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Es kracht und knackt an allen Ecken

In Deutschland betreut ein Rheumatologe im Schnitt 300 Patienten mit rheumatoider Arthritis. Das sind zu wenige Fachärzte, zumal es noch viele andere rheumatische Erkrankungen gibt, wie die Fibromyalgie oder Lupus erythematodes. Dr. Edmund Edelmann, Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher Rheumatologen:

Von Helmuth Nordwig | 20.04.2010
    "Wir haben zudem die Problematik, dass Kollegen aus den Kliniken gerne in die niedergelassene Praxis wollten, aber das nicht können, weil wir eine Bedarfszulassung haben, die sich – datiert von 1992 – daran orientiert, wie viele Facharzt-Internisten in der Versorgung sind, aber nicht wie viele Rheumatologen. Das heißt, für Rheumatologen besteht de facto eine Zulassungssperre."

    Die Zahl der Rheumatologen müsste verdoppelt werden, um eine angemessene Versorgung sicher zu stellen. Rund 21 Monate dauert es, bis sich ein Patient zum ersten Mal beim Facharzt vorstellt. Dabei sind die ersten drei Monate nach Beginn der Erkrankung entscheidend: Bei der Hälfte der Patienten gelingt es in diesem Zeitraum, die Krankheit zu stoppen. Dennoch überweisen viele Hausärzte Rheumapatienten nur zögerlich zum Experten, und dort gibt es meist erst nach Monaten einen Termin. Nur in Bayern ist das seit einiger Zeit anders, wo Edmund Edelmann seine Praxis hat.

    "Wir haben eine Qualitätsvereinbarung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und auch mit verschiedenen Krankenkassen in Bayern abgeschlossen. Bei uns bekommen Sie innerhalb von 14 Tagen einen Termin als Patient, der zum ersten Mal in unsere Praxis möchte. Das ist auch das Ziel, das wir bundesweit als Verband vertreten. Aber der Nachteil ist natürlich, wenn wir immer mehr Neuvorstellungen haben, dass die Patienten, die wir schon in Dauerversorgung haben, unter Umständen längere Wartezeiten haben. Weil wir auch vorher schon ausgelastet waren, haben wir konkret das Problem, die Patienten, die zum ersten Mal zu uns kommen, auch beim nächsten Mal zu betreuen. Wir bestellen sie zu einem Termin ein, wo wir eigentlich schon keinen Termin mehr vorgesehen haben, machen also Zusatzarbeit - so ist es."

    Das macht die Rheumatologie für den Nachwuchs nicht unbedingt attraktiv. Drohende Regressforderungen bei den teilweise teuren Therapien und mangelnde Weiterbildungsmöglichkeiten tun ihr Übriges. Da bleibt den Rheumatologen gar nichts anderes übrig, als auch die Kompetenz ihrer Patienten zu stärken. Edmund Edelmann:

    "Das heißt, eine Patientenschulung, wie wir sie als Diabetes- oder Asthmaschulung kennen: Das soll es jetzt auch als Rheumaschulung in den Praxen geben, damit die Patienten besser im Stande sind, mit der Erkrankung selbst umzugehen, besser erkennen, was sie haben, und dass eine bessere Compliance zu den Medikamenten auch besteht. (Faubel) 10:42 Wobei der Begriff Compliance noch von einem Konzept ausgeht, dass der Arzt sagt, was richtig ist, und der Patient sich daran hält."

    sagt dazu Ursula Faubel vom Bundesverband der Deutschen Rheumaliga.

    "Man geht inzwischen davon aus, dass man wesentlich bessere Resultate erzielt – das ist auch wissenschaftlich nachgewiesen -, wenn eine solche Entscheidung über Therapie gemeinsam getroffen worden ist, wenn der Patient mit entschieden hat darüber, wie behandelt wird."

    Dazu soll auch eine neue Einrichtung beitragen, die die Deutsche Rheumaliga ins Leben gerufen hat: die Rheuma-Lotsen. Immer wenn ein Patient eine besondere individuelle Unterstützung braucht, kann er sich an diese Helfer wenden. Ursula Faubel:

    "Das gilt, um ein Beispiel zu nennen, für die Vernetzung vom stationären zum ambulanten Bereich: Wenn man aus dem Krankenhaus entlassen wird, stehen die Betroffenen ganz oft alleine da, haben noch Medikamente übers Wochenende mitbekommen und müssen sehen, dass sie die so schnell wie möglich wieder bekommen können. Wir haben schon gehört, dass es sehr lange dauern kann, bis sie einen Termin bekommen. Das sind alles Probleme, mit denen die Betroffenen alleine gelassen sind zunächst und wo sie bei den Lotsen zukünftig Unterstützung bekommen."

    Die ersten Rheuma-Lotsen sind in Heilbronn und Leipzig im Einsatz, ein weiterer bundesweit für Patienten mit seltenen Rheumaformen. Das ist noch nicht viel, doch weitere sollen folgen.


    5. Kongress des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen