Donnerstag, 25. April 2024

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"Es wird einige Überraschungen geben"

Der kirchenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hermann Kues, ist davon überzeugt, dass der neue Papst für Überraschungen sorgen wird. Ratzinger knüpfe mit dem Papstnamen Benedikt an einen Vorgänger an, der die Kirche mit der modernen Welt verbinden wollte. Die zentrale Aufgabe des Papstes sei es, die Kirche zusammen zu halten. Nach Kues Ansicht gehört hierzu auch eine zentrale Rolle der Frau.

Moderation: Friedbert Meurer | 20.04.2005
    Friedbert Meurer: Zum ersten Mal seit fast 500 Jahren sitzt ein Deutscher auf dem Papststuhl. Das ruft in Deutschland aber nicht nur Begeisterung hervor. Kardinal Ratzinger galt als konservativ. In Porträts der Vergangenheit wurde er auch schon einmal als Großinquisitor bezeichnet. Am Telefon begrüße ich nun Hermann Kues, den kirchenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Herr Kues, verstehen Sie die Reserviertheit, mit der einige oder viele in Deutschland auf die Wahl von Kardinal Ratzinger reagieren?

    Hermann Kues: Nein, zunächst verstehe ich sie natürlich nicht, weil ich denke, wir haben allen Grund, inne zu halten, weil es ein historischer Augenblick ist, dass seit 500 Jahren ein Deutscher Platz nimmt auf dem Papstsessel. Deswegen bin ich eigentlich auch freudiger Erwartung, was er an neuen Ideen einbringen wird, denn davon bin ich überzeugt, dass es einige Überraschungen geben wird.

    Meurer: Was macht Sie da so sicher und überzeugt, dass es Überraschungen geben wird?

    Kues: Ich könnte anfangen bei der Wahl seines Namens. Er knüpft an einen Papst an, der seinerzeit sich bemüht hat, moderne Welt und Kirche miteinander zu verbinden. Ich könnte auch anknüpfen an seine Zeit, Ratzingers Zeit als junger Konziltheologe der Öffnung der Kirche zur modernen Welt. Vielleicht kann sogar jemand, der so fest im Glauben steht, der so fest in seinen Dogmen steht, am ehesten das eine oder andere verändern, was die Kardinäle vielleicht für notwendig halten.

    Meurer: Haben wir also doch vielleicht ein falsches Ratzinger-Bild?

    Kues: Ich glaube, es gibt nirgendwo ein so kritisches Ratzinger-Bild oder auch Rom-Bild wie in Deutschland. Darüber lohnt es sich auch nachzudenken. Das hat Gründe, das hat auch etwas damit zu tun, dass in dem einen oder anderen Fall eine zu große Detailregelung gegeben hat von unserer Kirche in Rom in die einzelnen nationalen Kirchen hinein. Das halte ich eher für problematisch, aber ich denke, das ist nicht der Kern dessen, um was es Ratzinger geht.

    Meurer: Gerade für diese Detailregelung und für den Zentralismus aus Rom steht ja der neue Papst und der alte Kardinal Ratzinger. Warum könnte sich das Ihrer Meinung nach ändern?

    Kues: Ich glaube, er steht für Verbindlichkeit. Es ist so, dass in einer Zeit der Beliebigkeit, in der wir leben, Verbindlichkeit zunächst einmal gut ist. Aber ich bin dennoch davon überzeugt, dass er immer die Auffassung gehabt hat, dass man etwa auch die Positionen, die aus Rom entwickelt werden, die Lehrschreiben auch immer interpretieren muss im Hinblick auf die jeweiligen Gegebenheiten in Mitteleuropa oder in anderen Teilen der Welt. So habe ich ihn jedenfalls immer verstanden, und auf diese Art und Weise konnte ich ganz gut damit leben bei aller Reserve auch in Detailpositionen.

    Meurer: Welche Detailpositionen waren das?

