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"Es ist eine Chance damit geschaffen worden"

Klaus Töpfer begrüßt den Beschluss von Durban, bis 2015 ein verbindliches neues Abkommen auszuhandeln. "Das kann ein historisches Treffen gewesen sein, wenn jetzt die damit verbundenen Meilensteine für kommende Verhandlungen auch wirklich tragfähig gemacht werden", so der Exekutivdirektor des Instituts für Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit (IASS) in Potsdam.

Klaus Töpfer im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 12.12.2011
    Dirk-Oliver Heckmann: Unterschiedlicher könnten die Reaktionen auf den Beschluss des Klimagipfels von Durban kaum sein. Die Konferenzpräsidentin, Südafrikas Außenministerin, sagte, man habe Geschichte geschrieben, und UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon sprach von einem wegweisenden Schritt für den Klimaschutz. Und tatsächlich haben sich die rund 190 teilnehmenden Staaten auf einen Zeitplan für ein Kyoto-Nachfolgeabkommen geeinigt. Auch die USA, China und Indien machen endlich mit. Umweltschutzorganisationen aber monieren, konkrete Ziele seien Fehlanzeige. Greenpeace meldet, die Staatengemeinschaft sei den Menschen einmal mehr eine Antwort auf die Klimafrage schuldig geblieben. Umweltminister Norbert Röttgen, der gab sich sehr zufrieden. Er sprach von einem großen wegweisenden Erfolg für den Klimaschutz. Ob er auch so begeistert ist, das habe ich zu Beginn der Sendung den ehemaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer gefragt, jetzt Exekutivdirektor des Instituts für Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit in Potsdam.

    Klaus Töpfer: Ja zunächst einmal kann man wirklich feststellen, dass das Ergebnis deutlich besser ist, als die Erwartungen es gezeigt haben. Wir waren alle, glaube ich, sehr viel skeptischer, was in Durban herauskommen konnte. Das ist auf der positiven Seite. Es ist sicher sehr positiv, dass man es erreicht hat, mit sehr vielen Ländern aus dem Entwicklungsbereich über 100 zusammenzuarbeiten zu können, eine neue Allianz zu bilden. Dies alles war sicherlich sinnvoll, und dass man hart und wirklich auch kompromisslos fast verhandelt hat, ist auch sinnvoll. Aber das muss jetzt eingelöst werden. Das kann ein historisches Treffen gewesen sein, wenn jetzt die damit verbundenen Meilensteine für kommende Verhandlungen auch wirklich tragfähig gemacht werden, wenn diese Allianz weiter trägt auch in der Umsetzung und wenn es darum gehen kann, dann nicht nur Kyoto bis 2015, 2017 zu verlängern, sondern bis 2020 auch zu einem neuen quantitativen, also mit klaren Minderungszielen und Zeitplänen ausgestatteten Vertrag zu kommen. Dann hat man sicherlich in Durban einen ganz wichtigen bedeutsamen Schritt getan. Aber es sind noch zu viele Wenn dabei.

    Heckmann: Die Europäische Union, die hat ja gepocht auf ein rechtsverbindliches Abkommen. Jetzt heißt es in dem Dokument, es soll erstellt werden, erarbeitet werden ein "neues Protokoll, ein anderes Rechtsinstrument oder ein Ergebnis mit Rechtskraft". Greenpeace sagt, das wird sicherlich nicht zu einem verbindlichen Klimaschutzvertrag führen.

