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"Es fehlt das Geld an den richtigen Stellen"

Statt in einen Päckchendienst in den USA sollte die Deutsche Bahn lieber in Weichenheizungen und in die Verbesserung der Infrastruktur investieren sollen, sagt Michael Ziesak, Vorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland.

Michael Ziesak im Gespräch mit Georg Ehring | 11.01.2011
    Georg Ehring: Es war nicht nur das Wetter, es steckt mehr hinter den massiven Zugausfällen und Verspätungen der Bahn in den vergangenen Wochen. Bahnchef Rüdiger Grube räumte gestern vor den Verkehrsministern von Bund und Ländern einen großen Investitionsstau ein. Auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer sprach von fehlendem Geld für die Instandhaltung des Schienennetzes. Solche Probleme hat der Verkehrsclub Deutschland (VCD) schon lange beklagt. Telefonisch verbunden bin ich jetzt mit seinem Vorsitzenden, Michael Ziesak. Guten Tag, Herr Ziesak.

    Michael Ziesak: Guten Tag, Herr Ehring.

    Ehring: Herr Ziesak, rechnen Sie denn nach dem Bahngipfel in Berlin damit, dass die Probleme angegangen werden?

    Ziesak: Ich habe bisher sehr viele Entschuldigungen von Herrn Grube gehört und sehr viel Meckern von Herrn Ramsauer. Ich habe aber bisher noch keine Taten gesehen, und nach zwei Jahren Entschuldigungen und nach zwei Jahren "wir müssen mehr tun" erwarte ich dieses Jahr Handeln und das muss jetzt kommen. Bisher sehe ich die Zeichen noch nicht. Ich hoffe, die Warnschüsse, die jetzt auch aus den Ländern gekommen sind, bewirken aber ein Aufweckungserlebnis bei Herrn Grube.

    Ehring: 500 Millionen Euro zahlt die Bahn an Dividende an den Bund. Ist denn sowohl für die Dividende als auch für die Investitionen genug Geld da?

    Ziesak: Eigentlich ist genug Geld da, und zwar wenn man sich anschaut, wie viele Milliarden Euro der Konzern in den letzten Jahren hier an Gewinn gemacht hat, wenn man schaut, was es alles an Auslandsinvestitionen gegeben hat, fragt man sich als Steuerzahler schon, warum soll ein Unternehmen, was so viel Gewinn macht, nicht auch eine Dividende zahlen. Wäre es zur Bahnprivatisierung gekommen, müsste ja der Konzern auch Dividende zahlen und heute würde darüber keiner reden. Aber in der Tat: Es fehlt das Geld an den richtigen Stellen. Hier sind einfach falsche Prioritätensetzungen in den vergangenen Jahren gewesen, sowohl von Seiten der Deutschen Bahn AG als auch von Seiten der Politik. Wenn beispielsweise Gewinne aus DB Netz, die ja hauptsächlich vom Staat finanziert werden, dann investiert werden, um beispielsweise Konkurrenten in Großbritannien aufzukaufen, dann haben wir da schon manchmal Zweifel.

    Ehring: Das heißt, es sind aus Ihrer Sicht nicht die Dividende, sondern Aufkäufe im Ausland zum Beispiel, die die notwendigen Investitionen verhindern?

    Ziesak: Es sind falsche Prioritätensetzungen gewesen. Man braucht keinen Päckchendienst in den USA, um einen Betrieb in Deutschland hinzubekommen, man muss nicht größter Seeschifffahrtslogistiker sein, sondern man hätte hier einfach investieren müssen in Weichenheizungen, in die Verbesserung der Infrastrukturen und eine frühzeitige Investition in Schienenfahrzeuge. Der Interregio wurde Anfang der 2000er-Jahre abgeschafft, weil man sagte, dass diese Fahrzeuge zu alt geworden sind. Wenn man heute mit den ICE-Ersatzzügen fährt, findet man immer noch seine alten Interregio-Wagen, die schon vor zehn Jahren eigentlich nicht mehr Stand der Technik gewesen sind, und da fragt man sich, warum ist da nicht schon früher anders investiert worden. Ja, das lag am Bahnbörsengang, es lag aber auch am fehlenden Interesse, das System Schiene einfach wirklich fit zu machen. Und wir erwarten, dass da jetzt die Weichen anders gestellt werden.

    Ehring: Was wäre denn aus Ihrer Sicht die dringlichste Investition?

    Ziesak: Die dringlichste Investition ist: Wir brauchen mehr Geld für den Erhalt und die Modernisierung der Schienen-Infrastruktur. Hier ist auch der Bund gefordert. Aber natürlich muss auch in neue Fahrzeuge investiert werden. Aber das ist zunächst erst mal Aufgabe des Eisenbahnverkehrsunternehmens. Man kann dadurch neue Anreize schaffen, indem man mehr auf den Wettbewerb hofft. Im Nahverkehr hat das in einigen Ländern sehr gut funktioniert, dass man durch Ausschreibungen da besseren Service, bessere Fahrzeuge, bessere Qualität bekommen hat. Vielleicht ist das auch im Fernverkehr vonnöten, dass wir da mehr Wettbewerb bekommen.

    Ehring: Das heißt, Sie setzen auch auf Konkurrenz anderer Unternehmen, die ja bisher nur ganz vereinzelt im Fernverkehr tätig sind?

    Ziesak: Ja, die sehr vereinzelt unterwegs sind, und ich erwarte da auch keine Wunder. Natürlich wird der Wettbewerb da das Geschäft beleben, gerade auf den Rosinenstrecken, weniger auf den Zitronenstrecken, aber natürlich ist die Politik trotzdem gefordert. Schließlich ist die Deutsche Bahn AG bisher noch ein 100-Prozent-Unternehmen des Staates und ich wünschte mir, dass der Aufsichtsrat und seine Vertreter nicht nur die ganze Zeit in den Medien meckern, sondern auch endlich tätig werden und dafür sorgen, dass die Gelder, die im Konzern erwirtschaftet werden, dann auch an den richtigen Stellen zukünftig ausgegeben werden.

    Ehring: Herzlichen Dank! - Das war Michael Ziesak, der Vorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland, zu den Problemen der Bahn.