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"Es gibt mit Sicherheit keinen Königsweg"

Nach Ansicht des Direktors des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, wird die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn "kein Spaziergang". Das hätten die Beispiele Japan und Großbritannien gezeigt. Von einer Bahn-Volksaktie halte er jedoch nichts. Wichtig sei es, dass Kapitalgeber angelockt würden, die ein angemessenes strategisches Konzept vorlegen könnten, fügte Hüther hinzu.

Moderation: Elke Durak | 24.07.2007
    Elke Durak: Mitgehört hat Professor Michael Hüther. Er ist Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln. Guten Tag, Herr Hüther.

    Michael Hüther: Tag, Frau Durak.

    Durak: Womit rechnen Sie für Deutschland nach der zunächst Teilprivatisierung der Bahn? Mit eher japanischen, oder eher britischen Verhältnissen?

    Hüther: Nun, wir haben ja schon einen gewissen Vorlauf, indem wir das Unternehmen 1994 formal privatisiert haben, das heißt, in eine überhaupt unternehmerische Führungsstruktur gebracht haben. Dass das aber kein Spaziergang werden wird, das zeigen beide Beispiele, die sie berichtet haben und das wird sicherlich auch bei uns so sein. Es gibt mit Sicherheit keinen Königsweg, aber man muss von der Zielsetzung ausgehen. Worum geht es? Wir wollen eine effiziente, eine mit entsprechender Qualität liefernde Bahn. Das heißt, wir wollen das, was wir in anderen Märkten auch haben, Wettbewerb als Instrument nutzen, um diese Qualitätsverbesserung fortlaufend im Sinne der Kunden zu organisieren. Und dann haben wir das Problem, dass dieses auf einem Netz stattfindet, das teilweise dort, wo es halt nicht einfach durch den Markt sich selbst ergibt, eine Infrastrukturleistung, eine öffentliche Leistung ist. So, und in dieser Gemengelage ist nun eine, der Versuch einer Lösung gemacht worden. Ob das nun alles ganz sauber und leicht funktioniert, das kann man heute nicht so genau beschreiben. Aber die Richtung, dass wir Wettbewerb stärker noch in das System hineinbringen, den Weg verstetigen, der begonnen wurde. Wir haben im Personenbereich 13 Prozent private Anbieter, wir haben im Güterbereich 15 Prozent Marktanteil Privater mittlerweile. Da ist ja schon etwas in Gang gekommen. Diesen Impuls zu verstärken, das ist das eigentliche Ziel. Und das zweite ist, Kapital hineinzubringen, um die Investitionsbedürfnisse zu decken. Aber eines bleibt klar und das zeigen beide Beispiele, Japan wie Großbritannien: Es ist als Infrastruktur-Vorleistung das Netz eine öffentliche Aufgabe. Insofern wird man nicht davon ausgehen können, dass am Ende des Tages, wenn alle Anpassungen erfolgt sind, der Bund keine finanziellen Lasten mehr zu tragen hat.

    Durak: Das heißt kurz, das Schienennetz würden Sie privatisieren, komplett, und zwar richtig, nicht so, wie jetzt vorgesehen, oder in öffentlicher Hand belassen?

    Hüther: Nein, es ist im Grunde immer die Schwierigkeit, dass wir es auch von der verfassungsrechtlichen Lage gar nicht komplett aus der Hand geben können. Es gibt einen verfassungsrechtlichen Auftrag für dieses Infrastrukturnetz, das der Bund nicht ganz aus der Hand geben kann. Was er jetzt ja versucht, ist, durch seine formale Eigentümerschaft aber die Sicherübereignung an die Bahn, einen, ja, einen goldenen Weg zwischen Verfassungsrecht und Bilanzrecht zu finden. Denn die Bahn soll es bilanzieren können, um damit für externe Investoren attraktiv zu sein. Wie das funktioniert, dafür haben wir kein Experiment. Das müssen wir wirklich dann sehen. Aber richtig ist, dass der Bund hier ein Stück weit in der Verantwortung bleibt.

    Durak: Das Stichwort Wettbewerb, Rentabilität. Noch hat ja der Bund die knappe Mehrheit, auch wenn das eben formal ist. Reicht das aus, um Investoren davon abzuhalten, Bahn allein nach Wirtschaftlichkeit der Strecken fahren zu lassen?

