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"Es gibt nicht irgendein vergleichbares Oberhaupt einer anderen Religion"

"Die kommen mir vor wie kleine Kinder, die sich die Ohren zuhalten", sagt Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) über die Abgeordneten, die den Bundestag verlassen wollen, wenn der Papst dort spricht. Damit verletzten sie zudem ihre parlamentarischen Pflichten.

Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Friedbert Meurer | 22.09.2011
    Friedbert Meurer: Seit Monaten laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, der Papst kommt heute nach Deutschland. 70.000 werden ihn am Abend im Berliner Olympiastadion feiern. Die Kritiker machen mobil mit einer Kundgebung auf dem Potsdamer Platz. Besonders umstritten ist allerdings die Einladung an den Papst, im Bundestag heute eine Rede zu halten. Die Abgeordneten, die fern bleiben wollen, sehen das Gebot der Trennung von Staat und Kirche verletzt. Andere wie zum Beispiel die Union begrüßen natürlich den Besuch des Papstes. Am Telefon Hans-Peter Friedrich von der CSU, er ist der Bundesinnenminister. Guten Morgen, Herr Friedrich.

    Hans-Peter Friedrich: Guten Morgen!

    Meurer: Freuen Sie sich auf den Papst?

    Friedrich: Ich freue mich auf den Papst. Ja, das wird sicher ein großer Moment sein, wenn er im Deutschen Bundestag zu uns sprechen wird.

    Meurer: Den Abgeordneten, die das nicht für einen großen Moment halten und die fern bleiben wollen, Herr Friedrich, haben Sie gestern attestiert: "Hochmut, Kleingeist, Provinzialität, Überheblichkeit". Was ist daran überheblich, aus Überzeugung weg zu bleiben?

    Friedrich: Also ich kann im Grunde unter keinem Aspekt, der mir einfällt, das rechtfertigen, wenn Parlamentarier ihren Arbeitsplatz, das Parlament verlassen, weil ein Gast eingeladen wird von ihrem Bundestagspräsidenten, mit Zustimmung aller Fraktionen. Dann ist das für mich ein Zeichen auch der Verletzung ihrer parlamentarischen Pflichten, denn der Arbeitsplatz des Parlamentariers ist das Parlament und ich kann überhaupt nicht verstehen, unter welchem Aspekt man das rechtfertigen will.

    Meurer: Unter dem Aspekt der Gewissensfreiheit.

    Friedrich: Entschuldigung! Es ist eine Frage der demokratischen Kultur, dass man sich gegenseitig zuhört. Die kommen mir vor wie kleine Kinder, die sich die Ohren zuhalten, wenn der Vater oder die Mutter was sagen, weil man sich aus seiner Kleingeistigkeit nicht herausbewegen will und sich jetzt nicht mit was auseinandersetzen will, weil man keine Lust dazu hat, oder die geistige Kraft dazu nicht hat. Also ich kann das unter keinem Aspekt rechtfertigen. Es ist im übrigen auch eine Frage der Höflichkeit, dass dann, wenn man jemand eingeladen hat, man nicht weg bleibt, sondern ihm auch die Ehre seiner Anwesenheit erweist.

    Meurer: Religion hat im Bundestag nichts verloren. Ist das falsch?

    Friedrich: Zunächst mal muss man sehen, dass unser Grundgesetz eine Neutralität des Staates gegenüber Religion vorsieht, aber - und auch das hat das Bundesverfassungsgericht sehr klar festgestellt - eine fördernde Neutralität. Wir anerkennen in Deutschland die positive Rolle von Religion auch für das menschliche Zusammenleben.

    Meurer: Jetzt ist ja der Papst als Redner eingeladen worden, formal als Staatsoberhaupt, aber faktisch doch, weil er das Oberhaupt der Katholiken ist. Verletzt das die geistige Neutralität des Parlaments?

    Friedrich: Er ist Staatsoberhaupt des Vatikans, er ist Vertreter, ja man kann sagen, einer geistigen und geistlichen Weltmacht, der Katholischen Kirche, die Hunderte Millionen von Menschen weltweit vertritt. Auch das, glaube ich, darf man mal sehen. Das ist eine Missachtung, was die Kollegen da machen, gegenüber einem Mann, der Hunderte Millionen von Katholiken, von Menschen, die Hoffnung in ihn setzen, als Oberhaupt der Katholischen Kirche vertritt. Also ich finde das wie gesagt sehr provinziell, dass einige glauben, sich so verhalten zu müssen.

    Meurer: Würden Sie auch ein Oberhaupt der Muslime in den Bundestag einladen?

    Friedrich: Wissen Sie, das ist überhaupt nicht die Frage, um die es geht. Es gibt den Papst als Oberhaupt der Weltkirche. Es gibt nicht irgendein vergleichbares Oberhaupt einer anderen Religion. Deswegen ich denke, dass das auch nicht die Diskussion ist, sondern der Papst als Vertreter der Weltkirche, aber auch als Vertreter unserer Katholischen Kirche in Deutschland, auch diesen Aspekt darf man mal nennen. Die Katholische Kirche in Deutschland ist ein wichtiger Teil unseres Staates, auch unseres Sozialstaates, des Gelingens unserer gesamten Gesellschaft. Auch ihr gegenüber darf man mehr Respekt haben als das, was die Kollegen da machen.

    Meurer: Wünschen Sie sich, Herr Friedrich, den Papst und die Katholische Kirche reformbereiter?

    Friedrich: Also die Kirche wird selber ihre Gesetzmäßigkeiten und ihre innere Verfassung regeln. Es ist auch wieder so ein deutscher Zug, dass man meint, dass das, was man in Deutschland für richtig hält, Maßstab für die Kirche weltweit sein müsste. Ich glaube, das ist das besondere an der Katholischen Weltkirche, dass sie unabhängig von regionalen Stürmen ihren Kurs beibehält und diese Botschaft Jesu Christi so klar und auch deutlich weltweit vertritt.

    Meurer: Auch wenn sie dabei die Rechte der Frau zum Beispiel verletzt?

    Friedrich: Die Kirche verletzt nicht die Rechte der Frauen. Die Kirche hat zu einigen Dingen eine Vorstellung, die man nicht teilen muss, aber damit verletzt sie keine Rechte, sondern ich sehe durchaus ein, dass der eine oder andere an der einen oder anderen Stelle diskutieren möchte, überhaupt keine Frage. Aber wie gesagt, das ist eine Frage der inneren Verfasstheit der Kirche.

    Meurer: Die Bundeskanzlerin hatte ja vor Jahren Papst Benedikt aufgefordert, sich klarer von der Holocaust-Leugnung zu distanzieren. Damals haben sich viele Katholiken über die Kanzlerin geärgert. Ist das Verhältnis wieder im Reinen?

    Friedrich: Also ich glaube, wer gestern Abend erlebt hat, auch den Empfang der CDU im Adenauer-Haus anlässlich des Papstbesuches, weiß, dass diese CDU und unsere CSU fest zum christlichen Glauben, fest zu den beiden Kirchen stehen. Da geht kein Blatt Papier dazwischen.

    Meurer: Das war Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU zur Rede, die der Papst heute im Bundestag halten wird. Herr Friedrich, danke und auf Wiederhören.

    Friedrich: Gerne! Auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.