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Erweiterungsbau für Bundeskanzleramt
Ein Band über die Spree

Helikopter-Landeplatz, Kanzleramts-Kita und vor allem mehr Arbeitsplätze: Das Bundeskanzleramt muss dringend größer werden. Derzeit sind zahlreiche Büros doppelt belegt. Der geplante Erweiterungsbau ist ein Kompromiss aus Bürgernähe und Sicherheit, begrünt mit wildem Wein.

Von Christiane Habermalz | 15.01.2019
    Helge Braun + Charlotte Frank + Petra Wesseler + Axel Schultes Das Bundeskanzleramt wird erweitert. Im Kanzlerpark erhält das Band des Bundes im Westen seinen städtbaulichen Abschluss. Der Erweiterungsbau deckt den zusätzlichen Bedarf von 400 Büroräumen. Der Baubeginn ist für das Jahr 2023 geplant und soll bis 2027 fertiggestellt werden. Der Entwurf stammt vom Architektenduo Axel Schultess und Charlotte Frank, welche auch das Kanzleramt entworfen hatten. *** Helge Braun Charlotte Frank Petra Wesseler Axel Schultes The Federal Chancellery is being expanded In the Kanzlerpark, the federal governments belt in the west is receiving its urban completion The extension covers the additional requirements of 400 offices The start of construction is planned for 2023 and is to be completed by 2027 The design is by the architect duo Axel Schul
    Das Bundeskanzleramt soll mit dem Erweiterungsbau den zusätzlichen Bedarf von 400 Büroräumen abdecken. (imago/Mike Schmidt )
    Am Anfang stand die Raumnot. Das Bundeskanzleramt, einst ausgelegt für 460 Büroarbeitsplätze, platzt inzwischen aus allen Nähten. Die Zahl der Mitarbeiter hat sich seit 2001, dem Jahr seiner Fertigstellung, fast verdoppelt. Manche Büros wurden schon doppelt belegt, 200 Beschäftigte an andere Standorte ausgelagert, neue Aufgaben und Mitarbeiter sind dazugekommen, erläutert Kanzleramtschef Helge Braun.
    "Wir haben vom Deutschen Bundestag im Rahmen der Strukturveränderungen noch in dieser Legislaturperiode einige Stellen die wir zusätzlich bekommen haben, die wir jetzt noch besetzen werden und so hat sich die Anforderung ergeben, dass wir einen Erweiterungsneubau für 400 weitere Büroarbeitsplätze benötigen."
    Kanzlergarten und Grünflächen bleiben erhalten
    Zusätzliche Büros, Kanzleramtskita, eine Kantine und einen erhöhten Helikopter-Landeplatz soll der Erweiterungsbau beinhalten. Kosten: Rund 460 Millionen Euro. Der Entwurf stammt, wie auch das Kanzleramt selbst, von dem Berliner Architektenduo Axel Schultes und Charlotte Frank. Der ein- bis zweigeschossige, bogenförmige Bau soll das sogenannte "Band des Bundes" nach Westen hin städtebaulich abschließen. Mit Kanzleramt, Paul-Löbe- und dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus schufen sie einen Bebauungsriegel, der, symbolhaft für die deutsche Wiedervereinigung, sich vom früheren West- in den Ostteil der Stadt quer über die Spree erstreckte. Jetzt endet das "Band des Bundes" im Kanzlerpark auf dem jenseitigen Spreeufer, den die Kanzleramtsmitarbeiter über eine luftige Fußgängerbrücke über den Fluss erreichen können. An seinem äußeren Rand soll nun der Erweiterungsbau entstehen. Dazwischen bleiben Kanzlergarten und Grünflächen erhalten – die beiden Gebäudeteile werden über eine zweite Fußgängerbrücke miteinander verbunden. Eine Einhausung der Brücken ist nicht geplant, erläutert Architekt Axel Schultes.
    "Das heißt man wird jetzt offensichtlich in Kauf nehmen, dass dieser ja auch nicht überbordende Verkehr der Mitarbeiter untereinander, dass der dann eben auch mal mit Mäntelchen und Schirm da von statten geht."
    Kanzleramt zum Anfassen
    Ein Kanzleramts-Campus also – warum nicht? Frische Luft hat noch nie beim Regieren geschadet. Die Anforderungen an den prominenten Erweiterungsbau waren komplex. Der öffentliche Weg am Spreeufer soll ebenso erhalten bleiben wie die Zugänglichkeit der öffentlichen Grünanlage in direkter Nachbarschaft zum Kanzlerpark. Das Ergebnis ist ein Kompromiss zwischen Bürgernähe und Sicherheit: Ein an der Grundstücksgrenze fast festungsähnlich abgeschlossener Bau, fensterlos im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss – dafür nach innen zum Kanzlergarten hin viel Tageslicht durch gläserne Wintergärten und Umläufe. Auf Zäune und Mauern zum öffentlichen Raum hin wurde weitestgehend verzichtet, ein Kanzleramt im wahrsten Sinne des Wortes zum Anfassen. Der Festungscharakter der Außenfassade soll durch wilden Wein aufgelockert werden - "weggegrünt", wie Schultes es nennt.
    "Sie sehen es ja auch im Modell, das ist Teil der Planung. Also wir denken nicht nachher, oh Gott die Fassade ist ja schrecklich daneben gegangen, da machen wir schnelle noch Grün drauf, sondern das Grün ist integrierter Teil, um diese relativ große Baumasse, die da im Grünen ja liegt, eben auch berlintauglich zu machen."
    Provisorische Straße als triste Dauerlösung
    Berlintauglich – das war schon immer die die große Herausforderung. Denn die Bebauung des Spreebogens durch das neue Regierungsviertel stand von Anfang an in der Kritik der Berliner. Zu groß und zu protzig sei das Kanzleramt, so der Vorwurf, im Berliner Volksmund als "Waschmaschine" verspottet. Heute, stellt Schultes nicht ohne Genugtuung fest, nimmt sich seine Waschmaschine vergleichsweise filigran aus neben der Glasturmbebauung durch den Hauptbahnhof und seinen Vorplatz. Die Hauptstadt ist in den letzten zwanzig Jahren ganz von selber größer und protziger geworden. Da ist es um so bedauerlicher, dass das Herzstück des "Band des Bundes", das von Schultes und Frank geplante Bürgerforum zwischen Kanzleramt und Paul-Löbe-Haus, nie gebaut wurde. Hier sollte ein belebter Platz entstehen, die Politiker mit den Menschen in Kontakt treten. Stattdessen wurde eine provisorische Straße gebaut, die nun zur tristen Dauerlösung werden soll. Einen "städtebaulichen Tiefpunkt" nannte das der frühere Berliner Baudirektor Hans Stimmann vor kurzem. Auch dit is Berlin.