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"Es ist immer Platz für das Neue"

Die Mobilfunkbranche ist in einem tiefen App-Fieber. Vor kurzem erst hat Apple die 25-Milliarden-Download-Marke geknackt. Scott Jenson, Kreativdirektor bei dem IT-Design-Unternehmen Frog, ist jedoch überzeugt: Die kleinen Programme werden dem Nutzer bald lästig. Er hat auch schon Ideen für Alternativen.

Scott Jenson im Gespräch mit Manfred Kloiber | 03.03.2012
    Manfred Kloiber: Auch bei den neuen LTE-Telefonnen sind die Oberfläche und das Bedienkonzept von einer Idee geprägt, nämlich von dem sogenannten App-Modell. Kleine Anwendungen, vertreten durch jeweils ein eigenes Symbol auf dem Bildschirm, sorgen für einen ganz bestimmten Service oder eine ganz bestimmte Funktion. Nicht mehr und nicht weniger. Doch die Apps werden dem Nutzer bald lästig, meint Scott Jenson. Jenson ist Kreativdirektor bei Frog, einem Unternehmen für Industriedesign im Auto- und IT-Bereich. Und zuvor war Jenson bei Google zuständig für das Design von mobilen Anwendungen. Er hat am Rande des Mobile World Congresses in Barelona einen Vortrag mit dem Titel "Mobile Apps must die" gehalten. Warum die Apps sterben müssen, habe ich ihn gleich danach gefragt.

    Sott Jenson: Nein, sie müssen nicht unbedingt sterben, aber das alte Paradigma hält uns ein wenig davon ab, mit den vielen interessanten Dingen um uns herum zu kommunizieren, wenn man vorher jedes Mal eine App installieren muss, um mit diesen Dingen zu interagieren – das ist doch abschreckend.

    Kloiber: Und warum sind die Apps daran Schuld?

    Jenson: Es ist einfach der Aufwand, den man treiben muss. Wenn ich in einen Laden gehe und da steht ein Schild: Wir sind auch im App-Store präsent, dann muss ich erst im App-Store nach dem laden suchen, die App installieren. Das nervt doch die meisten Leute, weil es zu viel Arbeit bedeutet. Ich will einfach in den Laden gehen, auf den Knopf drücken und dann auch auf meinem Handy das Angebot sehen können.

    Kloiber: Also muss was besseres her, was soll das sein?

    Jenson: Wir benötigen zwei Teile. Zum einen Entdecker-Dienst, der im Smartphone eingebaut ist und Ausschau hält nach Dingen um uns herum. Und wenn er Dinge gefunden hat, dann kommt der zweite Teil ins Spiel: Diese Objekte senden dann ihre Fähigkeiten und Dienste aus, am besten in HTML oder Javascript, damit jedes Handy damit etwas anfangen kann. Ich finde dann die Objekte und kann sie nutzen. Das passiert dann im Web-Browser.

    Kloiber: Aber die ganze Mobilfunkbranche ist doch in einem tiefen App-Fieber. Sind die hinterher oder gar auf dem falschen Dampfer?

    Jenson: Zum Vergleich: Filme haben das Theater nicht verdrängt und das Fernsehen nicht den Film. Es ist immer Platz für das Neue und wir werden immer Apps haben. Aber wenn man es neu denkt, schwimme ich doch durch ein Meer von smarten Geräten. Und mit denen möchte ich schnell und einfach kommunizieren können. Das ist die neue Idee, eine ganz eigene Interaktionsform zu kreieren und nicht eine alte zu ersetzen.

    Kloiber: Welche Rolle spielt denn das Smartphone-Betriebssystem dabei?

    Jenson: Ich hatte ja auf die zwei Teile hingewiesen, den Objekt-Finder und die HTML-Code-sendenden Objekte – Also: Das Betriebssystem, egal ob es ein Browser-Betriebssystem wie Boot to Gecko ist, Apple oder Android, die können alle ihren eigenen Objekt-Finder eingebaut haben. Aber schön ist, dass die Objekte in HTML senden, sie sind damit geräteunabhängig. Die Geräte aber unterscheiden sich darin, wie gut sie die Dinge auffinden, oder wie viel Werbung dabei ist oder durch Geschwindigkeit.

    Kloiber: Und was bedeutet das dann für mich als Benutzer, wenn es lauter Sachen um mich herum gibt, die mit mir interagieren wollen?

    Jenson: Das funktioniert nur, wenn es übersichtlich und einfach ist. Meine aktuelle Idee dafür ist, dass man sich einen Infobalken auf dem Handy anzeigen lassen kann, der die vier oder fünf Objekte um mich herum anzeigt. Also, man zieht das Handy aus der Tasche, guckt auf den Infobalken, tippt auf das Objekt – das ist alles.

    Kloiber: Wenn ich dann einen Kilometer herumlaufe, dann habe ich vielleicht 200 oder 300 Objekte, die alle mit mir kommunizieren wollen. Das nervt doch!

    Jenson: Das nutze ich doch nur dann, wenn ich es auch benötige. Wenn ich vor meinem Auto stehe, dann nutze ich es in Verbindung mit meinem Auto und das sollte an erster Stelle stehen. Man läuft doch nicht mit dem Handy über die Straße und start permanent darauf. Aber wenn man neben einem Poster, einer Thermostat oder einem Boiler steht, dann will man die Geräte auf dem Handy sehen. Es geht nur um den Augenblick – und wenn das System gut ist, sehen sie nur die wichtigen Dinge.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.