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"Es sind nicht nur Professoren und ältere Männer"

Seinen Sitz im hessischen Landtag wird Jochen Paulus, der gerade von der FDP zur Alternative für Deutschland übergetreten ist, behalten. Was ihn an der AfD überzeugt hat? Die "wirkliche Eurokritik", und dass es persönlich gepasst habe. Konkrete politische Inhalte konnte er nicht nennen.

Jochen Paulus im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 08.05.2013
    Tobias Armbrüster: Seit Jahren wurde darüber spekuliert, seit einigen Wochen gibt es sie nun, eine neue konservative Protestpartei, eine Partei, die die Abschaffung des Euro fordert und die Wiedereinführung der D-Mark. es ist die Alternative für Deutschland, seit dem Wochenende hat diese Partei nun auch ihren ersten Landtagsabgeordneten: In Hessen ist der bisherige FDP-Abgeordnete Jochen Paulus aus seiner Partei ausgetreten und zur Alternative für Deutschland, kurz AfD, übergetreten. Er ist jetzt hier bei uns am Telefon. Schönen guten Morgen, Herr Paulus!

    Jochen Paulus: Schönen guten Morgen!

    Armbrüster: Herr Paulus, ist das nicht etwas frech, aus der FDP austreten, aber trotzdem den Sitz im Landtag behalten?

    Paulus: Nun, als Abgeordneter ist man zunächst seinem Gewissen verpflichtet, und aus diesem Grund habe ich mein Abgeordnetenmandat behalten und bin aus der FDP ausgetreten und dann in die AfD eingetreten.

    Armbrüster: Was kriegen Sie denn von Ihrer alten Partei zu hören?

    Paulus: Es gibt sehr positive Nachrichten, es gibt Zustimmung, aber es gibt natürlich auch sehr, sehr negative Stimmen.

    Armbrüster: Wir lesen vor allem aus Ihrer Partei, aus Ihrer alten Partei, aus der FDP, Sie hätten seit Monaten an keiner Sitzung mehr teilgenommen und wären sowieso für die kommende Landtagswahl nicht mehr nominiert worden. Dieser Übertritt sei deshalb quasi für Sie der einzige Weg gewesen, den Arbeitsplatz als Abgeordneter noch zu retten. Was ist da dran?

    Paulus: Das ist nicht richtig, denn ich war in den letzten acht Wochen wirklich heftig erkrankt, habe dies auch der Fraktionsführung mitgeteilt, und das wurde auch durch ein ärztliches Attest bestätigt. Und ich war dann wieder so weit hergestellt in der vergangenen Woche, dass ich meiner Arbeit wieder nachgehen kann. Und ich hatte schon Ende vergangenen Jahres entschieden, eigentlich nicht wieder für den hessischen Landtag zu kandidieren, rein persönliche Gründe waren hierfür ausschlaggebend, aber dann kamen die Gespräche mit der Alternative für Deutschland, ich hatte mich mit deren Inhalten auseinandergesetzt, und so ist dann der Entschluss gefallen, es doch noch einmal politisch zu versuchen.

    Armbrüster: Ja, was war denn der genaue Grund für Sie, überzutreten?

    Paulus: Der genaue Grund für mich waren zum einen die Inhalte und zum anderen hat es auch persönlich gepasst. Ich nenne hier nur die wirkliche Euro-Kritik, die die Alternative für Deutschland anbringt, zum anderen auch aber einige andere konservative Punkte, für die ich mich jetzt einsetzen werde, und die mich inhaltlich eher ansprechen.

    Armbrüster: Das müssen Sie uns ein bisschen genauer erklären, weil wir kennen die Alternative für Deutschland tatsächlich bisher nur als Anti-Euro-Partei.

    Paulus: Nun, es gibt zum einen ein Familienbild, das etwas anders gestellt wird, es gibt aber auch Themen, die sich jetzt in Hessen – wir sind dabei, diese Themen aufzustellen, um uns zur Landtagswahl zu positionieren, und da werden wir natürlich inhaltlich uns auch anderweitig festlegen.

    Armbrüster: Das klingt immer noch ein bisschen leer.

    Paulus: Das ist in der Tat so, aber wir werden an die Arbeit gehen, und deswegen werden wir in den nächsten Tagen alle Hände voll zu tun haben, um den Parteimitgliedern in Hessen zusammen mit den Listen, die für die Landtagswahl aufgestellt werden sollen, ein Programm zu bieten, ein Parteiprogramm, das verabschiedet werden wird auf dem Parteitag, und das die Wählerinnen und Wähler ansprechen wird.

    Armbrüster: Das heißt, außer dem Anti-Euro-Kurs können sie uns nichts Näheres aus Ihrem Programm sagen, vier Monate vor der Landtagswahl.

    Paulus: Es ist gerade in Arbeit, der Vorstand wurde konstituiert, der hat sich gestern konstituiert, der Landesvorstand, und es wird jetzt an die Arbeit gehen, damit wir fertig werden bis dahin.

    Armbrüster: Kennen Sie denn, Herr Paulus, andere aktive FDP-Politiker, die mit der AfD sympathisieren?

