baut sich eine Spannung auf, von der man nicht weiß, wie der Autor sie auflösen wird oder ob sie gar bleibt.

    Langsam steigert es sich: durch einige kleinere Erdbeben im Raum Boston lernen sich Louis und Renée kennen, und es bilden sich immer geheimnisvollere Kreise um die Belange der Familie Holland und den Chemiekonzern Sweeting-Aldren. Die Familie Holland ist die Keimzelle des Ganzen, aber sie ist von äußerst verwickelter Natur, und wir verfolgen sie über mehrere Generationen hinweg.

    Louis Holland ist nicht unbedingt eine suggestive Identifikationsfigur, er ist ein etwas blasser, aber exzentrischer Typ, der viele Pickel, zunächst etwas längere Haare und dann eine modische Glatze hat und gelegentlich mal etwas aufbraust. Vor allem wenn er rauskriegt, dass seine Schwester Eileen wieder Geld von der Mutter zugesteckt bekommen hat. Eileen ist ein verzogenes, verwöhntes, typisches Ding aus der gehobenen Middle-Class.

    Der Vater Bob hat dagegen alle Züge eines liberalen, etwas verwaschenen 68ers - nicht unsympathisch, aber irgendwie auch aggressiv machend, vor allem tanzt ihm seine Frau Melanie ständig auf der Nase herum. Sie könnte aus jeder beliebigen Fernsehserie über etwas besser betuchte amerikanische Hausfrauen stammen, unser Autor Jonathan Franzen zieht da alle Register von augenzwinkernder Ironie und Psycho-Styling.

    Mutter Melanie avanciert flugs zu einer kathartischen Figur, weil sie die Stieftochter von Rita Kernaghan ist, einer esoterischen Schriftstellerin, und jetzt kriegt die Geschichte richtig Fahrt: Rita Kernaghan nämlich war mit einem führenden Manager des Chemiekonzerns Sweeting-Aldren verheiratet, und als sie stirbt, hinterlässt sie Melanie ein aufsehenerrendes Erbe: es besteht aus Stammaktien dieser Firma; man munkelt von einem Wert in Höhe von 22 Millionen Dollar.

    Aber natürlich gibt es da einen Haken. Renée, die Erdbebenforscherin, stößt während der ganzen Erbschaftsangelegenheiten auf Indizien dafür, dass die sich häufenden Erdbeben mit illegalen Gifteinleitungen jenes Konzerns zu tun haben; sie werden durch ein tiefes Bohrloch in der Erde versenkt. Erdbeben, Erbe, Exitus: der Tod von Rita Kernaghan, der großen Erblasserin, ist ausgerechnet von einem Erdbeben verursacht worden.

    Das zwingt den Plot immer enger zusammen. Und Jonathan Franzen lässt es sich auch nicht nehmen, einen Geschlechtsverkehr zwischen Louis und Renée während eines Erdbebens stattfinden zu lassen: da rattert und knattert es gewaltig in der Diskursmaschine.

    "Der Becher flog den Flur entlang, und das Glas zersprang, und die Stifte hüpften melodisch. Louis kitzelte ihren sich verkrampfenden Bauch, und sie verpasste seinen Armen und Rippen Schläge, ohne ihm auch nur das kleinste bisschen wehzutun, und schrie anhaltend und ziemlich laut.

    Kleidungsstücke wurden heruntergezogen, Körperteile entblößt, Hälse krümmten sich, Flüche galten dem harten Boden. Wie Bergziegen küssten sie sich mit ihren ganzen Köpfen. Was sich abspielte, war weniger Sex als ein Zusammenprall, ein gegenseitiges Drücken und Packen körpergroßer Hände, ein Wiedererzeugen schweren Bebens; etwas, dessen Ziel nicht Befriedigung war."

    Jesus Maria! Man merkt die Scharnierstellen dieses Romans allzu deutlich, ab und zu knirscht es unüberhörbar.

    "Es war, als wollte sie ihn von sich stoßen, selbst als sie weiterhin zusammenprallten, und schließlich prallten sie mit solcher Wucht zusammen, dass es sie auseinander riss und sie, noch vibrierend wie Glocken, an einander gegenüberliegenden Wänden in obszöner Verrenkung zu sitzen kamen, an den Fußknöcheln gefesselt von verhedderten Unterhosen und Jeans."

    Da filmt Hollywood gleich mit. Wenn es um das Festklopfen der Handlung geht, um Winke mit dem Zaunpfahl, um schwere Geschütze und Symbole, dann kennt Jonathan Franzen keine Gnade. Aber das ist nur eine Seite dieses Romans. Es gibt noch eine andere, und die ist umso überraschender. Man merkt an etlichen Stellen, dass Franzen ein sehr guter Stilist sein kann. Das geschieht immer eher nebenbei, völlig abseits der Handlung.

