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Erster Weltkrieg
Briten streiten über Gedenkfeiern

BBC-Projekte, Theaterstücke und Ausstellungen - in Großbritannien wird mit unzähligen Aktionen an den Ersten Weltkrieg erinnert. Doch über die Art des Gedenkens ist ein innenpolitischer Streit entbrannt. Die Konservativen wollen den "Great War" feiern. Die Opposition hält das angesichts von einer dreiviertel Million Toten für geschmacklos.

Von Jochen Spengler | 28.01.2014
    Soldaten der französischen Armee im Ersten Weltkrieg (1914-1918) in einem Schützengraben.
    In den Grabenkämpfen des Ersten Weltkriegs starben Hunderttausende Soldaten, der Frontverlauf änderte sich dabei kaum. (picture-alliance/ dpa)
    Am Anfang stand die Ankündigung des Premierminister David Cameron, wie man staatlicherseits mit dem Kriegsbeginn vor 100 Jahren umzugehen gedenke:
    "Unser Ehrgeiz ist ein wahrhaft nationales Gedenken, das diesem historischen 100. Jahrestag gerecht wird."
    Allein damit jeweils zwei Schüler und ein Lehrer aus jeder staatlichen Schule die Schlachtfelder in Flandern besichtigen können, stellt die konservativ geführte Regierung mehr als sechs Millionen Euro bereit. Das Gedenken solle - so sagte Cameron - wie die Feiern zum Diamantenen Thronjubiläum der Königin etwas "über uns als Volk aussagen".
    Doch dieser Satz markierte den Beginn einer heftigen innenpolitischen Schlacht über die Deutungshoheit der Geschichte. Dass an den Great War massenhaft erinnert wird, ist nicht umstritten, wohl aber in welcher Weise mit welchem Unterton. Jeremy Paxmann, Fernsehautor einer Weltkriegsdokumentation, ereiferte sich über Cameron:
    "Er hat das mit den Feiern zum Thronjubiläum verglichen. Das hat den Leuten die Idee eingepflanzt, dass es etwas sei, was man feiern könne. Nur ein völliger Idiot würde solche eine Katastrophe feiern. Eine dreiviertel Million Männer sind nicht mehr in dieses Land zurückgekehrt."
    Rundumschlag gegen linke Meinungsmafia
    Eine Kritik, die Camerons Parteifreund und erzkonservativen Bildungsminister Michael Gove, auf den Plan rief. In der "Daily Mail" wetterte er im Rundumschlag gegen eine linke Meinungsmafia, die mit ihren Versionen der Vergangenheit Großbritanniens, seine Regierenden und Werte wie Patriotismus und Ehre herabsetze:
    "Viele betrachten den Konflikt durch das fiktionale Prisma solcher Dramen wie 'Oh! What a lovely war" und 'Blackadder' als scheußliches Durcheinander, als eine Aneinanderreihung katastrophaler Fehler begangen von einer abgehobenen Elite. Bis heute freuen sich linke Akademiker, solche Mythen zu bedienen."
    Die britische Fernsehsatire "Blackadder" mit Hauptdarsteller Rowan Atkinson hatte in den 80er-Jahren - offenbar sehr zum Ärger des jungen Michael Gove - den Wahnsinn des Schützengrabenkrieges mit Sätzen wie diesen aufgespießt:
    "Gentlemen, ein langes Warten ist nun fast zu Ende. Morgen lädt sie General - insanity Melchett - zum Massenabschlachten ein."
    "Wir hocken hier seit Weihnachten 1914 und in dieser Zeit sind Millionen Männer gefallen, während wir nicht mehr Fortschritte gemacht haben als eine asthmakranke Ameise mit schweren Einkaufstüten."
    Entschlossen die westliche Freiheitsordnung verteidigen
    Solch kriegskritischer Relativismus ist Michael Gove zuwider. Der Krieg sei sehr wohl gerecht gewesen, meint der Bildungsminister; und die Kriegsschuld liege klar bei den Deutschen. Auf dem Kieker hat Gove besonders einen Historiker. Professor Evans hatte den Minister im letzten Jahr dafür kritisiert, dass sich seine neuen Schul-Geschichtslehrpläne auf Britanniens Glorie konzentrieren zulasten der Entwicklungen auf dem Kontinent:
    "Professor Sir Richard Evans, der Cambridge-Historiker, hat jene, die gefochten haben, kritisiert als Männer, die irrtümlich glaubten, sie kämpften für die Zivilisation, für eine bessere Welt und die Freiheit."
    In diesem Zitat, so lautet das Urteil des gelernten Journalisten Gove über den Geschichtsprofessor, sei die Haltung eines zynischen Studienanfängers erkennbar. Denn:
    "Historiker haben nachgewiesen, dass jene, die kämpften, keine Tölpel waren, sondern fest an König und Vaterland geglaubt haben - entschlossen die westliche Freiheitsordnung zu verteidigen."
    Inzwischen kursieren Spottvideos über den besserwissenden Minister im Internet. Und auch Professor Richard Evans gibt nicht klein bei im britischen Historikerstreit:
    "Es ist viel zu simpel und sehr falsch den Ersten Weltkrieg zu betrachten als einen Kampf um Demokratie und liberale westliche Werte, wie es Herr Gove meint. Wir sollten uns erinnern, dass Großbritanniens Hauptverbündeter Russland war, eine Diktatur geführt vom Zaren, verantwortlich für Massaker an Juden und der Opposition, und wir sollten uns erinnern, dass Großbritannien selbst keine Demokratie war. 40 Prozent der erwachsenen Männer durften nicht wählen, darunter wahrscheinlich die meisten der Truppen, die an der Westfront kämpften. "