    Paulus: Es gibt sicherlich den einen oder anderen Hinweis.

    Armbrüster: Und auch Willen, überzutreten?

    Paulus: Darüber werden sicherlich noch Gespräche geführt werden.

    Armbrüster: Nun gab es ja und gibt es in der FDP viele Politiker, die den Eurokurs ihrer Partei kritisieren. Da fällt immer der Name Frank Scheffler zum Beispiel ein, der ja sehr engagiert aufgetreten ist im Bundestag mit seiner Meinung zum Eurokurs der Regierung, aber sicher auch einige andere. Die Frage ist, wäre es da nicht sinnvoller für Sie gewesen, wenn Sie gegen den Euro sind und für die Wiedereinführung der D-Mark, Ihre alte Partei sozusagen von innen heraus zu verändern?

    Paulus: Nun, erstens ist die AfD nicht für die Wiedereinführung der D-Mark, sondern sieht die Wiedereinführung der D-Mark als eine der Möglichkeiten an, um diese wahnsinnige Schuldenpolitik zu beenden, auf der anderen Seite ist es so, Sie müssen sehen, wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie inhaltlich nicht mehr weiterkommen in einer Partei, dann müssen Sie die Konsequenzen daraus ziehen. Und diesen Eindruck hatte ich, dass ich inhaltlich dort nicht mehr weiterkam.

    Armbrüster: Das heißt, ein sozusagen, ein Zusammengehen mit den Anti-Euro-Verfechtern in der FDP, das für Sie keine Alternative.

    Paulus: Es gab keine Möglichkeit.

    Armbrüster: Warum gab es die nicht?

    Paulus: Es gab keine Möglichkeit aus meiner Sicht, sich zu positionieren innerhalb der Landtagsfraktion.

    Armbrüster: Ihre neue Partei, die AfD, die wirkt ja immer so ein kleines bisschen wie eine Partei der alten Herren, da sieht man viele konservative Köpfe, viele pensionierte Professoren, die unbedingt den Euro wieder rückgängig machen wollen. Wie fühlen Sie sich da als 43-Jähriger?

    Paulus: Nun, es ist nicht unbedingt so, dass die AfD eine Partei älterer Professoren oder alter Männer ist. Das ist mitnichten so. Am Gründungsparteitag, am vergangenen Sonntag, haben sehr viele Menschen teilgenommen, die eben nicht diesem Klischee entsprechen, das so oft gestellt wird.

    Armbrüster: Das heißt, da sind auch junge Leute dabei?

    Paulus: Da sind auch junge Leute dabei, und es sind nicht nur Professoren und ältere Männer.

    Armbrüster: Solche Protestparteien wie die AfD, die ereilt ja häufig das Schicksal, dass sie sich entweder innerlich sehr schnell zerstreiten, so, wie man das zurzeit auch bei den Piraten erlebt, oder dass sie überrannt werden von Rechtskonservativen. Wie wollen Sie das verhindern?

    Paulus: Wenn Sie mir diese Frage stellen, dann kann ich nur sagen, ich habe bis jetzt keine rechtskonservativen Menschen in der AfD kennengelernt zum einen, und zum anderen muss inhaltlich gearbeitet werden, und es ist ja wirklich so, dass in der AfD bereits jetzt viele ehemalige Politikerinnen und Politiker, insbesondere aus CDU und FDP, Mitglied geworden sind, auch namhafte Leute wie den Stadtkämmerer zuletzt der Stadt Frankfurt am Main, Herr Glaser, der ja auch zum Sprecher gewählt worden ist, oder zu einem der drei Sprecher des hessischen Landesverbandes. Und da bin ich überzeugt davon, dass aufgrund dessen, dass eben eine gewisse Struktur schon vorhanden ist, die Partei das stemmen wird.

    Armbrüster: Aber wie genau überprüfen Sie das denn, wer da jetzt alles Mitglied wird?

    Paulus: Es wird nach vorherigen Parteizugehörigkeiten gefragt, das ist im Antragsformular so vorgesehen, und dann wird das auch entsprechend, wo es möglich ist, gecheckt werden.

    Armbrüster: Herr Paulus, in der Union und in der FDP wird diese neue Partei auch wegen der Wahlarithmetik gefürchtet. Die Logik dahinter, die geht immer ungefähr so, die AfD bindet bei einer Wahl viele Stimmen an sich, verhindert auf diese Art und Weise, dass Schwarz-Gelb eine Mehrheit bekommt, und hilft so möglicherweise Rot-Grün in den Sattel. Wäre das in Ihrem Sinne?

    Paulus: Das wäre nicht in meinem Sinne, aber das sehe ich nicht so.

    Armbrüster: Jochen Paulus war das, bis zum vergangenen Wochenende noch Mitglied der hessischen FDP-Landtagsfraktion und seitdem zur Alternative für Deutschland übergetreten. Damit ist er der erste AfD-Landtagsabgeordnete in Deutschland, heute Morgen hier bei uns live im Gespräch. Besten Dank, Herr Paulus!

    Paulus: Vielen Dank!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.