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"Es muss wesentlich unbürokratischer ablaufen"

Die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundesfraktion, Elke Hoff, bemängelt, dass die Feststellung der Erkrankung zu viel Zeit in Anspruch nähme. Der bürokratische Aufwand müsse reduziert werde, damit sich die traumatisierten Soldaten um seine Genesung kümmern könne.

Elke Hoff im Gespräch mit Gerwald Herter | 16.09.2010
    Gerwald Herter: Zumindest umgangssprachlich, so sagt es Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, zumindest umgangssprachlich also befinden sich Bundeswehrtruppen in Afghanistan im Krieg. Deutsche Soldaten töten also und Soldaten müssen mit der Angst leben, am Hindukusch zu fallen, oder verletzt zu werden. Immer mehr Soldaten stellen erst nach dem Einsatz, wenn sie zu Hause sind, fest, dass sie Schäden erlitten haben, die zunächst unsichtbar waren. Tut die Bundeswehr genug, um traumatisierten Soldaten zu helfen?
    Nun bin ich mit der FDP-Bundestagsabgeordneten Elke Hoff verbunden. Guten Morgen, Frau Hoff.

    Elke Hoff: Schönen guten Morgen!

    Herter: Frau Hoff, Sie gehören immerhin einer Regierungsfraktion des Bundestages an. Wenn es um PTBS geht, um traumatisierte Soldaten, fühlen Sie sich da trotzdem hilflos?

    Hoff: Ja. Es gibt erhebliche Mängel bei der Behandlung und auch im Umgang mit den Soldatinnen und Soldaten, die an PTBS erkrankt sind. Das Schlimme ist, dass die Verfahren für eine Weiterbeschäftigung oder für die Feststellung einer Erkrankung, die dann natürlich auch Ansprüche auf Versorgung nach sich zieht, einfach viel zu lange dauern.

    Herter: Wie lange?

    Hoff: Wir haben Zeiten zwischen 15 und 18 Monate. Das ist eine kostbare Zeit, die der Soldat nicht dafür verwenden kann, richtig zu gesunden, weil er sich einfach Angst um seine Existenz machen muss.

    Herter: Das heißt, diese Leute sind dann 15 bis 18 Monate lang arbeitslos, müssen mit ihrer Krankheit zurecht kommen, und die Familien auch?

    Hoff: Ja, richtig. Das ist einfach nicht mehr hinnehmbar und wir als Gesellschaft müssen hier mit den Soldaten und den betroffenen Familien ganz anders umgehen. Es muss wesentlich unbürokratischer ablaufen und vor allen Dingen müssen Möglichkeiten auch eröffnet werden, dass die Familien mit in die Behandlung einbezogen werden.

    Herter: Gute Vorsätze. Warum dringen Sie damit nicht durch?

    Hoff: Wir werden jetzt entsprechende Gesetzgebungsverfahren auf den Weg bringen. Wir haben ja bereits das Einsatz-Versorgungs- und –Weiterverwendungsgesetz, aber es gibt Gesetzeslücken für Reservisten, für Soldaten auf Zeit, und es geht vor allen Dingen auch darum, den Vollzug innerhalb des Verteidigungsministeriums erheblich zu verbessern und die Zeiten zu reduzieren.

    Herter: Wie wäre das möglich, Frau Hoff?

    Hoff: Beispielsweise, indem der bürokratische Aufwand geringer wird, indem die Zeiten, die man braucht, um Gutachten zu erstellen, drastisch verkürzt werden, indem vor allen Dingen auch die betroffenen Soldaten einen Lotsen an die Hand gesetzt bekommen, der ihnen hilft, durch diesen bürokratischen Dschungel erst einmal den richtigen Weg zu finden.

    Herter: Das hört sich interessant an, eine interessante Idee. Aber wäre das nicht noch mehr Bürokratie?

    Hoff: Nein, das glaube ich nicht. Es geht einfach darum, eine Stelle im Hause einzurichten, die zentral die Verantwortung hat und die den Durchgriff auch auf alle beteiligten Stellen, Referate, Landesbehörden hat, um dem Soldaten das Gefühl zu geben, du kannst dich um deine Genesung kümmern und ich kümmere mich um die bürokratischen Wege und darum, dass hinterher auch ein vernünftiger Bescheid rauskommt.

    Herter: In der Bundeswehr gibt es in den Streitkräften selbst gerade mal 42 Dienstposten für Psychiater. Wenn meine Zahlen aktuell sind, ist davon ein Drittel nicht besetzt. Wie kann man so etwas erklären?

    Hoff: Ja. Das ist einfach, weil man über viele Jahre hinweg gerade den Bereich der Traumatisierung im Einsatz verdrängt hat. Man hat das nicht als Problem erkannt. Und es geht hier unbedingt darum, auch bei der Ausbildung von Psychologen und Psychiatern hier eine Spezialausbildung anzubieten, die den Umgang mit traumatisierten Soldaten deutlich macht. Es ist ein ganz spezieller Sachverhalt und hier muss bei der Ausbildung mehr getan werden, und vor allen Dingen auch die Attraktivität für die Arbeit eines Psychologen und Psychiaters in der Bundeswehr muss besser werden.

    Herter: Wie viele Psychologen gibt es in Afghanistan?

