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"Es macht immer Sinn noch besser zu werden"

Wer über eine längere Laufzeit nachdenkt, müsse auch die Sicherheit erhöhen, so Horst Meierhofer. Der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt und Reaktorsicherheit hält die Forderungen nach Gegenleistungen der Energieversorger daher für sinnvoll.

Horst Meierhofer im Gespräch mit Gerwald Herter | 30.08.2010
    Gerwald Herter: Was ist fachlich vernünftig und was ist politisch durchsetzbar? Eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke um zehn bis 15 Jahre, so sieht es die Bundesregierung. Die schwarz-gelbe Koalition ist sich hier einigermaßen einig. Bundeskanzlerin Merkel (CDU) hatte diesen Zeitraum eben sogenannt wie Vizekanzler Westerwelle (FDP). Die großen Energieversorger sollen ihre Atomkraftwerke allerdings im Gegenzug nachrüsten und eine Brennelementeabgabe zahlen. Der SPD reicht das nicht und auch einige Bundesländer wollen nicht hinnehmen, dass die Bundesregierung den Bundesrat umgehen will. Noch stehen nicht alle Einzelheiten fest, doch unterm Strich waren diese Ankündigungen positiv für die großen deutschen Energieversorger. Die Aktien von RWE und E.ON legten heute bereits zu. Freuen sich die Anleger da zu früh? – Horst Meierhofer kann uns das sagen. Er ist FDP-Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt und Reaktorsicherheit. Mit ihm bin ich nun verbunden. Guten Tag, Herr Meierhofer.

    Horst Meierhofer: Schönen guten Tag.

    Herter: Herr Meierhofer, zehn bis 15 Jahre Laufzeitverlängerung, das zeichnet sich ab. Die Brennelementesteuer soll schon in dieser Woche beschlossen werden. Was wird da noch an Gegenleistungen verlangt von den Energieversorgern?

    Meierhofer: Na ja, jetzt muss man erst mal abwarten, bis das Konzept komplett auf dem Tisch liegt. Aber es war im Koalitionsvertrag vereinbart und das sollte auch weiterhin gelten, dass wir einen Großteil der erwarteten Gewinne abschöpfen wollen und davon wiederum einen Großteil für die Erforschung erneuerbarer Energien einsetzen und für deren Speichertechnologien, um sie auch für die Zukunft grundlastfähig zu machen. Das halte ich für wichtig und das andere ist logischerweise das Thema Sicherheit. Da ist ja momentan auch noch die Debatte, Sie haben in Ihrem Beitrag darauf hingewiesen.

    Herter: Ja, die Sicherheitsauflagen. Betonmauern sollen da errichtet werden, um Reaktoren vor Flugzeugabstürzen zu schützen. Entspricht das Ihren Informationen?

    Meierhofer: Ich habe diese Informationen auch nur aus den Medien. Das kann ich nicht sagen, ob das kommen wird oder nicht. Ich fand es nur gerade sehr spannend, als der Herr Gabriel darauf hingewiesen hat, welche großen Probleme die älteren Reaktoren gehabt hätten. Dann denke ich mir, warum hat er als Umweltminister, der für die Sicherheit der Kernkraftwerke zuständig war, genauso wie sein Vorgänger Trittin, sie dann weiterlaufen lassen? Also so zu tun, als wären unsere älteren Kraftwerke unsicher, ist natürlich Unfug.

    Herter: Rot-Grün hat immerhin den Ausstieg beschlossen.

    Meierhofer: Sie haben aber nicht beschlossen, die Kraftwerke abzuschalten, und jetzt wird es so dargestellt, als seien sie unsicher. Das stimmt nicht und das hat früher nicht gestimmt und das stimmt auch jetzt nicht. Nur wenn man über eine längere Laufzeit nachdenkt, muss man natürlich auch darüber nachdenken, wie man die Sicherheit erhöhen kann, und das halte ich auch für eine vernünftige Vorgehensweise.

    Herter: Ja. – Diese Betonmauern, die da möglicherweise errichtet werden und die viel Geld kosten sollen für zehn bis 15 Jahre längere Laufzeiten, wären die denn nicht schon nach dem 11. September 2001, als man auf diese Gefahren aufmerksam wurde, sinnvoll gewesen?

