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"Es fehlt der politische Wille"

Internet.- Dass hochschulstart.de einfach nicht in die Gänge kommen will, liegt auch daran, dass wichtige Computersysteme nicht kompatibel sind, eine Zusammenarbeit also nur schwer möglich ist. Computerjournalist Peter Welchering erläutert im Interview mit Manfred Kloiber die Details.

21.01.2012
    Manfred Kloiber: Peter Welchering, gab es denn im Bundestagsausschuss am Mittwoch eine Perspektive, wie hochschulstart.de doch noch zu retten ist und an an den Start gehen kann?

    Peter Welchering: Nein, im Bundestagsausschuss gab es eine solche Perspektive überhaupt nicht. Da ist im Gegenteil sehr viel Porzellan zerschlagen worden. Es gab gegenseitige Schuldzuweisungen. Die Perspektive fand dann eigentlich erst nach der Sitzung statt. In der Sitzung musste sogar Sven Gutkow, der stellvertretende Unternehmensbereichsleiter bei der HIS GmbH, als er gefragt wurde, wie es denn jetzt weitergehen könnte, einräumen, dass sich eben nun einmal dummerweise das Zentralsystem, also dieses dialogorientierte Serviceverfahren, einfach nicht mit den HIS-Verfahren koppeln lässt, das sei eben so. Es gibt aber andere Campussysteme, wie das der Hamburger Datenlotsen, die arbeiten recht unproblematisch mit dem Zentralsystem zusammen, aber das Problem liegt einfach darin: Die Mehrheit der Hochschulen – und das sind ungefähr 200 – haben eben ein HIS-System und das teilweise schon seit 30 Jahren.

    Kloiber: Wenn man das Problem kennt: Läge es da nicht nahe, dass diese 200 HIS-Kunden einfach auf ein anderes Campussystem umsteigen?

    Welchering: Ja, das läge sehr nahe und das denkt man natürlich auch sofort. Aber da sprechen mehrere Gründe dagegen. Zum einen ein technischer Grund: diese Campussysteme, die diese Universitäten von der HIS GmbH bekommen haben, sind eben doch schon teilweise recht alt, teilweise 30 Jahre. Und über diese 30 Jahre sind sehr viele individuelle Entwicklungen dazugekommen, was Vorlesungsverwaltung, was Prüfungsverwaltung angeht. Und dieses Individuellen Systeme kann man nicht einfach auf eine neues System portieren. Die müsste man dann sozusagen nachentwickeln. Und das würde natürlich einen unglaublichen Aufwand bedeuten. Und der zweite Grund: Es fehlt teilweise auch für die Umstellung schlicht das Geld. Der BUND hat zwar sehr viel Geld da hineingesteckt, aber für die Unstellung müssten die Universitäten dann eben auch eigenmittel aufbringen. Und die fehlen eben. Und der dritte Grund: Die HIS-GmbH gehört nun einmal zu einem Drittel dem Bund und zu zwei Dritteln den Bundesländern, ist also, wenn man so will, ein staatseigenes Unternehmen. Und da verbietet sich eigentlich, das hat die Diskussion ergeben, so ein Systemwechsel schon aus Gründen der Staatsräson.

    Kloiber: Wenn nun aber die HIS-Campussysteme nicht mit dem Zentralsystem zusammenarbeiten, lässt sich dann nicht einfach zwischen diesen beiden Systemen so ein Stück schlaue Software dazwischen schalten, die dann zwischen Campussystem und Zentralsystem mehr oder weniger diplomatisch vermittelt?

    Welchering: Ja, das ist versucht worden. Und diese diplomatische Vermittlungssoftware heißt Connector. Und die sogenannten Connectoren sind eben von verschiedenen Herstellern entwickelt worden. Aber auch da ist die HIS GmbH gleich mehrfach gescheitert. Es gibt allerdings insofern ein Lichtblick am Ende des Tunnels: Es gibt nämlich einen Connector der Hamburger Datenlotsen. Und mit dem kann auch die HIS-Software an das Zentralsystem angebunden werden. Das ist übrigens am Mittwoch auch noch einmal im Bundestagsausschuss diskutiert worden. Aber die Länder können sich jetzt dummerweise eben gerade nicht darauf verständigen, diesen Connector der Datenlotsen, der das Problem lösen würde, als verbindliches System zu beschließen und damit dann eben auch die Auslieferung zu verabschieden. Und damit könnte natürlich hochschulstart.de noch kurzfristig angeschoben werden. Wie gesagt: Es fehlt der politische Wille.

    Kloiber: Gibt es einen Grund dafür, warum dieser Wille nicht da ist oder keine Einigung zustande kommt?

    Welchering: Teilweise weil die gegenseitigen Schuldzuweisungen noch weiter diskutiert werden und man erst einmal einen Sündenbock sucht, teilweise auch, weil die Länder mehr Geld vom Bund verlangen und der Bund dieses Geld nicht bereitstellen will. Und dann gibt es natürlich auch noch einige Partikularinteressen: Einige Universitäten möchten einfach noch ihr ganz eigenes System noch weiterpflegen.

    Kloiber: Das hört sich nach einer ziemlich verzwickten Situation an, die wahrscheinlich sehr schwer zu lösen ist. Wie wird es weitergehen mit hochschulstart.de?

    Welchering: Also die Politik hat nun entschieden – und da hat sie sowohl die Unterstützung der HIS GmbH als auch der anderen Beteiligten –, dass zum kommenden Wintersemester, also 2012/2013 jetzt ein Pilotprojekt aufgelegt wird. Allerdings: An diesem Pilotprojekt können gerade einmal 40 Hochschulen teilnehmen. Und das sind Hochschulen, die überwiegend eben das Campussystem der Hamburger Datenlotsen einsetzen. Der Vorteil dabei, der Vorteil dieses Projektes ist nun: Das Zentralsystem kann endlich einmal zum Laufen gebracht werden. Denn im Augenblick weiß man ja überhaupt noch nicht, wie sich dieses dialogorientierte Serviceverfahren überhaupt verhält. Das ist ja noch gar nicht so richtig unter Praxisbedingungen getestet worden. Denn man muss ja sehen: Diese Software lag ja tatsächlich weit über ein Jahr jetzt einfach so herum – und das macht Software ja im Allgemeinen auch nicht besser. Da kann man auch noch einige Fehler erwarten, die dann auch noch bei diesem Zentralsystem vermutlich ausgemerzt werden müssen. Für die 200 HIS-Kunden muss jetzt eine Lösung her, die müssten angeschlossen werden. Naheliegend wäre die Lösung, dass das über einen Connector passiert. Das aber ist im Augenblick politisch wohl nicht so gangbar. Das geht eben nur, wenn dann das Staatsunternehmen HIS von seinem hohen Ross herunterkommt und sich dann auch die Politik mit HIS einigt. Aber im Augenblick sieht das eben dummerweise genau danach nicht aus.