    Hoff: Es gibt verschwindend wenig. Es gibt eine Hand voll von Männern und Frauen, die wirklich auch die Qualifikation haben und die vor Ort auch tätig sind. Ich weiß, dass es schwierig ist, genügend Fachpersonal zu bekommen, aber hier muss man eben intensiver in die Werbung gehen und man muss vielleicht auch darüber nachdenken, über die eigenen Bundeswehruniversitäten hier gezielt Psychologen und Psychiater für diesen Bereich auszubilden.

    Herter: Ich muss noch mal darauf zurückkommen. Glauben Sie, dass der Verteidigungsminister, glauben Sie, dass Karl-Theodor zu Guttenberg, der populärste deutsche Politiker, dafür wirklich offen genug ist, sich intensiv genug um dieses Problem kümmert?

    Hoff: Also er ist offen dafür. Ich habe in der vergangenen Woche ein Gespräch, ein längeres Gespräch mit ihm geführt. Er hat auch zugesagt, die notwendigen Maßnahmen jetzt zu ergreifen, und es ist wichtig, dass die Botschaft in das Haus geht, dass hier ein Anliegen ist, das sowohl dem Parlament, als auch dem Minister ein Herzensanliegen ist, und ich hoffe, dass wir hier sehr recht bald auch durchdringen werden. Wir von parlamentarischer Seite werden das, was wir tun können im Gesetzgebungsverfahren, jetzt dazu beitragen, wo Verbesserungsbedarf besteht, und der Minister muss dafür sorgen, dass in seinem Haus die bürokratischen Wege erträglich werden, verkürzt werden und im Sinne der Soldaten auch angewendet werden.

    Herter: Die Bundeswehrbürokratie beschäftigt heute auch die deutsche Ausgabe der "Financial Times". Sie hat ein Papier der Weise-Kommission erhalten. Danach soll das Verteidigungsministerium von Bonn komplett nach Berlin umziehen. Da arbeiten nach den Zahlen dieser Zeitung 3200 Offiziere, Beamte und Angestellte und die Zahl soll drastisch reduziert werden. Frau Hoff, sind Sie auch dieser Meinung?

    Hoff: Also dass die Bürokratie verschlankt werden soll und drastisch reduziert werden muss, ja. Aber ich weiß auf der anderen Seite, dass wir auch einsparen müssen, und ich kann mir im Moment nicht vorstellen, dass ein kompletter Umzug, der mit Baumaßnahmen, Auflösung von Liegenschaften verbunden ist, tatsächlich preiswerter wird. Das muss uns dargestellt werden. Und es gibt auch eine Vereinbarung mit der Region in Bonn, mit der Stadt über den Verbleib von Ministerien, es gibt hierüber ein Gesetzgebungsverfahren. Also ich glaube, dass wir im Moment wichtigere Themen haben bei der Umsetzung der Strukturreform, und ich möchte nicht zusätzliche Mittel binden, die nachher für die Soldaten im Einsatz fehlen. Das muss man genau betrachten, was hier wirklich auch vorgeschlagen wird. Ich kenne diesen Bericht der Weise-Kommission noch nicht und deswegen möchte ich da auch noch nicht mich festlegen.

    Herter: Aber das Prinzip wäre doch richtig, wenn man die Zahl der Soldaten reduzieren will, muss man auch die Zahl der Bürokraten reduzieren, oder?

    Hoff: Ja, selbstverständlich! Natürlich muss man die Zahl der Bürokraten reduzieren, und das wird auch im Laufe der Zeit so sein. Nur eine komplette Behörde zu verlegen an einen Standort, das wissen wir alle, das kostet sehr, sehr viel Geld und hier müssen die Kosten gegenübergestellt werden, was man tatsächlich an Effizienz erreicht, und da liegen mir als Parlamentarier noch keine Zahlen vor.

    Herter: Im Vertrag mit der Stadt Bonn ist aber nicht etwa die Anzahl der Beschäftigten des Verteidigungsministeriums festgeschrieben, oder?

    Hoff: Nein. Es geht um die Standorte von Ministerien. Es ist damals eben eine Arbeitsteilung vereinbart worden. Man muss mit der Region reden, ob sie Wert darauf legt, dass das so bleibt. Das muss auch im Einvernehmen geschehen. Aber am Ende der Reise ist es entscheidend zu sehen, sparen wir tatsächlich Mittel ein und können wir diese Mittel dann für eine effiziente Bundeswehr und auch für die Soldaten im Einsatz verwenden, und da müssen wir einfach abwarten, was die Weise-Kommission uns hier konkret vorschlagen wird.

    Herter: Das war die Bundestagsabgeordnete Elke Hoff, sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, im Deutschlandfunk. Sie sagt, dass Traumatisierte in der Bundeswehr im Schnitt zwischen 15 und 18 Monate lang warten müssen, bis ihre Anträge auf Weiterbeschäftigung bearbeitet sind. Frau Hoff, vielen Dank für dieses Gespräch.

    Hoff: Ja, ganz herzlichen Dank. Auf Wiedersehen!
    Bundeswehrsoldaten bei der Teilnahme an der Trauerfeier für ihre gefallenen Kameraden im Feldlager des deutschen ISAF-Wiederaufbauteams Kundus in Afghanistan.
    Bundeswehrsoldaten bei der Teilnahme an der Trauerfeier für ihre gefallenen Kameraden in Afghanistan. (AP)