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"Es ist nötig, so etwas zu verbieten!"

Medizin. - Während Sportler und Betreuer immer raffinierte Methoden der Leistungssteigerung suchen, stehen ihnen die Kontrolleure und damit befassten Wissenschaftler in nichts nach. Patrick Diel, Biochemiker am Zentrum für präventive Dopingforschung an der Deutschen Sporthochschule in Köln, ist einer von ihnen. Er nimmt im Gespräch mit Monika Seynsche Stellung zum Problem.

12.02.2010
    Seynsche: Herr Professor Diel, wenn man im Internet Begriffe wie 'Gendoping' oder 'kaufen' eingibt, dann stößt man auf eine ganze Reihe von recht obskuren Angeboten. Wie groß ist denn das Problem wirklich schon?

    Diel: Also, wenn man auf das eingeht, was im Internet angeboten wird, sicherlich nicht. Weil das, was man im Internet angeboten bekommt, sind in der Regel Fake-Produkte, die allerdings darauf abzielen, dass bestimmte Gruppen von Athleten oder Sportlern, auch Breitensportlern, das schon mitbekommen haben, dass es so etwas wie Gendoping gibt, und das auch gerne benutzen würden, allerdings nicht in der Lage sind, das zu tun.

    Seynsche: Ist es denn so, dass in Vancouver wirklich schon geprobt wird oder getestet wird auf Dinge, mit denen ich die Aktivität meiner Gene verändern kann?

    Diel: Das hängt davon ab, was man da jetzt von diesen Aspekten anschaut. Es gibt, wie wir gehört haben in dem Beitrag, unterschiedlichste Szenarien, einige davon sind sehr real, also wenn es zum Beispiel um Medikamente geht, die körpereigene Gene einschalten. Da gibt es ja einige, die sehr bedrohlich sind, die auch schon in klinischen Studien sind und die vom Test her relativ schwer zu erfassen sind. Und da gibt es momentan Nachweisverfahren, die aber in der Erprobung sind, die in Vancouver noch nicht angewandt werden.

    Seynsche: Im Beitrag kamen ja auch diese Profile vor, sie beschäftigen sich ja auch damit. Wie einfach oder schwierig ist es so etwas festzustellen? Ich könnte mir vorstellen, dass meine Stoffwechselaktivität ja durch unzählige andere Dinge auch beeinflusst wird, die vollkommen legal sind, zum Beispiel meine Ernährung, Training oder auch irgendwelche ganz normalen Anomalien!

    Diel: Ja genau. Das ist das Problem, deswegen müssen bei solchen Untersuchungen ja auch erst einmal, wenn man solche Marker identifiziert hat, genau diese Dinge abgeklärt werden. Und deswegen braucht man dann auch einen Satz von sehr aussagekräftigen Parametern. Aber wir sind dran, und ich bin mir sicher, dass man derartige Signaturen identifizieren kann. Und dann ist das eben wichtig, dass man eben diese Indizien nimmt, um dann weitere Untersuchungen durchzuführen. Deswegen ist es auch so wichtig, dass im Fall Pechstein eben das zum ersten Mal durchgesetzt wurde, dass ein indirekter Nachweis ausreicht, um eine Sperre zu verhängen. Denn sonst wären wir vollkommen hilflos in der Zukunft.

    Seynsche: Ist es denn überhaupt sinnvoll, Gendoping zu verbieten? Denn damit treibt man das ja in die Illegalität, und wir haben gehört, es kann durchaus auch sehr, sehr gefährlich werden. Man nimmt es ja damit weg von irgendwelcher ärztlichen Kontrolle!

    Diel: Ja, es ist nötig, was zu verbieten, auf jeden Fall. Weil, das Problem ist der Breitensport. Wenn wir im Leistungssport den Athleten zugestehen, dass sie derartige Manipulationen durchführen, die in jedem Fall gesundheitsschädlich sind, denn es sind ja gesunde Menschen, die praktisch Arzneimittel oder therapeutische Strategien missbrauchen. Das kann nicht ohne Nebenwirkungen seien. Dann laden wir den Breitensport ein, das auch zu praktizieren. Und wenn wir zum Beispiel an den Bereich im Ausdauersport denken, Anabolika sind im Breitensport ein riesiges Problem. Schätzungsweise 400.000 bis 600.000 Menschen in Deutschland, die regelmäßig anabole Steroide nehmen, wenn wir das im Breitensport dann auch noch haben, wenn zum Beispiel so genannte HIF-Stabilisatoren gebraucht werden, dann ist das einfach eine Dimension, die wir in keinem Fall akzeptieren können.

    Seynsche: Wenn man jetzt noch mal ganz konkret auf Vancouver oder auf die Olympischen Spiele in mehreren Jahren schaut. Ist es überhaupt noch leistbar, diese ganzen Kontrollen? Denn man muss ja auch weiterhin noch gegen die klassischen Substanzen kontrollieren und gegen neue Substanzen.

    Diel: Ja, ich denke schon. Es hängt davon ab, wie das System in Zukunft mehr oder weniger adaptiert wird. Wenn wir es schaffen, und das haben wir im Beitrag ja auch gehört, Screening-Systeme zu etablieren, die erst einmal grob schauen, und dann in Filtersysteme schauen, was ist denn überhaupt auffällig, und dann deutlicher nachkontrollieren. Und wenn wir es vor allen Dingen schaffen, auch die Trainingskontrollen zu intensivieren, das ist eigentlich das wichtigste. Während der Wettkämpfe ist es ja nicht zu entscheidend, sondern entscheidend ist, was vorher und nachher passiert. Dann haben wir sicherlich eine gute Chance, dass auch in Zukunft sozusagen kontrollieren zu können.

    Seynsche: Glauben Sie denn, dass es überhaupt noch saubere Spiele geben kann?

    Diel: Es gab nie saubere Spiele, meiner Meinung nach. Das ist eine hypothetische Frage. Auch in der Vergangenheit waren die Spiele alles andere als sauber. Wir müssen versuchen, es halt einzudämmen. Richtig sauber Spiele wird es nie geben, es wird immer den einen oder anderen geben, der versucht es zu manipulieren. Dazu ist auch die finanzielle Verlockung viel zu groß, das liegt an der Kommerzialisierung des Sports, das ist eigentlich das Kernproblem.