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"Es ist ein glücklicher Zufall, dass sich diese Hölzer hier super erhalten haben"

Archäologie.- Wissenschaftler haben in Baden-Württemberg ein rund 2600 Jahre altes keltisches Fürstengrab entdeckt, das neue Details über diese frühe Kultur preisgeben könnte. Dirk Krausse vom Landesamt für Denkmalpflege Esslingen am Neckar spricht über die Einzelheiten.

03.01.2011
    Monika Seynsche: Bei Herbertingen in Baden-Württemberg wurde vor einigen Tagen ein 2500 Jahre altes Fürstengrab gefunden, aus der Zeit der Kelten. Und dieses Grab ist in einem außerordentlich gut erhaltenen Zustand. Dicke Eichenhölzer, die den Kammerboden darstellten, sind noch erhalten. Es gibt Schmuckbeilagen aus Gold, Bernstein und Bronze. Der zuständige Grabungsleiter ist Dirk Krausse vom Landesamt für Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Ihn habe ich gefragt, ob er schon weiß, wer dort beerdigt liegt.

    Dirk Krausse: Also genau die historische Persönlichkeit kennen wir natürlich nicht, weil wir uns in der prähistorischen Zeit hier noch ohne Schriftquellen bewegen. Wir haben aber bisher anhand der Tracht-Bestandteile und der anthropologischen Reste, also der Knochenreste, mindestens mit einer Person zu tun - und zwar mit einer Frau, die hier sehr reich mit Gold- und Bernsteinschmuck etwa im sechsten Jahrhundert - genau kann man es noch nicht sagen - bestattet wurde.

    Seynsche: Sie haben ja jetzt das Grab, die komplette Grabkammer auf einem Lastwagen in ein Labor gefahren. Was wollen Sie jetzt darin untersuchen?

    Krausse: Wir haben ja schon einige Beigaben in der Sondage festgestellt, gerade diese Bestandteile des Frauenschmucks. Aber Sie müssen sich vorstellen, diese Kammer ist etwa vier mal fünf Meter groß also wie ein unterirdisches Wohnzimmer muss man sich das Ganze vorstellen zum Zeitpunkt der Grabanlage. Und wir haben bisher nur 20 Prozent überhaupt sondiert. Im Rest der Kammer, das ist sehr groß, können noch weitere Beigabengruppen... irgendeinen Wagen würde man hier zum Beispiel erwarten, Trinkservice, auch mediterrane Importe, also Bronzegefäße, Keramikgefäße, Trinkhörner, solche Dinge. Und das wollen wir jetzt feststellen, was da noch wo liegt. Und dann natürlich auch interdisziplinär mit Naturwissenschaftlern zusammen: Was kann man da eigentlich noch an weiteren Informationen - botanisch, anthropologisch - rausholen.

    Seynsche: Können Sie denn jetzt schon abschätzen, welche Bedeutung dieses Grab für die Forschung gerade auch über diese Keltenzeit hat?

    Krausse: Also dieses Grab ist eigentlich das Beste, was hier im südwestdeutschen Raum seit 30 Jahren gefunden haben - 1978 wurde ja der Jahrhundertfund des Kelten Fürsten von Hochdorf hier bei Stuttgart gemacht. Und das ist eigentlich jetzt das Grab, was uns weitere zentrale Aufschlüsse eigentlich bringen könnte. Das ganz Besondere hier ist halt, was man normalerweise eben nicht hat, dass die Hölzer der Grabkammer sehr, sehr gut erhalten sind und man hier dendrochronologisch, also über die Jahre in Chronologie, sehr wahrscheinlich den Zeitpunkt der Grablegung sehr, sehr genau wird bestimmen können. Und dadurch wird dieses Grab wissenschaftlich eine ganz zentrale Stellung einnehmen, weil man dadurch diese ganze Zeit der frühen Kelten chronologisch eichen kann. Und das hat noch über die keltische Welt, wenn Sie so wollen, hinaus Konsequenzen, weil natürlich auch im Bereich der griechischen Archäologie, der etruskischen Archäologie bis hin zur Vorderasiatischen Archäologie man gerade im 7., im 6. Jahrhundert vor Christus auch noch ziemlich schwimmt, weil man dort keine naturwissenschaftlichen Datierungen hat und die historischen Daten auch noch nicht so dicht sind, so dass wir hier also einen Fixpunkt für die Chronologie der gesamten frühen Eisenzeit des 6. Jahrhunderts, wahrscheinlich der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts bekommen werden.

    Seynsche: Warum ist es denn normalerweise so schwierig, solche exakten Datierungen für diese Zeit zu finden?

    Krausse: Wir befinden uns ja auch, also hier nördlich der Alpen, noch vollkommen in prähistorischer Zeit. Man hat keinerlei Schriftquellen und man kann nur über Importfunde aus Ägypten, aus Griechenland ... wo man ja schon Schriftquellen hat, darüber kann man dann über viele Zwischenstationen, über Italien dann bis in den Raum nördlich der Alpen versuchen, das Alter durch Importbeziehungen zu rekonstruieren. Aber da sind natürlich große Ungenauigkeiten drin. Viel präziser sind natürlich Dendrodaten durch die Jahre in Chronologie. Dieses Grab, was wir jetzt gefunden haben, liegt im Grundwasserbereich. Und dadurch haben sich die Hölzer dort exzellent erhalten. Das ist aber sehr selten. Sie können sich vorstellen: Die frühen Kelten haben ja ihre Gräber nicht unbedingt in Grundwasser führende Schichten gesetzt, sondern normalerweise ins Trockene. Und warum es hier jetzt dazu gekommen ist, dass es nach der Keltenzeit zu einer Vernässung kam, ist noch nicht ganz klar. Aber Tatsache ist, es ist ein glücklicher Zufall, dass sich diese Hölzer hier super erhalten haben.