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Erster Weltkrieg
Gauck gedenkt der kanadischen Opfer

Mehrere Hunderttausend Kanadier haben im Ersten Weltkrieg gekämpft, zehntausende sind gefallen. Bundespräsident Joachim Gauck hat in Ottawa an diese Toten erinnert. Anders als beim Weltkriegsgedenken in Danzig hielt er sich mit Kritik an Russland zurück.

Von Thielko Grieß | 26.09.2014
    Bundespräsident Joachim Gauck spricht im Canadian War Museum in Ottawa in Kanada.
    Bundespräsident Joachim Gauck spricht im Canadian War Museum in Ottawa in Kanada. (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
    Eine Groteske für Violine und Klavier - Rudi Stephan, deutscher Musiker, hat sie im zweiten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts komponiert. Er fiel im Ersten Weltkrieg.
    "In meinem Land war zu diesem Zeitpunkt ein Großmachtdenken verbreitet, das den Blick für die Realitäten trübte und die Bereitschaft zu gegenseitigem Vertrauen und zu einem friedlichen Ausgleich verstellte."
    Joachim Gauck gedenkt der kanadischen Opfer des Ersten Weltkriegs - es ist ein Gedenken, das sich von den schon gewesenen Zeremonien in Europa unterscheidet. In Ottawa sind die Erinnerungsorte keine Schlachtfelder, keine zerstörten Städte - hier ist das Gedenken museal verankert, Gauck steht im Kanadischen Kriegsmuseum am Pult.
    "Da ist die kanadische Erfahrung bemerkenswert. Ihr Land hatte 1914 acht Millionen Einwohner - und 620.000 von diesen acht Millionen nahmen an dem Krieg teil."
    Von denen etwa jeder zehnte starb, weit mehr kehrten verwundet nach Kanada zurück, das an der Seite Großbritanniens den Krieg erklärt hatte. Während in Europa die Erinnerung vorrangig die des Sterbens ist, katapultierte der Weltkrieg Kanada in seinem Bestreben, selbstständig zu werden, weit nach vorn.
    "Zwar sagt schon sein Name, dass dieser Krieg weltweit gefochten wurde und weltweite Konsequenzen hatte. Aber welche Länder jenseits des Atlantiks und mit welchen Motiven und mit welchen Verlusten involviert waren, gehört leider nicht zur selbstverständlichen Allgemeinbildung in Deutschland."
    Das Wort Russland fällt nicht
    Vor seiner Rede hatte der Bundespräsident einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten niedergelegt und sich Bilder zeigen lassen, die der kanadische Maler Alexander Young Johnson und der Deutsche Otto Dix, beide Freiwillige an der Front, hinterlassen haben.
    "Horizonte in Flammen, verwüstete Landstriche, ein Bettler mit Armstümpfen und zerfurchtem Gesicht: Solche Bilder lassen uns noch hundert Jahre später in die Seelen einer traumatisierten Generation blicken."
    Vom Trauma der Vergangenheit schlägt Gauck den Bogen zur Gegenwart - in der stabil geglaubte Friedensordnungen erschüttert werden - wenngleich wiederum von Ottawa weit entfernt:
    "Sogar in Europa, das müssen wir leider erkennen, ist diese Ordnung mancherorts brüchiger als wir geahnt haben, weil die Grundprinzipien, die diese Ordnung tragen, von manchen infrage gestellt werden."
    Das Stichwort Russland schwingt mit, aber Gauck nennt es nicht - führt den Gedanken kaum weiter. Dies ist keine Rede, die die Anklage von Danzig Anfang des Monats noch einmal verschärfen soll.
    "In einer Welt von Unordnung sind wirtschaftlich und politisch stabile Staaten wie Kanada und Deutschland neu gefragt."
    Da scheint sie kurz durch, die Aufforderung Gaucks an die Bundesrepublik, außenpolitisch präsenter zu werden. Doch Ottawa ist für ihn kein Ort, diese Debatte zu erneuern.