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Es geht "um das Recht der Kinder auf die bestmöglichen Eltern"

Die sexuelle Präferenz der potenziellen Eltern sei nicht der entscheidende Faktor bei einer Adoption, sagt Alexander Vogt, Chef des Lesben- und Schwulenverbands in der Union. Er hoffe, dass in Zukunft die gemeinschaftliche Adoption für homosexuelle Paare erlaubt werde.

Alexander Vogt im Gespräch mit Christine Heuer | 18.12.2012
    Christine Heuer: Wenn ein Partner ein Adoptivkind in eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft mitbringt, dann darf der andere Partner dieses Kind nicht adoptieren. In Ehen zwischen Mann und Frau ist das anders: Dort ist die sogenannte Sukzessiv-Adoption selbstverständlich. Das wollen homosexuelle Partner auch für sich und ihr Leben durchsetzen, und sie haben deshalb vor verschiedenen Gerichten geklagt. Heute verhandelt das Bundesverfassungsgericht über das Thema und wir sprechen mit Alexander Vogt, dem Vorsitzenden der Schwulen und Lesben in der Union. Guten Tag, Herr Vogt.

    Alexander Vogt: Guten Tag!

    Heuer: Worauf hoffen Sie denn, wenn die Karlsruher Richter in einigen Monaten urteilen?

    Vogt: Ganz klar auf zwei Dinge: Zunächst mal natürlich, dass das Urteil heute im Sinne der Kinder gefällt wird, nämlich dass auch das zweite Elternteil das Kind adoptieren kann. Es geht ja um zwei Präzedenzfälle von einem Lesbenpaar aus Münster und einem schwulen Paar aus Hamburg - die Fälle werden, glaube ich, heute verhandelt -, und im Nachgang natürlich dann auch, dass die gemeinschaftliche Adoption in Zukunft erlaubt werden wird, denn dann besteht eigentlich kein Grund mehr, wenn zwei Partner gemeinsam im Rahmen der Sukzessiv-Adoption ein Kind beide adoptiert haben, dass das nicht auch von vornherein möglich ist, dass sie gemeinsam ein Kind adoptieren.

    Heuer: Das hoffen Sie. Glauben Sie, es kommt so?

    Vogt: Nicht sofort natürlich, nicht heute. Heute wird erst der eine Fall verhandelt. Das geht dann natürlich weiter. Ich denke, da wird es dann auch in Zukunft weitere Rechtsschritte geben, so wie ich unseren Staat kenne. Aber da bin ich ganz zuversichtlich, dass das passieren wird.

    Heuer: Sind Sie eigentlich selbst betroffen? Könnte das Urteil Einfluss auf Ihr persönliches Leben haben?

    Vogt: Nein, ich persönlich bin nicht betroffen. Ich habe aber in meinem Freundes- und Bekanntenkreis und natürlich auch in der LSU viele Fälle von Schwulen und Lesben mit Kindern und ich kann Ihnen auch versichern, dass es den Kindern allen ziemlich gut geht.

    Heuer: Wenn die Sukzessiv-Adoption erlaubt werden sollte und dann – Sie haben das ja gerade ausgeführt – vielleicht auch die gemeinschaftliche Adoption, und wenn das alles so gut ist, wie Sie es finden, wieso beschließt Ihre Partei derlei Dinge dann nie?

    Vogt: Na ja, gut. Sagen wir mal so: Hier geht es ja nicht um die Rechte von Schwulen und Lesben, hier geht es um die Rechte von Dritten, nämlich der Kinder. Und da haben viele Leute natürlich erst mal vom Bauchgefühl her Schwierigkeiten damit. Da sind viele Vorbehalte, die wir versuchen, mit Argumenten zu entkräften. Ich sage dann immer, setzt wirklich mal die Brille der Kinder auf. Es geht nicht um die Rechte der Schwulen und Lesben darauf, ein Kind zu adoptieren, sondern um das Recht der Kinder auf die bestmöglichen Eltern, und ich sage immer wieder, das kann eben im Einzelfall auch durchaus mal das Schwulen- oder Lesbenpaar sein. Die sexuelle Präferenz ist hier wirklich nicht der entscheidende Faktor. Ich kann Ihnen auch sagen, ich habe viele Freunde, die eigene Kinder oder auch adoptierte Kinder haben. Jedes dieser Kinder – und das kann ich Ihnen versichern – wird geliebt und ist gewollt. Das kann man in diesem Staat mit Sicherheit nicht von jedem Kind sagen. Und diese Freunde von mir, die bemühen sich alle auch sehr, dass diese Kinder im engsten Familienkreis mit männlichen und weiblichen Bezugspersonen aufwachsen. Also dieses Argument, was da immer wieder gebracht wird, das lasse ich einfach nicht gelten, dass da was fehlen würde.

