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Erzähler deutsch-jüdischer Geschichte

Der israelische Autor Amos Elon ist tot. Dies meldet heute die israelische Zeitung "Haaretz". 1925 in Wien geboren, war Elon im Alter von acht Jahren mit seiner Familie nach Palästina emigriert. In den 50ern begann er seine journalistische Laufbahn bei "Haaretz". Früh setzte sich Amos Elon für die Gründung eines Palästinenserstaates ein. Enttäuscht über die politische Stagnation verließ er 2004 Israel und zog nach Italien, wo er jetzt im Alter von 84 Jahren einem Krebsleiden erlag.

Von Joseph Croitoru |
    Amos Elon war unbestritten einer der letzten großen Intellektuellen Israels. Nicht nur deshalb, weil er sich als Journalist, Buchautor und Gesellschaftskritiker bis zuletzt der europäischen und auch deutschen Kulturtradition verbunden fühlte - bei einem Israeli längst keine Selbstverständlichkeit. Der 1926 in Wien geborene und als Kind mit seinen Eltern nach Palästina ausgewanderte Elon war nicht nur umfassend gebildet, er besaß vor allem die Gabe, bedenkliche gesellschaftspolitische Entwicklungen, die andere in seinem Umfeld lieber verdrängten, frühzeitig zu erkennen und sichtbar zu machen.

    So war es kein Zufall, dass er schon als junger Mann von dem deutsch-jüdischen Verleger Zalman Schocken entdeckt wurde. Der Deutsche hatte den kritischen Journalismus des väterlichen Berliner Verlagshauses Schocken vor den Nationalsozialisten nach Palästina gerettet und dort die Tageszeitung "Haaretz" erworben. Für sie berichtete Amos Elon bereits in den fünfziger Jahren und scheute sich nicht, dabei ein Tabu nach dem anderen zu brechen.

    Das zionistisch-patriotische Pathos der Gründerzeit Israels stellte er durch Reportagen in Frage, die die entstehenden Risse in der israelischen Einwanderergesellschaft schon damals deutlich aufzeigten - etwa den Konflikt zwischen europäischen und orientalischen Juden, der erst viel später in aller Heftigkeit ausbrach. Genauso früh erkannte Elon die Gefahr, die die Eroberung arabischer Gebiete im Sechstagekrieg von 1967 in sich barg: Die immer härtere Unterdrückung der Palästinenser durch einen zunehmend militarisierten Besatzerstaat, dessen humanistische Leitsätze darunter langfristig würden leiden müssen. Dieses Phänomen beleuchtete er in seinem Standardwerk "Die Israelis" 1971 ebenso kritisch wie einige Jahre zuvor seine Erfahrungen als erster israelischer Berichterstatter in der Bundesrepublik der 60er-Jahre. Sein 1966 veröffentlichtes Buch "In einem heimgesuchten Land" war damals eine Sensation und eines der ersten Werke über die deutsche Teilung.

    Elons Kenntnis der deutschen Geschichte schärfte denn auch seinen Blick auf die zionistische Tradition. Als er 1975 in einer glänzenden Biographie Theodor Herzl, den Gründungsvater des Zionismus, als deutschen Nationalisten bezeichnete, löste dies in Israel einen Skandal aus. Von da an vertrug sich Elons kritischer Ton immer weniger mit dem zunehmenden Rechtsruck in Israel.

    Als er 2004 Jerusalem endgültig den Rücken kehrte und sich in einem Dorf in der Toskana niederließ, war Israel aus seiner Sicht nur noch ein "faschistoider Staat". In der toskanischen Abgeschiedenheit wurde die deutsch-jüdische Geschichte zu seinem geistigen Refugium. Dort entstand sein letztes Meisterwerk - eine intellektuelle Geschichte der deutschen Juden von der Aufklärung bis 1933, die vehement der These von einem angeblich Jahrhunderte währenden Antisemitismus der Deutschen widerspricht.