    Phasenweise gelingen ihm brillante Milieuschilderungen, und der Leser ist völlig verblüfft: da kommt etwas zum Vorschein, das man kaum erwartet hätte. Da scheinen die äußeren Knalleffekte gar nicht mehr nötig zu sein. Am besten ist das Buch, wenn es um den Alltag in Boston geht, um die plastikdefinierte "zweite Natur" mit grünen Vorgärten und Hamburger-Verpackungen, um Verwerfungen in den saturierten Familien des gehobenen Mittelstands, um die zynischen Begleitumstände des "pursuit of happiness". Das, wozu man früher "Entfremdung" gesagt hätte, bekommt genaue Konturen.

    "In Somerville war es inzwischen Frühling geworden. Innerhalb eines einzigen sonnigen Tages hatten sich, als gerade keiner hinsah, zottige Grasteppiche in voller Dichte auf allen sieben Hügeln breit gemacht und jede Grünfläche, jeder Verkehrsinsel erobert. Es war, als hätte jemand eine Schicht schreiend chlorophyllgrüner Abfälle über den Dreck gekippt, der den Boden der Stadt normalerweise bedeckte und um die Zeit, da die letzten Schneereste schmolzen, sein Maximum an Vielfalt und Substanz erreichte. Wie immer fanden sich verfaulte Blätter, Zigarettenstummel und Hundekot darin.

    Jetzt allerdings genügte ein gelegentlicher Spaziergang zur nächsten Straßenecke, um auf Kartonreste von Weichspülerpackungen zu stoßen, auf Ascheflocken, die gegen Glatteis verstreut worden waren, auf Tannennadeln und Lametta von Weihnachtsbäumen, auf einzelne Handschuhe, auf blauschimmernde Glaskrümel von eingeschlagenen Autofenstern, auf verklumpte Prospekte von Johnny’s Foodmaster oder dem Einkaufszentrum am Assembly Square, auf Kaugummibatzen von erstaunlicher Größe, auf Wegwerf-Weinkühler und Einwegflaschen von Cocktail-Fertigmischungen, auf graue, von unbeholfenen Sätzen mit nach links geneigten p’s und h’s überzogene Karopapiere, auf verrottete Papiertaschentücher, die an Frischkäse erinnerten, auf Zündholz-Reibflächen und zerkaute Zigarettenfilter und leere Gasfeuerzeuge, auf Essensreste, die den Weg leckender Abfälle zum Müllwagen nachzeichneten, auf Orangenschalen und Thunfischdosen und die Schraubverschlüsse von Ketchupflaschen, die eine schwindende Schneedecke sanft auf das Pflaster abgesetzt hatte."

    Dieser Autor genießt Beschreibungen, er kann sich auf sinnliche Weise den Dingen nähern, und er verfügt durchaus über eine sprachliche Bandbreite. Franzen entwickelt auch eine beträchtliche Schärfe, wenn es um die Darstellung gesellschaftlicher Zusammenhänge geht: Die Machenschaften des Chemiekonzerns, das Credo der Gewinnmaximierung sind in einer analytischen, geradezu materialistischen Konsequenz entwickelt, wie es sie im deutschen Sprachraum auch früher kaum gegeben hat.

    Sehr schön ist auch das Gespräch zwischen Louis und Renée über ihre Musiksozialisation, über die Erfahrungen mit Punk und New Wave - hier zeigt sich die amerikanische Fähigkeit, Dialoge schreiben zu können. Das Danebenstehen, wenn ein ursprünglich unmittelbarer Ausdruck zur Mode wird, wie eine zunächst nicht einzuordnende und ausscherende Musik Rituale entwickelt, Gruppencodes, wie eine aggressive Antihaltung sich in der Popindustrie allmählich doch als konsumfähig erweist - das ersetzt alle angestrengt-insiderischen Magazinbeiträge dazu. Merkwürdigerweise entkräftet Franzen solche Passagen aber dadurch, dass er in der Entfaltung des Plots immer noch eins draufsetzen will. Er vertraut nicht auf die Wirkung beeindruckender Beschreibungen und atmosphärischer Verdichtungen, sondern will zusätzlich Cinemascope-Effekte.

