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"Es gibt keine Insolvenzordnung für Staaten"

Ein Staat kann nicht pleite gehen und aufgelöst werden wie ein Unternehmen - daran erinnert der Banken-Lobbyist Hans Reckers. Die Finanzprobleme der Griechen hält er für lösbar, falls ein hartes Sanierungsprogramm wirksam wird.

Hans Reckers im Gespräch mit Bettina Klein | 13.09.2011
    Dirk Müller: Kann ein Staat Pleite gehen, in die Insolvenz gehen? Ist ein geordneter Staatsbankrott möglich? Diese Frage ging von meiner Kollegin Bettina Klein an Hans Reckers, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes öffentlicher Banken.

    Hans Reckers: Es gibt keine Staateninsolvenz im strengen Sinne. Die Insolvenz eines Unternehmens bedeutet, dass man die Vermögenswerte des Unternehmens verwertet und das Unternehmen liquidiert. Es ist beendet, es ist in einem Konkursverfahren in Insolvenz untergegangen. Und bei einem Staat ist die Situation grundlegend anders. Ein Staat kann eben in dem Sinne natürlich nicht untergehen, sondern er kann finanzielle Probleme bekommen, er kann auch seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Also wenn wir diesen Fall Staateninsolvenz nennen wollen, dann ist das die Situation, dass ein Schuldnerland seinen Verpflichtungen nicht in vollem Umfang nachkommen kann, sei es im Inland, sei es im Ausland, sei es gegenüber Banken, sei es gegenüber anderen Staaten.

    Bettina Klein: Wir diskutieren jetzt darüber, wird es eine geordnete oder eine ungeordnete Insolvenz für Griechenland geben. Was ist der Unterschied?

    Reckers: Es gibt keine Insolvenzordnung für Staaten, sondern es gibt verschiedene Verfahrensweisen, die ja in der Vergangenheit schon häufig angewendet werden mussten. Wir hatten ja Zahlungsprobleme Russlands vor einiger Zeit, wir hatten Probleme in Argentinien und wir haben ja in dieser Finanzkrise schon Hilfsprogramme auflegen müssen für sechs europäische Länder: Island, Lettland, Ungarn, Irland, Portugal und Griechenland. Ich gehe davon aus, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit für Griechenland vermieden werden kann.

    Klein: Sie haben jetzt mehrfach betont, es gebe keine Insolvenz für Staaten. Worüber sprechen wir denn eigentlich, wenn das der falsche Begriff ist?

    Reckers: Bei Unternehmensinsolvenzen wird ein Unternehmen abgewickelt. Sie können ja keinen Staat abwickeln, sondern Staaten bestehen natürlich weiter. Es gibt also nur die Möglichkeit für vergleichsweise Vereinbarungen. Die Gläubiger können auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, und es geht eben darum, wie man ein solches Paket schnürt, ein vergleichsweises Paket, in dem das Schuldnerland natürlich Leistungen bringen muss, die Steuereinnahmen erhöhen, harte Sparprogramme und so weiter, in dem aber auch die Gläubiger bereit sind, Beiträge zu leisten, sei es auf freiwilliger Basis, oder sei es auf einer anderen Basis. Und man muss natürlich vor allen Dingen sehen: Die Probleme der Schuldner sind natürlich auch die Probleme der Gläubiger, und das ist ja die Schwierigkeit unserer Situation, dass wir vermeiden müssen, dass die Gläubiger Griechenlands eben in großem Umfang Abschreibungen vornehmen müssen. Und dann müssen wir vermeiden: Ansteckungsgefahr, dass die Probleme Griechenlands auf andere Länder in der Euro-Zone überschwappen.

    Klein: Herr Reckers, Sie haben jetzt gerade gesagt, ein Paket müsse geschnürt werden, ein Paket also zwischen Griechenland und auch anderen Staaten, sozusagen zwischen Schuldnern und Gläubigern. Das hieße dann, was sozusagen im Augenblick umgangssprachlich geordnete Insolvenz sein würde. Das heißt, man einigt sich im Vorfeld auf eine Art von Umschuldung, auf einen Verzicht. Die andere Möglichkeit, die auch im Raum steht, ist, dass Griechenland sozusagen sich nicht dazu bereit findet, was jetzt umgangssprachlich ungeordnete Insolvenz genannt wird. Was hätte das für Auswirkungen?

    Reckers: Ja. Ein Land kann natürlich seine Zahlungen an die Gläubiger einstellen. Das ist in der Finanzgeschichte durchaus schon mal geschehen, dass ein Land seine Verpflichtungen nicht mehr erfüllt. Und dann haben die Gläubiger gegenüber einem Staat eben nur sehr begrenzte Möglichkeiten. Ein privater Gläubiger würde in diesem Fall eben entweder Konkursantrag stellen, oder zu einem Gericht gehen, aber bei Staaten sind die Möglichkeiten sehr eingeschränkt, und deshalb haben wir ja Institutionen. Der Internationale Währungsfonds hat schon zig Programme mit Staaten abgewickelt, die in Zahlungsschwierigkeiten waren. Und wir haben den Pariser Club und den Londoner Club, in dem auch die Gläubiger solche Themen besprechen und eben eventuell zu einem Teilverzicht auf ihre Forderungen bereit sind.

    Klein: Die Frage, die sich im Augenblick stellt, ist: Was würden diese Szenarien für die Banken selbst bedeuten, für griechische, aber eben auch für andere innerhalb der Europäischen Union, die ja natürlich auch Geld verlieren würden, auf diese Art und Weise in den Strudel mit hineingerieten?

    Reckers: Das ist ein sehr wichtiger Teilaspekt, dass jeder Gläubiger eines Landes, das in Problemen ist, Wertberichtigungen vornehmen muss auf seine Forderung, also eben Verluste hat, Ausfälle gegenüber dem Land, und das ist eben in der Finanzkrise eine schwierige Situation für Institutionen, die auf ihre griechischen Forderungen Abschreibungen vornehmen müssen. Kurz gesagt sind es Verluste.

    Klein: Mit welchen Folgen für die gesamte finanzpolitische Stabilität im Euro-Raum dann?

    Reckers: Im schlimmsten Fall können eben solche Gläubigerverluste Banken in Probleme bringen, und deshalb ist es sehr wichtig, dass diese Auswirkungen auf die Gläubiger vermieden werden durch rechtzeitige wirksame Programme, und an dem Punkt sind wir. Wir sind nicht an dem Punkt, dass Griechenland seine Zahlungen einstellt, sondern wir sind an dem Punkt, dass durch wirksame Programme die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands vermieden werden muss.

    Klein: Und Sie halten es für möglich, dass das innerhalb der Währungsunion, der bestehenden Union gelöst wird, sprich Griechenland in jedem Fall Mitglied bleiben kann, jetzt mal ungeachtet der rechtlichen Lage, die ohnehin nur vorsieht, dass Griechenland freiwillig ausscheiden könnte aus dem Euro-Raum, wenn es denn wollte?

    Reckers: Ja! Die Finanzprobleme Griechenlands können gelöst werden, wenn Griechenland über längere Zeit eine wirksame Finanz- und Wirtschaftspolitik betreibt, mit höheren Einnahmen und mit geringeren Ausgaben für den griechischen Staat, also ein hartes Sanierungsprogramm, und wenn die anderen Staaten, so wie es vorgesehen ist, Griechenland helfen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.