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"Es ist eine Zäsur, die da vor Augen steht"

Der geplante Zusammenschluss mit dem Radio-Sinfonieorchester bedeute für das SWR-Sinfonieorchester die Abwicklung, sagt der Komponist und Dirigent Peter Ruzicka. Er fordert vom Land Baden-Württemberg und den Kommunen Hilfe zur Rettung des Klangkörpers.

Peter Ruzicka im Gespräch mit Christoph Schmitz | 13.11.2013
    Christoph Schmitz: Was die 160 Dirigenten und Komponisten von SWR und Politik erwarten? Dass das SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden/Freiburg wegen seiner besonderen Qualitäten im Bereich der Neuen Musik erhalten werden müsse. Denn: Vor einem Jahr hatte der Sender beschlossen, dieses SWR-Sinfonieorchester mit dem anderen Klangkörper des SWR, mit dem Radio-Sinfonieorchester in Stuttgart, zu fusionieren, 80 Planstellen zu streichen und mit den verbleibenden 200 Musikern eine Art Orchesterpool zu etablieren. "Künstlerisch unsinnig" sei diese Fusion, die man auch als Abwicklung interpretieren kann. Warum ist sie "künstlerisch unsinnig"? Das habe ich den Mitunterzeichner, den Komponisten, Dirigenten und Intendanten Peter Ruzicka gefragt.

    Peter Ruzicka: Nun, es ist eine Zäsur, die da vor Augen steht. Das SWR-Sinfonieorchester ist ja eines der ganz wenigen, die wirklich im Sinne des Rundfunkauftrages und kulturpolitisch gar nicht hoch genug einschätzbar eine Programmpolitik verfolgt haben. Etwa 50 Prozent des Repertoires ist Neue Musik gewesen. Ich denke, das ist vornehmlicher Rundfunkauftrag, auch so etwas zu ermöglichen. Alle anderen Rundfunk-Sinfonieorchester, so hochklassig sie sind in Deutschland, neigen ja mehr dazu, auch kommerzielle Programme und kommerzielle Interessen zu verfolgen. Insofern ist es besonders bitter, dass sich da so ein Vakuum abzeichnet.

    Schmitz: Nun ist die Entscheidung der Intendanz, des Rundfunkrates, des SWR vor einem Jahr schon gefallen. Sind Sie nicht etwas spät? Warum so spät? Warum nicht im Vorfeld der Diskussion, bevor entschieden worden ist?

    Ruzicka: Dieses Stiftungsmodell, das im Moment noch in der Diskussion ist, kam in der Tat relativ spät. Das war ein wenig aus der Verzweiflung geboren nach dieser Entscheidung, die getroffen worden ist im Rundfunk selbst. Das appelliert ja an andere Mitträger, die vielleicht in dieser Stiftung sich engagieren könnten. Ich denke an das Land, so ähnlich wie in Berlin, wo ja auch das Land Berlin Mitträger ist der Berliner Philharmoniker. So etwas wäre auch hier vorstellbar. Da müsste sich etwas bewegen. Die Hoffnung ist, dass morgen bei der Ausschusssitzung in Stuttgart, dass sich vielleicht da doch noch eine politische Initiative ergeben wird. Und wichtig wäre natürlich auch, dass am Standort Freiburg sich etwas tut. Es müsste dort die Kommune, es müsste Freiburg auch dieser Stiftung beitreten. Dann hätte man Säulen, mit denen man einen Erhalt des Orchesters wohl doch noch wagen könnte.

    Schmitz: Das heißt, Sie hoffen gar nicht mehr auf den SWR, sondern auf den Staat, auf die Kommunen?

    Ruzicka: Der SWR tut sich schwer, weil da nach längerer Diskussion eine Entscheidung gefallen ist. Der Intendant tut sich ganz besonders schwer, denn er trägt da eine auch politische Verantwortung für so eine Zäsur. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf. Es hat Fälle gegeben, wo im letzten Moment doch die bessere Einsicht sich durchgesetzt hat, und die Vorstellung, dass da ein Orchester, man muss ja doch das deutlich sagen, abgewickelt wird – das ist ja nur eine scheinbare Fusion -, die ist doch so gespenstisch und so schlimm, dass das eigentlich niemand wollen kann, und das müsste sich vermitteln lassen.

    Schmitz: …, sagte Peter Ruzicka zum Offenen Brief der 160 Dirigenten und Komponisten gegen die Fusionsbeschlüsse bei den SWR-Orchestern.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.