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ESA-Mission ExoMars
Lander Schiaparelli rast auf den Mars zu

Seit März ist der ExoMars-Spurengas-Orbiter unterwegs zum Mars. Nun ist die Raumsonde auf dem letzten Stück ihrer fast 500 Millionen Kilometer langen Reise. Mit dem Ausklinken der Landekapsel Schiaparelli hat die heiße Phase der Ankunft begonnen. Dirk Lorenzen erklärt im Kollegengespräch, wie die Mission weiter geht.

Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen im Gespräch mit Ralf Krauter | 17.10.2016
    Bei der Abtrennung der Nutzlastverkleidung während der Startphase der ExoMars-Mission tritt der Spurengas-Orbiter und das Wok-förmige Lande-Modul Schiaparelli zum Vorschein (künstlerische Darstellung)
    Das Lande-Modul Schiaparelli: wok-förmig (Esa/ATG medialab/dpa picture alliance)
    Ralf Krauter: Hat beim Ausklinken des Landers Schiaparelli alles geklappt?
    Dirk Lorenzen: Seit gestern Nachmittag um 16:42 Uhr gehen der Orbiter und die Landekapsel getrennte Wege. Es gab kurz darauf etwas Besorgnis, weil die Muttersonde nicht alle geplanten Daten zur Erde gefunkt hatte. Das Problem ließ sich aber innerhalb von zwei Stunden lösen. Heute früh um 4:42 Uhr hat dann das Triebwerk für knapp zwei Minuten gebrannt und dabei die Bahn des Orbiters leicht verändert.
    Das war extrem wichtig. Denn zum Aussetzen der Landesonde gestern war ExoMars auf Kollisionskurs mit Mars - der Lander hat keinen eigenen Antrieb und wurde buchstäblich Richtung Mars abgeworfen. Natürlich soll die Muttersonde nicht hinterher stürzen: Die ist nach der Kurskorrektur jetzt auf einer Bahn einige hundert Kilometer am Mars vorbei - und nun fiebern alle den Ereignissen am Mittwoch entgegen.
    Krauter: Was passiert dann?
    Lorenzen: Es gibt gleich doppelte Spannung: Während die Landekapsel durch die Marsatmosphäre rast, muss die Muttersonde in eine Umlaufbahn um den Mars einschwenken. Derzeit ist sie viel zu schnell, flöge einfach am Mars vorbei und verschwände im Sonnensystem.
    Mittwochnachmittag wird der Orbiter so gedreht, dass das Triebwerk nach vorne zeigt - und dann muss es fast zweieinhalb Stunden lang brennen. Wenn alles klappt, bremst dieser "Gegenschub" den Spurengas-Orbiter genügend ab, so dass ihn die Schwerkraft von Mars einfängt. Die Sonde ist dann auf einer lang gestreckten Umlaufbahn.
    Ab März 2018 untersucht der Spurengas-Orbiter Gase der Mars-Atmosphäre
    Krauter: Wann beginnen die wissenschaftlichen Messungen?
    Lorenzen: Die Forscher brauchen viel Geduld. Der Orbiter ist zunächst auf einer Umlaufbahn, die ihn bis auf 300 Kilometer an die Marsoberfläche heran bringt, aber auch fast 100.000 Kilometer weit hinaus ins All. Von März 2017 an soll der ExoMars-Orbiter durch Reibung an der dünnen Marsatmosphäre allmählich eine Kreisbahn einnehmen. Das wird sehr vorsichtig gemacht und dauert ein Jahr. Im März 2018 kann es dann endlich losgehen.
    Krauter: Was soll ExoMars herausfinden?
    Lorenzen: Die Raumsonde heißt Spurengas-Orbiter. Der Name ist Programm. Es geht um Gase, die in ganz geringen Mengen in der Atmosphäre vorkommen, vor allem um Methan. Das wurde von früheren Raumsonden immer mal wieder nachgewiesen. Jetzt wollen die Forscher wissen, wo dieses Gas herkommt. Es kann bei geologischen Prozessen entstehen, etwa bei Vulkanen. Aber es könnte auch bei biologischen Prozessen freigesetzt werden.
    Europas Mars-Sonde soll jetzt genau messen, wo auf dem Mars wie viel von diesem Gas vorkommt und wie sich die Verteilung im Laufe der Zeit ändert. Im Idealfall deutet das auf einfaches Leben im Marsboden.
    Zweiter Teil der ExoMars-Mission finanziell noch nicht gesichert
    Krauter: Kann ExoMars Leben aus der Umlaufbahn heraus entdecken?
    Lorenzen: Nein. Der Orbiter untersucht nur die Atmosphäre, da gibt es bestenfalls indirekte Hinweise auf Leben. Aber genau deshalb ist ExoMars als zweiteilige Mission geplant. 2020 soll ein rollendes Labor folgen, auf der Marsoberfläche landen und dort nach möglichem Leben suchen. Da will man bis zu zwei Meter tief in den Boden graben und Proben an Bord analysieren.
    Allerdings ist die Finanzierung des zweiten Teils noch immer nicht ganz gesichert. Der Start ist erst kürzlich um zwei Jahre verschoben worden. Anfang Dezember treffen sich Europas Raumfahrtminister um die künftige Strategie zu besprechen - spätestens da müsste die Finanzierung des Landers geklärt werden. Manche Experten fürchten, man werde es beim Spurengas-Orbiter und dem Schiaparelli-Demonstrator belassen. Das wäre eine große Enttäuschung. Denn der Orbiter allein bringt nicht viel.