    Töpfer: Nun wollen wir nicht zu viel spekulieren. Zunächst einmal ist festgehalten, dass alle mitmachen, und es ist auch klar, dass es zu einer rechtlich relevanten Form geführt werden soll. Es ist eine Chance damit geschaffen worden, die muss jetzt eingelöst werden. Das werden sehr schwere Verhandlungen werden, gar keine Frage. Wir hatten ja auch im Kyoto-Protokoll klar, dass bis zum Ende 2012 ein solches Anschlussprotokoll erarbeitet werden müsste. Das ist nicht erreicht worden, wie wir alle wissen. Ich kann nur sagen, dass man sie nicht von vornherein jetzt kleinreden muss, sondern auf dieser Basis kann man weiterführen. Ich muss zumindest sagen, nach all den sehr, sehr schwierigen Informationen, die über diese Konferenz nach außen gedrungen sind, kann ich nur feststellen: Es ist deutlich sinnvoller geworden, als man es noch befürchten musste. Bis hin zu einem Abbruch war man knapp am Rande, glaube ich. Also insgesamt nicht eine überbordende Euphorie, aber eine klare Analyse. Auf dieser Basis muss man weiterverhandeln. Es müssen jetzt die konkreten Schritte abgestimmt werden.

    Heckmann: Das heißt, wir halten fest, Herr Töpfer: Am Ende könnte ein rechtlich relevantes Dokument stehen, aber nicht unbedingt ein rechtlich verbindliches?

    Töpfer: Ich wage nicht, darüber zu spekulieren. Sicherlich werden die, die verhandelt haben, diesen letzten Halbsatz auch nicht gerne mit aufgenommen haben, aber das hat eben dazu geführt, dass alle mit dabei sind. Und natürlich kann ich nicht sagen, dass 2020 ein für den Klimaschutz zwingend notwendiges Datum ist. Es wäre deutlich besser gewesen, es früher zu haben. Aber über hätte und wäre ist ja nicht mehr zu diskutieren. Es ist das jetzt als Grundlage wirklich zu nutzen, und ich sage noch mal: Das kann ein Startpunkt gewesen sein für eine positive Wende im Klimaschutz. Aber es gibt noch sehr viele Wenns zu bearbeiten.

    Heckmann: Sie sagten es gerade eben: Ab 2020 soll dieses Dokument dann umgesetzt werden. Ist das aber nicht viel zu spät, um das Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen, das heißt, die Klimaerwärmung auf zwei Grad zu beschränken?

    Töpfer: Das ist sicherlich nicht ein Datum, das mit dem Zwei-Grad-Ziel automatisch in Einklang steht. Außerdem wissen wir nicht, was in diesem 2020er rechtlichen Instrument am Ende für Zahlen drinstehen. Andere flankierende Maßnahmen zu ergreifen, etwa die ganzen Fragen der kurzlebigen Belastungsfaktoren, also von Partikeln, von Ozon, von Methan jetzt noch weiter voranzutreiben, um eine solche Zeitspanne mit zu überbrücken, ohne dass das Klima aus dem Ruder läuft, schwierige Verhandlungen, aber auch solche, die Kreativität erforderlich machen. Wir können nicht resignieren, wir können nicht einfach nur festhalten, was nicht geht, sondern wir müssen auf der Grundlage dessen, was wir jetzt erarbeitet haben, mit allen Kräften daran arbeiten, dass ein wirklich, das Klima sicherndes, stabilisierendes, globales Handeln notwendig wird, das nebenbei auch national alleine vorangetrieben werden kann und muss.

    Heckmann: Bis das neue Dokument umgesetzt wird, im Jahr 2020 dann voraussichtlich, soll das Kyoto-Protokoll – Sie haben es gerade eben schon mal erwähnt – verlängert werden. Bis zum Jahr 2017 oder bis zum Jahr 2020, das steht noch nicht fest. Russland, Kanada und Japan aber haben schon angekündigt, da nicht mitmachen zu wollen. Was ist das für ein Signal für die Verhandlungen, die jetzt anstehen?