    "Schweres Beben" ist der zweite Roman Franzens, ein immer noch früher Versuch, man spürt den Zwang zum Plot auf fast jeder Seite. Gegen Schluss wird das immer offensichtlicher. Zum Beispiel gerät Renée wegen ihrer nüchtern-wissenschaftlichen Herangehensweise an die Erdbeben mit aggressiven Abtreibungsgegnern aneinander, diese sehen die Erdbeben als eine Strafe Gottes. Es bleibt nicht aus, dass Renée kurz darauf wirklich abtreiben muss, damit alle Handlungselemente auch ja zueinander passen. Das bringen die Mechanismen, denen sich Jonathan Franzen bewusst und zum Teil auch virtuos ausliefert, fast naturgemäß hervor.

    Und dann ist es natürlich so, dass Eileen, die Schwester der Hauptfigur Louis, mit dem Sohn eines großen Sweeting-Aldren-Bosses liiert ist, und es stellt sich heraus, dass dieser Mr. Stoorhuys natürlich der große Drahtzieher, der Bösewicht der ganzen Affäre ist. Am Ende ist das Firmengelände völlig kontaminiert, die Bosse setzen sich rechtzeitig ab, nicht ohne sich vorher immense Summen aus dem noch nicht beschlagnahmten Firmenvermögen gesichert zu haben. Doch die ganz großen Konflikte, die globalen Verwicklungen drücken sich in diesem Roman zu allererst im ganz Kleinen aus, in den überschaubaren amerikanischen Dad-and-Mom-Konstellationen.

    Die Familie Stoorhuys, die in der folgenden Szene durcheinanderspricht, besteht aus Peter, dem anklagenden Sohn, aus Janet, der sorgenvollen Mutter, und David, dem Manager-Vater:

    ""Peter: Bin ich eine gute Mutter gewesen? Bin ich dir eine gute Mutter gewesen?" -
    "Zwanzig Jahre", sagte Stoorhuys. "Zwanzig Jahre, und jetzt entschließt sie sich, mir Fragen zu stellen. Sie hätte mich vor einer Woche fragen können, vor einem Monat, vor einem Jahr. Zwanzig Jahre lang, jeden Tag! Jetzt hat sie kein Recht mehr, mir Fragen zu stellen. Und Peter hat kein Recht, mir das alles in die Schuhe zu schieben. Er ist nicht unparteiisch. Sie müssen sich vorstellen, wie es mit ihr ist. Ich höre, wie sie mit ihm telefoniert, ich höre, wie sie ihn nach seiner Arbeit fragt und ihm Ratschläge gibt und ihm sagt, was er tun soll. Aber nie ein Wort, niemals ein Wort über m e i n e Arbeit. Meine Arbeit, die die Grundlage von allem ist, was sie hat." - "Es war besser, nicht zu-" -

    Er wirbelte herum und schrie ihr ins Gesicht. "Nie ein Wort!" Sie hob die Hände und hielt sie zwei Fingerbreit vor ihre Ohren. "Nie ein Wort! Du hast deine Wahl getroffen, du hast dich für die Kinder entschieden, und jetzt bildest du dir ein, mir Fragen zu stellen? Mir die Schuld zu geben? Wer hat denn deiner Meinung nach von diesen zwanzig Jahren profitiert? Glaubst du etwa, ich? Glaubst du etwa, ich hätte kein einziges Opfer gebracht? Janet - und du, Peter, hörst mir auch zu! Janet, ich war dir ein besserer Ehemann, als du je wissen wirst. Als du je wissen wirst."

    Louis konnte sehen, dass dieser Mann, hätte er eine Waffe in der Hand gehabt, imstande gewesen wäre, die Frau, die vor ihm stand, zu erschießen. Jeder konnte das sehen."

    Das Problem ist nicht, dass das alles ziemlich geschickt gemacht ist. Das Problem ist, wie sich sämtliche realistisch-kritischen Handlungs-Ingredienzen in einer schalen Kunstwelt auflösen, ja, geradezu in einer Art Sitcom, und damit bleiben all die spannungschürenden Cliffhanger und Polit-Kapricen in der Luft hängen.

    Da erscheint es dann auch gar nicht mehr so verwunderlich, dass der Schluss in ein mildes Hollywood-Licht getaucht ist, mit allen möglichen Hochzeiten, doch noch Kinder-Kriegen und glamourösem Sonnenuntergang. Das ist eine Schwäche, die schon bei Franzens bisher bestem Buch "Die Korrekturen" auffiel. "Schweres Beben" bildet die Vorstufe dazu: reichlich Lesefutter, scharf gewürzte Kartoffelchips und Popcorn, aber kein großer Roman.

    Jonathan Franzen: Schweres Beben.
    Rowohlt Verlag