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"Es wird keinen Befreiungsschlag geben"

Für einen Befreiungsschlag sei die Lage in der Eurozone zu komplex, meint Horst Löchel, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. Die eine Billion Euro des ESM "müsste aber ausreichen, um eine weitere Verschärfung der Situation zu verhindern".

Horst Löchel im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 27.06.2012
    Jörg Münchenberg: An deutlichen Warnungen fehlt es wahrlich nicht, IWF-Chefin Christine Lagarde etwa gibt der Eurozone noch drei Monate zur Lösung der Probleme, andernfalls drohe dann ihr Ende. Am Telefon nun Horst Löchel von der Frankfurt School of Finance. Zunächst, Herr Löchel, ich grüße Sie.

    Horst Löchel: Ja guten Tag, Herr Münchenberg.

    Münchenberg: Egal ob sie nun Eurobonds, Eurobills oder Schuldentilgungsfonds heißen, immer geht es in der gegenwärtigen Debatte ja um eine Vergemeinschaftung der Haftung. Ist das wirklich der Königsweg jetzt, um den massiven Zinsdruck auch auf die Südländer zu mildern?

    Löchel: Ja sicherlich nicht aktuell. Ich meine, die Kanzlerin hat Recht, wenn sie sagt, dass es im momentanen Stadium der Vertragslage nicht richtig ist, wenn wir jetzt zu einer Vergemeinschaftung der Schulden kommen, weil das würde bedeuten, dass gewissermaßen die Schuldner die Gläubiger vorführen können, weil eben überhaupt noch keine Regelungen auf europäischer Ebene getroffen sind, die die verschuldeten Länder stärker an die Kandare nehmen können beziehungsweise die in die Haushaltspolitik dieser Länder eingreifen können. Und solange das nicht der Fall ist, solange das vertraglich nicht geregelt ist, kann es auch keine Vergemeinschaftung von Schulden geben.

    Münchenberg: Was wäre denn Ihrer Meinung nach ein sinnvoller erster Schritt, um jetzt gerade Italien und Spanien zu entlasten?

    Löchel: Na ja, gut – es gibt jetzt verschiedene Möglichkeiten. Wir haben ja jetzt auch den Rettungsschirm, der ESM wird ja jetzt seine Arbeit aufnehmen, der ist jetzt zusammen mit dem alten Rettungsschirm doch schon sehr gut ausgestattet, mit immerhin etwa 1000 Milliarden Euro, also da ist schon ein bisschen Pulver da. Und eine Möglichkeit beispielsweise wäre, von diesem Fonds im Fall der Fälle, was auch vertraglich schon geregelt ist, direkt Staatsanleihen von den gefährdeten Ländern, also hier insbesondere Italien und Spanien zu kaufen, um diese Länder zu entlasten, das heißt die Zinslast und die Zinszahlung dieser Länder nach unten zu drücken, sodass die überhaupt in der Lage sind, mittelfristig und kurzfristig auch ihre Schulden weiterhin zurückzuzahlen.

    Münchenberg: Nun wird ja, Herr Löchel, auch über die Schaffung einer Bankenunion diskutiert. Da geht es zum Beispiel um eine einheitliche Bankenaufsicht, um die gemeinsame Sicherung der Einlagen für private Konten. Wäre das zum Beispiel ein ersehnter Befreiungsschlag, gerade auch, um den Bankensektor zu stabilisieren?

    Löchel: Na ja, ich meine, insgesamt mit dem Befreiungsschlag ist das so eine Sache. Ich meine, es wird keinen Befreiungsschlag geben, wir müssen uns langsam aus dieser Krise herausarbeiten. Auch Deutschland hat ein großes Interesse an einem stabilen Euro, an einer stabilen Währungsunion. Aber so einen richtigen Befreiungsschlag, der sozusagen alle Probleme mit einem Schlag löst, wird es nicht geben. Dafür ist die Lage zu schwierig, zu kompliziert und die Prozesse, die dahinter stehen, auch doch sehr komplex. Was konkret die Bankenunion betrifft, gibt es zumindest zwei Sachen, was hierunter verstanden werden kann. Das erste ist sicherlich sinnvoll, da geht es um eine europäische Aufsicht, insbesondere von sogenannten systemrelevanten Instituten, das heißt Institute, wenn die in Schwierigkeiten kommen, ganze Volkswirtschaften in Schwierigkeiten kommen, die natürlich dann auch sehr international und eben auch grenzüberschreitend in Europa tätig sind. Da soll es eine stärkere europäische Bankenaufsicht, angegliedert bei der Europäischen Zentralbank geben. Das ist sicherlich vernünftig, um hier, wie Sie sagen, mehr Stabilität in die Bankenwelt hineinzubringen.

    Das Zweite, was nicht so ganz unumstritten ist, ist ein gemeinsamer Einlagensicherungsfonds. Das würde heißen, dass zum Beispiel auch deutsche Banken oder der deutsche Einlagensicherungsfonds für beispielsweise Banken und Kredite und so weiter auch in Spanien oder Italien, eben im ganzen Euroraum haften würde, und das ist natürlich eher schon wiederum problematisch, weil das ist natürlich auch so eine Art Vergemeinschaftung von Risiken und wie gesagt dann eher problematisch.

    Münchenberg: Herr Löchel, noch ein Wort. Sie haben gesagt, Befreiungsschlag, der ist eher nicht möglich. Trotzdem rennt ja auf der anderen Seite die Zeit davon. Wie viel Zeit hat die Eurozone noch, mit der Bitte um eine kurze Antwort?

    Löchel: Ich meine, die Eurozone hat im großen und ganzen mit der Etablierung des ESM jetzt im Juli die Lage im Griff. Diese eine Billion Euro müsste ausreichen, um eine weitere Verschärfung der Situation zu verhindern. Zusammen mit beispielsweise jetzt der Aussetzung des Wachstumspakts und mit dem Fiskalpakt und auch der Idee der Bankenunion müsste das eigentlich reichen, um mittelfristig die Lage wieder zu stabilisieren.

    Münchenberg: Horst Löchel war das, Professor an der Frankfurt School of Finance, zur Debatte über eine Banken- und Fiskalunion. Besten Dank nach Frankfurt.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.