    Töpfer: Es ist natürlich festzuhalten, dass dann nur noch etwa 15 Prozent der CO2-Emissionen weltweit eben über dieses Kyoto-Protokoll weiter erfasst werden. Das ist nun wirklich eine besorgniserregende Tatsache. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir alles, aber auch wirklich alles daran setzen, um bei uns zu belegen, dass man mit einer aktiven Klimapolitik auch wirtschaftliche Vorteile hat. In Deutschland ist die Energiewende in Gang gesetzt worden, nicht zuletzt auch deswegen, um zu belegen, dass man in einer wirklich führenden Wirtschaftsnation wie Deutschland mit großer Exportbedeutung es erreichen kann, ohne einen Zuwachs an CO2-Emissionen auch aus der Kernenergie auszusteigen, indem man gerade erneuerbare Energien nutzt. Dies sind Zukunftstechniken, die man wirklich belegen muss. Deswegen ist es extrem wichtig, dass wir in den jetzt ja auch parallel laufenden Arbeiten in Deutschland belegen, das ist möglich. Dann werden wir das auch als wirtschaftliche Chance belegen können und damit einen neuen Anreiz geben können, dass auch andere mitgehen. Wenn sie das in China sehen, wenn sie das in anderen Ländern sehen, dann ist klar zu erkennen: Man will weg von den fossilen Energien, einfach deswegen, weil sie auch knapper werden, einfach deswegen auch, weil sie diese Klimawirkungen haben.

    Heckmann: Ab dem Jahr 2013, Herr Töpfer, soll ein sogenannter Klimafonds eingerichtet werden. Da sollen mittelfristig dann 100 Milliarden Euro im Jahr den Entwicklungsländern zur Verfügung stehen, um sich eben anzupassen an die Folgen der Klimaerwärmung und auch die Energiewende zu schaffen. Woher das Geld aber kommt, das ist nach wie vor unklar. Was kommt da auf uns zu?

    Töpfer: Es muss alles daran gesetzt werden, dass diese Allianz, die man in Durban wirklich klug geschmiedet hat, dass die jetzt auch über die Zeit stabil bleibt, und dafür ist diese Frage des Fonds entscheidend wichtig. Es geht ja darum, dass sich die Entwicklungsländer, die armen Länder dieser Welt an einen ohnedies nicht mehr zu verhindernden Klimawandel anpassen können, dass sie Investitionen machen können in eine klimarobuste Infrastruktur und Siedlungsstruktur. Alles dies können sie aus eigener Kraft nicht und sie haben die damit verbundenen Schäden ja auch nicht verursacht. Sie sind verursacht worden durch die CO2-Emissionen in der Vergangenheit und in der Gegenwart nicht zuletzt auch der hoch entwickelten Länder. Würden wir dort nichts liefern können, wenn Sie so wollen, dann wird sehr schnell auch diese Allianz brüchig, und ich bin mir völlig im Klaren darüber, dass die Zielsetzung, diese 100 Milliarden verfügbar zu machen, extrem schwer zu erfüllen sein wird, angesichts der ohnedies in Europa grassierenden Probleme von Verschuldung, von Instabilitäten im ökonomischen und finanzpolitischen Bereich.

    Heckmann: Letzte Frage, Herr Töpfer. Umweltorganisationen sagen, Durban sei ein Beweis dafür, dass der ganze Prozess zu langsam ablaufe, und sie fordern, dass eine Allianz der Willigen vorangehen müsse. Ist das für Sie auch ein gangbarer Weg?

    Töpfer: Die Allianz der Willigen hat ja das erreicht, was jetzt erreicht wurde. Aber wir sehen dann ja sehr schnell, dass die wirklichen Emittenten von CO2 und anderen Klimagasen nicht mehr mit dabei sind. Dann sind wir zwar ein gutes Stück vorangekommen, was wichtig ist, aber es muss eben alles versucht werden, auch die anderen mit an Bord zu bringen. Ich habe darauf hingewiesen, dass man auch bis hin zu nationalem Vorangehen dieses vorteilhaft werden lassen kann für ein Land wie Deutschland und andere. Also das muss miteinander verbunden werden. Wenn es darum geht, die Koalition der Willigen lässt die anderen zurück, dann wäre ich sehr besorgt, aber dass man belegen kann, eine solche Politik ist wirtschaftlich hoch vertretbar, nicht nur neutral, sondern positiv für wirtschaftliche Stabilität, dann, glaube ich, hat diese Koalition sehr viel geschaffen.

    Heckmann: Der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer war das hier im Deutschlandfunk. Herr Töpfer, ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Töpfer: Ich danke Ihnen auch.

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