    Meierhofer: Das wiederum ist eine Frage, die Ihnen vielleicht Herr Trittin am besten beantworten könnte, oder spätestens dann der Herr Gabriel. Aber das hilft jetzt auch nichts, nach hinten zu schauen. Zumindest machen wir uns im Gegensatz zu den Vorgängerregierungen Gedanken darüber, wie man auch die Sicherheit, die schon jetzt international gesehen mit am höchsten ist, vielleicht noch weiter nach oben bringen kann. Absolute Sicherheit gibt es übrigens für nichts. Man kann ja auch daran denken, dass es große chemische Anlagen gibt, die auch Ziele sein können. Also man muss immer darauf vorbereitet sein, dass irgendwas passiert, aber ich glaube, dass unsere Kraftwerke sehr sicher sind. Nichtsdestotrotz macht es immer Sinn, noch besser zu werden.

    Herter: Und das hat ein Jahr Zeit, denn so lange braucht die Bundesregierung, um das zu beschließen?

    Meierhofer: Na ja, wir haben ja bereits im Wahlkampf darauf hingewiesen, dass sowohl die FDP als auch die CDU/CSU bereit sind, wenn es sinnvoll ist für unsere Energieversorgung, die Laufzeiten zu verlängern. Wenn also jetzt so getan wird, als wäre das irgendwas, was gegen die Bevölkerung beschlossen würde, ist das natürlich auch nicht richtig, denn eine Mehrheit der Bevölkerung ist auch der Meinung, dass man mit erneuerbaren Energien zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht auskommen wird, um die Grundlastfähigkeit und die Versorgungssicherheit zu einem vernünftigen Preis für die Bevölkerung sicherzustellen. Deswegen, glaube ich, ist es vernünftig, dass man offen sagt, was man will, dass man das in der Öffentlichkeit diskutiert, dass es in der Politik diskutiert wird und dass man am Schluss zu einem vernünftigen Ergebnis kommt, das allen Beteiligten nutzen soll und das nicht dazu dienen soll, dass sich irgendjemand die Taschen vollstopft, sondern das dazu dienen soll, dass unsere Bevölkerung in der Lage ist, sich Energie leisten zu können. Übrigens: Die Laufzeitverlängerung ist nur ein ganz kleiner Teil des Energiekonzepts, denn es geht neben dem Strom, der ja zu einem großen Teil auch nicht aus den Kernkraftwerken kommt, zu drei Vierteln, nebenbei auch noch um Mobilität, es geht um die Wärme, es geht um die Isolierung, es geht um Hausbau. Also es wird ein sehr viel umfangreicheres Konzept zu erwarten sein, und davon verspreche ich mir auch eine ganze Menge.

    Herter: Lassen Sie uns noch mal auf diesen einen Punkt zurückkommen: Schutz der Atomkraftwerke gegen Flugzeugabstürze oder gezielte Anschläge. Welche Sicherheitsmaßnahmen gibt es denn da bisher? Sie sind Fachpolitiker.

    Meierhofer: Ja. Es gibt natürlich eine ganze Reihe von Sicherheitsvorkehrungen, die ja auch vorgeschrieben sind, die wir haben. Es ist so, dass das Bundesumweltministerium für die Reaktorsicherheit, wie der Name des Ministeriums ja auch schon sagt, mit zuständig ist. Aufsichtsbehörden vor Ort, sprich die Länder, überprüfen, dass es regelmäßig funktioniert. Welche einzelnen Maßnahmen es gibt, ist natürlich nichts, was man in der Öffentlichkeit groß diskutieren sollte, denn damit wäre ja auch natürlich einiges, was an Sicherheit da ist, wieder ein bisschen obsolet.

    Herter: Herr Meierhofer, noch ganz kurz: Sie sind Bayer und überzeugter Föderalist. Glauben Sie, dass man diese Laufzeitverlängerung ohne den Bundesrat machen kann?

    Meierhofer: Na ja, wenn das Maß voll ist, kann ich es mir vorstellen, und im Zweifelsfall wird es eben vor Karlsruhe gehen und wird dort entschieden. Auch damit muss man leben können. Also da wird man sehen, was dabei herauskommt. Uns sollte es darum gehen, dass man zu einem vernünftigen Ergebnis kommt, und dann können wir darüber debattieren. Und wenn sich dann der Bundesrat quer stellen sollte, dann soll er bitte schön auch darauf hinweisen, wie er eine vernünftige Energiepolitik für die nächsten Jahre garantieren will.

    Herter: Herr Meierhofer, vielen Dank. – Das war der FDP-Bundestagsabgeordnete Horst Meierhofer über das Energiekonzept der Bundesregierung. Es soll am Ende des Monats beschlossen werden.

    Meierhofer: Danke!