    Heuer: Herr Vogt! Aber wenn das so ist - und Sie reden ja mit Ihren Parteikollegen -, wieso können Sie die nicht davon überzeugen, warum hören die nicht auf Sie?

    Vogt: Es ist ein schwieriger Prozess. Ich sage ja, das ist ein Bauchgefühl, da spielen Emotionen eine ganz große Rolle und dann wir die Tür auch erst einmal zugemacht. Viele wollen da nicht drüber reden. Wir haben das ja auch bei der steuerlichen Gleichstellung jahrelang so erlebt und da scheint jetzt ja erst der Damm gebrochen zu sein seit dem letzten Parteitag und seit dem Sommer, wo die sogenannten wilden 13 ja endlich diesen Vorstoß gewagt haben. Es braucht halt alles etwas länger. Ich zitiere ganz gerne diesen Satz: Konservativ heißt, den Wandel erträglich zu gestalten. Ich will die Partei ja mitnehmen. Wenn ich es gegen die Partei durchsetzen will, dann trete ich in eine andere Partei ein, dann haue ich von außen drauf. Aber ich will versuchen, die Leute zu überzeugen. Das ist manchmal sehr schwierig und sehr langwierig, aber es geht! Es geht, es braucht nur etwas länger.

    Heuer: Herr Vogt, die steuerliche Gleichstellung, die haben Sie gerade erwähnt, die wurde beim Parteitag ja beraten und dann auch abgestimmt. Aber Sie haben da keine Mehrheit bekommen. Gelingt es Ihnen, die Partei mitzunehmen, die CDU?

    Vogt: Sie müssen die Entwicklung sehen. Ich habe das in einem anderen Interview mal gesagt: Vor fünf Jahren hätten wir auf einem Parteitag, wenn es zu einer Abstimmung gekommen wäre, vielleicht zwei Prozent bekommen. Und quasi aus dem Stand 40 Prozent und das gegen die Vorgabe der Parteiführung, das ist durchaus ein Erfolg, auch wenn wir uns natürlich gewünscht hätten, dass wir gewonnen hätten. Aber andererseits muss man die Dinge auch mal positiv sehen. Das hat uns auch Ansporn gegeben, jetzt weiterzumachen. Viele der Delegierten haben die Argumente vor Ort zum ersten Mal gehört, die haben bei dem Thema immer zugemacht, und jetzt saßen sie da eineinhalb Stunden und mussten sich die Argumente von vorne bis hinten anhören. Lassen Sie das mal ein halbes Jahr arbeiten. Und selbst wenn das Verfassungsgericht bis dahin entschieden haben wird für die steuerliche Gleichstellung, was zu erwarten ist, dann habe ich viele Leute doch bis dahin sicherlich im Kopf mitgenommen, die, wenn sie noch mal entscheiden müssten, dann anders entschieden hätten. Da bin ich ziemlich sicher.

    Heuer: Und, Herr Vogt, dann helfen die Richter wieder den Politikern auf die Sprünge?

    Vogt: Ich befürchte es, ja. Ich befürchte es sehr. Das gefällt mir auch nicht, aber es ist wohl so, ja. Tut mir auch sehr leid, dass wir die Ohrfeige wieder kassieren müssen, aber es sieht so aus. Ich hoffe nur, dass dann, wenn das Urteil kommt, dass es dann auch zügig umgesetzt wird. Die Signale haben wir schon und ein kleiner Trost, aber na ja. Es wird kommen, da haben Sie Recht. Das Verfassungsgericht wird da ganz klar im Sinne entscheiden, das wird auch von allen erwartet.

    Heuer: Ein hoffnungsvoller Alexander Vogt, Vorsitzender der Schwulen und Lesben in der Union. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, Herr Vogt. Danke für das Gespräch!

    Vogt: Ihnen auch, Frau Heuer! Gerne – tschüss!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.