    Hüther: Das reicht aus. Der Bund ist ja immer frei. Dort, wo aus Regionalüberlegungen heraus, aus allgemein politischen Erwägungen der Erschließung von Regionen eine Strecke notwendig ist, dieses zu tun. Das Beispiel Japan zeigt, dass der Staat subventionierend dort eingreift, Großbritannien zeigt es ebenfalls. Das heißt, man wird also eine Mischung haben von Strecken, die sich rechnen und von anderen Strecken, wo man sagt, hier ist aber eine Art öffentlicher Auftrag. Wir wollen eine Vernetzung möglich machen, wir wollen Mobilität auch in die Regionen hinein sicherstellen. Und dann muss dann aber auch damit begriffen werden, es ist eine Art öffentliche Aufgabe, die muss steuerlich finanziert werden. Wir haben das ja faktisch mit der Privatisierung 1994 auch gemacht, durch die Regionalisierungsmittel an die Länder, die damit in der Fläche das Bahnnetz im Grunde subventionieren, dort, wo es sich rein aus Nutzungsdichte und aus den Marktbegebenheiten nicht rechnen wird. Also, an dieser Schnittstelle ist man immer gemeinsam unterwegs.

    Durak: Viele Länder, viele Bundesländer wollen Widerstand leisten, Widerspruch einlegen. Es könnte sein, dass das Ganze im Bundesrat scheitert. Was könnte geändert werden im vorhandenen Gesetzentwurf, wenn man das so kurz zusammenfassen kann, um die Länder zu überzeugen? Was denken Sie?

    Hüther: Also, ich glaube, die Länder fühlen sich unwohl in dieser Zwischenposition, die hier versucht wird, wie eben genannt, zwischen Verfassungsrecht und Bilanzrecht. Also, es sowohl beim Bund zu lassen, das heißt, den Anforderungen des Grundgesetzes Rechnung zu tragen, aber gleichzeitig es der Bahn bilanziell möglich zu machen. Ich hatte schon gesagt, wir haben darüber keine Erfahrungen. Solche Lösungen haben wir noch nicht gefahren. Der Unmut der Länder oder die Unsicherheit und die Vorbehalte ergeben sich ja gerade aus dieser Lösung. Ob man hier grundsätzlich noch etwas anderes organisieren kann im Verhandlungsprozess, vermag ich nicht einzuschätzen. Aber es muss eine Lösung sein, die für Investoren attraktiv bleibt. Und das ist ja immer auch die Position der Bahn, die darauf hinweist, wir haben schon Wettbewerb zugelassen, das ist durch die Regulierungsbehörde, der wir unterliegen, ja auch weiterhin effizient möglich, das heißt, der Druck in der Fläche, andere Anbieter hineinzunehmen, aber gleichzeitig über die Infrastruktursteuerung nicht in die Probleme zu laufen, dass wir hier Systemprobleme bekommen, dass die Steuerungsschwierigkeiten entstehen, die ja immer bei einem solchen komplizierten Netz grundsätzlich vorhanden sind.

    Durak: Es gibt, was Finanzen betrifft, noch ein Schlagwort, einen Begriff. Kommt aus der linken SPD-Ecke: Volksaktie genannt. Ein Weg, die Bahn vor Heuschrecken oder anderen unseriösen Investoren zu bewahren. Was halten Sie davon?

    Hüther: Nichts. Also, man kann die Frage stellen, ob man grundsätzlich den Börsengang oder gezielte Einzelinvestoren sucht. Das ist aber eine Frage der Strategie letztlich, der Orientierung an den Kapitalmarkt. Aber in beiden Fällen geht es doch darum, oder in beiden Wegen, am Ende, dass wir den Markt nutzen, dass wir Kapitalmarktinteressen hineinbringen, die ja nicht irgendwie fremde Interessen sind, sondern die im Grunde darauf drängen, dass ein Unternehmen, und hier ist es die Deutsche Bahn, eine angemessene Rendite, ein angemessenes strategisches Konzept vorlegt und damit langfristig auch erfolgreich sein kann. So, und insofern ist dieses Heuschreckenbild, was vor zwei Jahren in die Öffentlichkeit getragen wurde, ja sowieso verkehrt. Es gibt auch in der Mehrzahl der empirischen Befunde nichts, das das stützt. Wir sehen immer, dass dort, wo Investoren hineingegangen sind, ob das Familienunternehmen waren, oder andere Eigentümerstrukturen vorher, dass die Unternehmen nach vorne gekommen sind in der Regel der Fälle. Und insofern ist diese Grundangst vor einer Heuschrecke verkehrt und deswegen ist der Versuch, über eine Volksaktie hier sozusagen die Bahn in eine andere Eigentümerstruktur zu bringen, gerade das, was wir nicht brauchen. Denn wir brauchen die Effizienz des Kapitalmarkts, die durchwirken soll auf das Handeln dieses Unternehmens.

    Durak: Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft zur Teilprivatisierung der Bahn. Ein Hybrid ist diese Lösung, sage ich mal. Danke schön, Herr Hüther für das Gespräch.