    Kues: Na ja, wenn ich zum Beispiel an Dominus Jesus denke, dann ist einfach die Tatsache, wie es ins Deutsche übersetzt worden ist, hier auch so verstanden worden als Abgrenzung gegenüber ökumenischer Bewegungen, was aber so in dieser Weise wohl auch nicht gedacht war.

    Meurer: Und als Vorherrschaft der Katholischen Kirche gegenüber anderen Glaubensrichtungen.

    Kues: Als Vorherrschaft der Katholischen Kirche, aber wenn man sich näher damit beschäftigt hat, ist klar gewesen, dass es darum ging, die Kirche zusammenzuhalten, die Einheit der Kirche zu wahren. Das ist auch die zentrale Aufgabe des Papstamtes.

    Meurer: Sie haben Kardinal Ratzinger, den heutigen Papst Benedikt XVI, mehrmals kennen gelernt in der Vergangenheit. Was hatten Sie, was haben Sie für einen Eindruck von diesem Mann?

    Kues: Ich glaube, dass er zunächst einmal persönlich bescheiden ist in seinem Auftreten. Ich bin davon überzeugt, dass er ein Gedankenbild, ein Weltbild hat, was absolut beeindruckt, weil es in sich schlüssig ist, und ich glaube - das wird vielleicht jetzt den einen oder anderen überraschen -, dass er im Prinzip sehr wohl bereit ist zu differenzieren im Hinblick auf die Verantwortung des einzelnen, beispielsweise im Bereich der Politik. Er hat mir mehrfach gesagt, wie jetzt diese Normen im Einzelnen umzusetzen sind, das ist eure Aufgabe als Politiker, Politik ist ein eigenes Handwerk.


    Meurer: Halten Sie es für nötig, dass es von Papst Benedikt XVI Anstöße geben sollte zum Beispiel über die Rolle der Frau in der Katholischen Kirche oder zum Thema Sexualität?

    Kues: Ich wünsche mit das zumindest, weil ich vor allen Dingen bei uns in Deutschland sehe, dass viele Kirchengemeinden in sich zusammenbrechen würden, wenn die Frauen diese zentrale Rolle nicht ohnehin wahrnehmen würden, beispielsweise in der Katechese, und da meine ich auch, dass es völlig richtig wäre, wenn man sie stärker einbezieht bei der Wahrnehmung anderer Aufgaben.

    Meurer: Aber Frauen als Priesterinnen bleiben wohl unvorstellbar?

    Kues: Für mich nicht, aber man muss nicht mit dem letzten Ziel beginnen, sondern man sollte mit dem beginnen, was im Moment realistisch ist.

    Meurer: Was ist im Moment realistisch?

    Kues: Es ist sicherlich realistisch, dass man den Frauen weitere Aufgaben gibt. Ich denke auch, dass man Frauen als Diakoninnen einsetzen sollte. Ich vermute auch, dass die praktische Entwicklung der Kirche dieses herausfordern wird.

    Meurer: Nun hat es ja überrascht, bei der Beisetzung von Papst Johannes Paul II die große Begeisterung und Anteilnahme auf der einen Seite und das im Kontrast zur Tatsache, dass die Kirchenhäuser hier in Deutschland immer leerer werden. Kann das Interesse der Deutschen an Kirche vielleicht zunehmen, weil der Papst jetzt ein Deutscher ist?

    Kues: Zumindest habe ich eben eine Umfrage gehört, wonach zwei Drittel der Deutschen begrüßen, dass ein Deutscher Papst geworden ist. Da bin ich mir nicht so sicher, wie sich das entwickeln wird. Ich stelle jedenfalls fest, auch in Verbindung mit dem Tod von Papst Johannes Paul II, dass offenkundig das Papstamt eine gewisse Faszination hat in einer Welt, die teilweise nicht richtig weiß, wo sie hinwill. Das bedeutet auch, dass das Religiöse inklusive des Kirchbesuches einen neuen Aufschwung erlebt, das weiß ich nicht, aber das würde ich mir wünschen.

    Meurer: Herzlichen Dank für das Gespräch.